So war ich schon immer

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Kaum ein Künstler wühlt Debatten so sehr auf wie Dieter Hallervorden – und das konstant über Jahre hinweg. Darauf angesprochen, reagiert der 89-Jährige fast verwundert.

Dieter Hallervorden wird im September 90 Jahre alt. Sieht er Dinge heute mit größerer Gelassenheit – oder gibt es etwas, das ihn mehr aufregt als früher? “Mit größerer Gelassenheit sehe ich, dass mir weniger Alkohol guttut”, sagt er t-online in dieser Woche und fügt an: “Mehr aufwühlen tut mich, dass Pöbler, Hassprediger und ewig nörgelnde Miesmacher die Gesellschaft spalten.” Ein typischer Hallervorden-Satz. Und einer, der den Eindruck der vergangenen Wochen, wenn nicht gar Jahre, verfestigt.

Ob Winnetou, Gaza, N-Wort oder eine Schnitzelzubereitung mit Paprikasoße: Immer dann, wenn es um kulturelle Aneignung, Rassismus oder politische Minenfelder geht, ist Dieter Hallervorden nicht weit. Der Kabarettist ist so etwas wie der Hauptdarsteller in gesellschaftlichen Diskussionen, die mit der Überschrift “Was darf man heute noch sagen?” treffend umschrieben sind.

Als am 5. April in der ARD das große 75. Jubiläum des Senders gefeiert wird, geriet Hallervorden schnell in den Mittelpunkt. Zwar hatte der Comedian nur einen Kurzauftritt in der Show – aber die Berichterstattung im Anschluss drehte sich hauptsächlich um ihn. Grund war eine Wiederaufführung seines Sketches “Palim, Palim” aus der Siebzigerjahre-Sendung “Nonstop Nonsens”.

Da sitzt Dieter Hallervorden in Knastuniform auf einem Etagenbett und beschwert sich darüber, dass er heute nicht mehr das N- oder das Z-Wort sagen dürfe. Doch statt die Formulierungen zu umschiffen, spricht er sie aus – und schon tritt der Effekt ein, der bereits in all den vorangegangenen Debatten zu beobachten war: Während die einen sich empören, wüten die anderen, dass die einen sich empören. Eine Eskalationsspirale mit Ansage.

Der Begriff “N-Wort” umschreibt eine früher übliche, aber rassistische Bezeichnung schwarzer Menschen. Sein Gebrauch zielt darauf ab, das eigentliche Wort nicht unnötig zu reproduzieren, da es beleidigend und diskriminierend ist. t-online nutzt den Ursprungsbegriff nur dann, wenn es zum Verständnis unbedingt erforderlich ist, und ordnet ihn dabei stets als rassistisch ein.

Alles daran wirkt wie einstudiert, gut eingeübt. Eine Parallele zu Schauspiel und Kabarett. Kunstfertigkeiten, mit denen Hallervorden in Deutschland zur Berühmtheit wurde.

“Ich glaube, wir leben in einer Art von Empfindsamkeitskult, bei dem uns andere Leute vorschreiben wollen, mit welchem Slalom wir angebliche Fettnäpfchen in Zukunft zu umrunden haben”, sagte er im August 2022 der Deutschen Presse-Agentur, weil damals eine Diskussion um das Buch “Der junge Häuptling Winnetou” entbrannt war – und damit um die Frage, wie sensibel mit historischen Darstellungen anderer Kulturen umgegangen werden sollte.

Knapp drei Jahre später sagt er derselben Nachrichtenagentur zu seinem Auftritt in der ARD: “In Ermangelung von Mut, sich über die wirklichen Missstände zu erregen, weil diese anzuprangern gerade nicht in Mode ist, ereifert man sich über einen Komiker, der auf einem Knastbett sitzt und einen berühmten Sketch mit neuem Text beginnt.”

Dient ihm die Provokation als Stilmittel zur Aufmerksamkeitssteigerung? Ist sie, gewissermaßen in der Tradition seiner Kabaretttätigkeiten der Vergangenheit, nur Mittel zum Zweck? Oder geht es Hallervorden tatsächlich um etwas Größeres, um ein wichtiges Anliegen? Kann der Kampf gegen eine angebliche Sprachpolizei, neue Sensibilitäten oder einen “Empfindsamkeitskult”, wie es Hallervorden nennt, wirklich so wichtig sein?

Dieter Hallervorden in den Siebzigern.Vergrößern des Bildes
Dieter Hallervorden in den Siebzigern. (Quelle: imago stock&people via www.imago-images.de)

Sehnsucht nach Ruhm und Anerkennung kann es kaum sein. Als Kulturschaffender hat Dieter Hallervorden so ziemlich alles erreicht. Mit ersten Auftritten in den Sechzigern wurde er über die Jahrzehnte danach zu einem der größten Comedystars des Landes. Ob als Schauspieler, Kabarettist oder Leiter von inzwischen drei Theatern: Hallervorden hat nicht nur finanziell ausgesorgt – seine Karriere war so erfolgreich, dass auch sein Image profitiert hat. Der gebürtige Dessauer wurde nicht mehr als Ulknudel verlacht, sondern als ernst zu nehmender Künstler betrachtet.


Quotation Mark


Ich habe nie um den heißen Brei herumgeredet. Direkt war ich schon immer, weil man dann schneller verstanden wird.


dieter hallervorden


In seinem neuesten Buch “Meine erstaunlichen Alltagsabenteuer”, das er Ende März herausgebracht hat, schreibt er: “Ich war stets mehr vom Glück als vom Pech verfolgt.” Zum Erfolg, so der Autor, gebe es keinen Fahrstuhl: “Man muss die Treppe benutzen, Stufe für Stufe.” Das habe er seit Jahrzehnten beherzigt und heute sei er stolz auf das Ergebnis, das er einer Mischung aus Risikobereitschaft, Durchhaltewillen und Glück zu verdanken habe.