Demokraten in der woken Nische

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Es regt sich etwas bei den Demokraten in Amerika. Nach Monaten der Schockstarre infolge des Wahlsiegs Donald Trumps ist die Phase der Sprachlosigkeit zu Ende. Dafür ist jetzt ein handfester Richtungsstreit im Gange. Der ist notwendig. Jahrelang wurden die Konfliktlinien innerhalb der Partei verdeckt oder kleingeredet.

Schließlich schien es wichtiger, die rechtspopulistische Gefahr zu bannen. Das führte dazu, dass die Zentristen um Joe Biden und seine Vizepräsidentin Kamala Harris um des lieben Parteifriedens willen nach links rückten und dabei den Kontakt zur Mitte der Gesellschaft verloren. Bei dem Versuch, die innerparteiliche Anti-Trump-Koalition zusammenzuhalten, wurden Spannungen unterdrückt und Probleme ignoriert – und so Trump, wie man heute weiß, zur Rückkehr ins Weiße Haus verholfen. So was kommt von so was.

Harris glaubte kürzlich noch angesichts von Trumps radikaler Politik trotzig witzeln zu können, sie werde jetzt nicht sagen: „Da habt ihr es.“ Mit Rechthaberei ist es aber nicht getan. Gavin Newsom, lange Zeit gleichsam der Inbegriff der progressiven Westküstenelite, befand mit Blick auf die schlechtesten Zustimmungswerte seit Jahrzehnten, die Marke der Demokraten sei derzeit „toxisch“. Man habe sich in einer Echokammer eingerichtet, sei voreingenommen und habe Zuflucht in der „cancel culture“ gesucht, um Leute zu ächten, deren Ansichten man für verabscheuenswert hält. Der Gouverneur von Kalifornien, der jahrelang von der LGBTQ-Bewegung gestützt wurde, brach sodann mit einem Tabu, als er sagte: Die Teilnahme von Transgender-Personen am Frauensport sei „zutiefst ungerecht“.

Verrat oder Menschenverstand?

Für Trump steht das Thema im Zentrum seines Kulturkampfes. Während die Demokraten ihm im Wahlkampf eine spalterische Politik vorhielten, fand die Botschaft des Repu­blikaners, er trete einfach für den gesunden Menschenverstand ein, Widerhall in der Mitte der Gesellschaft – gerade bei jungen Frauen und Müttern, welche die Demokraten mit ihrer liberalen Haltung gegenüber Abtreibungen zu umwerben versuchten.

Newsoms Selbstkritik wird nicht dadurch unglaubwürdig, dass er sich als Präsidentschaftskandidat für 2028 in Stellung zu bringen versucht. Die progressiven Meinungsführer fielen trotzdem über ihn her: Der „Verrat an vulnerablen Gruppen“ sei nicht der Pfad zum Weißen Haus.

Demonstration zum „Transgender Day of Visibility“ am 31. März in New York
Demonstration zum „Transgender Day of Visibility“ am 31. März in New YorkReuters

Die Transgender-Frage ist kein Nischenthema. Rahm Emanuel, ein langjähriger Vertrauter Barack Obamas, brachte es dieser Tage auf den Punkt: Während einige Kids in der Schule darüber diskutierten, welche Pronomen politisch korrekt seien, wüssten die anderen Kids gar nicht, was Pronomen seien. Gemeint war, dass die Partei nur noch die Befindlichkeiten des linksliberalen Establishments bediene und vor lauter ­Wokeness das große Thema soziale Gerechtigkeit aus den Augen verloren habe.

Die Demokraten haben Probleme mit verursacht

Die Demokraten haben in den vier Jahren im Weißen Haus nicht nur Probleme ignoriert, sondern auch selbst einige mit verursacht, namentlich die Inflation, die auch eine Folge der Verschuldungspolitik war. Hinzu kam die Migrationskrise, auf die Biden viel zu spät reagierte. Diese Versäumnisse werden nun von Zentristen in der Partei offen angesprochen. Das strukturelle Problem ist aber: Biden machte diese Fehler nicht aus Ignoranz, sondern weil die Parteilinke Zugeständnisse forderte.

Zwei Protagonisten dieses Flügels ziehen gerade durchs Land und lassen sich feiern. Bernie Sanders, der 83 Jahre alte Sozialist aus dem Senat, und Alexandria Ocasio-Cortez, seine 35 Jahre alte Kampfgenossin aus dem Repräsentantenhaus, sind auf einer „Fighting Oligarchy“-Tour, die Tausende anzieht.

Auf Tour gegen Oligarchen: Senator Bernie Sanders und die Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez
Auf Tour gegen Oligarchen: Senator Bernie Sanders und die Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortezdpa

Man muss Sanders lassen, dass er schon vor der oligarchischen Gefahr gewarnt hat, bevor Elon Musk sich für Trump daranmachte, den Verwaltungsstaat zu zerlegen. Doch so berechtigt Sanders’ Warnungen vor dem Kahlschlag im Staatsapparat und den Angriffen auf den Rechtsstaat sind: Sein Flügel steht für linken Populismus, vor allem in der Wirtschaftspolitik, mit dem die verlorene weiße Arbeiterschaft zurückgewonnen werden soll.

Die Debatte darüber, ob die Partei ihren Kurs korrigieren und zurück in die Mitte finden oder endgültig nach links abbiegen soll, hat erst begonnen. Viel Zeit haben die Demokraten nicht. Die Kongresswahlen finden in eineinhalb Jahren statt. Daher ist die Verlockung groß, doch wieder auf Konfliktvermeidung zu setzen – und darauf, dass die Mehrheit der Amerikaner Trumps Disruption doch für zu des­truktiv hält.

Können die Demokraten wirklich darauf vertrauen, dass das Pendel 2026 auch ohne eigenes Zutun wieder zurückschwingt und Trump ohne eine Mehrheit im Repräsentantenhaus zur lahmen Ente wird? Der Präsident spielt längst mit dem Gedanken einer dritten Amtszeit. Das sollte niemand für reine Ablenkung halten.