Die von US-Präsident Donald Trump eingeführten und angedrohten Zölle setzen die Weltwirtschaft in extreme Turbulenzen und sorgen für angeheizte Diskussionen. Dabei stehen Politik, Furcht vor Rezession und Handelskriegaspekte im Vordergrund. Im Gegensatz dazu wollen wir uns in diesem Beitrag den rein betriebswirtschaftlichen Implikationen zuwenden und zeigen, wie sich solche Zölle auf die optimalen Preise eines Unternehmens, das von Deutschland in die USA exportiert, auswirken. Entscheidend, und das tritt in den bisherigen Diskussionen kaum auf, ist dabei die Reaktion der amerikanischen Kunden auf unvermeidbare Preiserhöhungen. Nur wenn diese Reaktionen quantitativ bekannt sind, lassen sich Umsatz- und Gewinnwirkungen antizipieren und damit optimale Preise setzen. Um die Auswirkung von Zöllen zu berechnen, muss man also die Preiselastizität beziehungsweise die Preisabsatzfunktion in den USA kennen. Ohne diese Information stochert man im Nebel herum.
Importzölle können als Stück- oder als Wertzoll angelegt sein. Ein Stückzoll ist äquivalent einer Stückkostenerhöhung. Bei den Trump-Zöllen handelt es sich um Wertzölle, die als Prozentsatz des Importwerts oder mit anderen Worten des Herstellerabgabepreises erhoben werden.
Um den Effekt eines Wertzolls zu illustrieren, müssen wir auf ein konkretes Zahlenbeispiel rekurrieren. Denn nur so werden die Auswirkungen transparent und verständlich. Und diese fallen völlig anders aus als in der häufig zu lesenden Aussage, dass ein Zoll von 20 Prozent zu einer Preiserhöhung von 20 Prozent führt. Wir betrachten ein Konsumgut und verwenden eine Preisabsatzfunktion, bei der gilt: Die monatliche Absatzmenge in 1000 Stück ist gleich 100 minus das Zehnfache des Endverbraucherpreises. Die Grenzkosten dieses Produktes betragen 5 Euro. Wir betrachten nun einen Wertzoll mit Zollsätzen von null Prozent, 10 Prozent und 20 Prozent.
Die Realität ist komplexer als man denkt
Das Ergebnis ist keineswegs so trivial, dass nur der Preis erhöht wird. Vielmehr sinkt der Herstellerabgabepreis mit höherem Zollsatz, etwa bei 10 Prozent Zoll um 6,1 Prozent und bei 20 Prozent Zoll sogar um 11,1 Prozent. Hingegen steigt der optimale Endverbraucherpreis bei 10 Prozent Zoll um 3,3 Prozent und bei 20 Prozent Zoll um 6,7 Prozent. Die Absatzmenge sinkt wegen des höheren Endverbraucherpreises bei 10 Prozent Zoll um 10 Prozent und bei 20 Prozent Zoll um 20 Prozent. Die kombinierte Wirkung von niedrigerem Herstellerabgabepreis, damit niedrigerem Stückdeckungsbeitrag, und niedrigerer Absatzmenge führt zu gravierenden Gewinneinbußen. Der Gewinnrückgang beträgt bei 10 Prozent Zoll 26,6 Prozent. Bei einem Zollsatz von 20 Prozent geht fast die Hälfte des Gewinns verloren. Die Gewinnauswirkungen höherer Zollsätze sind also drastisch. Diesen Gewinneinbußen stehen die Zolleinnahmen der US-Regierung gegenüber. Interessanterweise fällt die Summe aus Gewinnen und Zolleinnahmen geringer aus als der Gewinn ohne Zoll.
Die Realität ist natürlich komplexer als in diesem Beispiel dargestellt. Die Preiselastizität im Beispiel liegt bei einem relativ hohen Wert von minus drei. Viele deutsche Exportgüter für die USA haben niedrigere Preiselastizitäten. Unser größtes Exportgut sind Pharmazeutika, deren Absätze deutlich schwächer auf Preiserhöhungen reagieren. An zweiter Stelle liegen Maschinen, wobei es sich meist um Spezialmaschinen handelt. Ich habe in den letzten Tagen mit mehreren Herstellern gesprochen, die mir sagten, dass Maschinen ihres Typs in den USA überhaupt nicht hergestellt werden, sondern importiert werden müssen. Dennoch erwarten sie extrem harte Preisverhandlungen von ihren amerikanischen Kunden.
Es kommt allerdings ein weiterer Aspekt hinzu. Die angenommene Preisabsatzfunktion ist linear, was bei nicht zu starken Preiserhöhungen Sinn macht. Überschreiten die Preiserhöhungen jedoch Schwellenwerte, bricht die Nachfrage ein. So zeigen aktuelle Erhebungen bei amerikanischen Verbrauchern, dass bei einer fünfprozentigen Preiserhöhung nur fünf Prozent der Verbraucher die Kategorie überhaupt nicht mehr kaufen würden, hingegen wären es bei 20 Prozent höheren Preisen schon 22 Prozent Nichtkäufer. Bei moderaten Zollsätzen kommen deutsche Produkte vermutlich mit einem blauen Auge davon, bei Sätzen von 20 Prozent oder mehr wird es allerdings extrem eng.
Hermann Simon ist emeritierter Professor für Betriebswirtschaftslehre (BWL) und Gründer der Unternehmensberatung Simon Kucher & Partners.