Mumien sind der Inbegriff für altägyptische Begräbnissitten. Doch wie das genaue Rezept der Alten Ägypter zum Mumifizieren lautete, ist immer noch unklar. Forschende wollen dem nun auf den Grund gehen.
Es sind 30 Proben menschlicher Haut. Jeweils rund fünf auf zehn Zentimeter groß und etwa fingerdick. Sie liegen in drei Plastikwannen in einem Labor am Institut für Rechtsmedizin in München. Fast täglich hat Archäologin Pia Kruszewski von der Ludwig-Maximilians-Universität derzeit mit ihnen zu tun.
Details der Mumifizierung bislang unbekannt
Für ihre Masterarbeit will sie die Hautproben trocknen, waschen, balsamieren. Alles so, wie es im großen Maßstab einst wahrscheinlich auch die Alten Ägypter vor über 2.500 Jahren gemacht haben. Von den Details darüber sei bislang nur relativ wenig bekannt, erklärt die Wissenschaftlerin.
Wie viel ist von welcher Zutat nötig? Wie müssen sie gemischt werden? Was genau bewirken die Substanzen? Das soll das Experiment von Pia Kruszewski klären.
Die Archäologin hat die Haut aus Körperspenden dafür zuerst über einen Monat lang in Natronsalz getrocknet. Gerade hat sie das Salz entfernt und dokumentiert Aussehen, Gewicht und den Geruch der Haut. Denn nicht bei allen hat sie regelmäßig nach vier Tagen das Salz gewechselt. Erste Unterschiede zeigen sich: “Drei der Proben riechen sehr stark nach Käse. Und die Proben, die wir 32 Tage im Natron hatten, riechen so gut wie gar nicht”, sagt Kruszweski.
Archäologin Pia Kruszewski von der Ludwig-Maximilians-Universität bei Arbeiten im Labor. Sie untersucht 30 Proben menschlicher Haut. Jeweils rund fünf auf zehn Zentimeter groß und etwa fingerdick.
Laboranalysen offenbarten Zutaten
Die Münchner Wissenschaftler nehmen Proben, um Gewebe, DNA und Proteine zu analysieren. Für Pathologe und Mumienforscher Andreas Nerlich, der das Projekt betreut, nicht ganz einfach. Er ist erstaunt, dass er dafür sogar eine Säge braucht: “Einige sind schon so weit getrocknet, dass man mit einem Skalpell schon keine Probe mehr nehmen kann. Das ist überraschend.” Inwiefern das von der Vorbehandlung herrührt, muss sich noch zeigen.
Danach werden die Hautproben wie im Alten Ägypten mit Wein gewaschen. Und dann, heute zum ersten Mal, mit unterschiedlichen Mixturen balsamiert.
Etwa mit Elemi, Zypressen- und Zedern-Öl oder Mastix, einem Pistazienharz – exotische Zutaten, deren Verwendung erst seit wenigen Jahren bekannt ist: In Sakkara nahe Kairo hatte ein deutsch-ägyptisches Forscherteam 2016 eine unterirdische Balsamierungswerkstatt entdeckt, darin antike Öl- und Salbgefäße. In Laboranalysen in Kairo konnten Wissenschaftler, unter anderem aus München, deren Inhalt ermitteln.
In Sakkara nahe Kairo hatte ein deutsch-ägyptisches Forscherteam 2016 eine unterirdische Balsamierungswerkstatt entdeckt, darin antike Öl- und Salbgefäße. Um jetzt mehr herauszufinden, mischen die Forschenden die Original-Zutaten in verschiedenen Verhältnissen an.
Bisheriger Forschungsstand überholt
Für Andreas Nerlich war das ein Durchbruch: “Es war ein erster archäologischer Beleg dafür, welche Substanzen überhaupt verwendet worden sind. Nur leider nicht in welcher Konzentration.” Bis zu diesem Zeitpunkt habe das Wissen über die Mumifizierung der Alten Ägypter auf Untersuchungen an Mumien und vor allem auf historischen Aufzeichnungen von griechischen Geschichtsschreibern wie Diodor und Herodot beruht.
Mit den Angaben der antiken Geschichtsschreiber hat Andreas Nerlich schon vor über zehn Jahren versucht, die Mumifizierung nachzuvollziehen. Damals hat er ein Schwein präpariert. Das Problem bis heute: Die Angaben von Autoren wie Herodot sind ungenau: Sie haben das Prozedere erst Jahrhunderte später aufgeschrieben. “Man muss davon ausgehen, dass sie ihre Informationen nur aus zweiter Hand hatten. Also einfach vom Hörensagen übernommen haben.”
Näher am Original als je zuvor
Um jetzt mehr herauszufinden, mischen die Forschenden die Original-Zutaten in verschiedenen Verhältnissen an. Im warmen Wasserbad lösen sie ihre Mixturen auf, bevor sie die Hautstücke vorsichtig damit bepinseln. Der Vorteil dabei: Anders als beim Mumienschwein arbeiten die Forschenden hier an gleich mehreren Versuchsobjekten. Und sie können die Ergebnisse, die sie gewinnen, eins zu eins vergleichen: “Da wir das an menschlicher Haut ausprobieren können, sind wir viel näher an ägyptischen Mumien dran”, sagt Pia Kruszewski.
Bis Herbst sollen erste Ergebnisse des Experiments vorliegen, so der Plan der Archäologin und des Mumienforschers. Doch bis dahin stehen noch einige Tage mit Balsamieren auf dem Programm.