Der Frust der Landwirte wächst – auch wegen Mercosur

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„Die Landwirtschaft ist ein starker Motor für Deutschland, doch dieser Motor stottert“ – so beschrieb Bauernpräsident Joachim Rukwied die Situation der Bauern, als er am Donnerstag die Einkommenszahlen des Sektors vorstellte. „Was unsere Landwirtschaft jetzt braucht, ist ein echter Politikwechsel“, sagte er. Rukwied befürchtet, dass die deutschen Bauern im internationalen Wettbewerb ins Hintertreffen geraten – so wie es auch anderen Industriezweigen droht. „Wir brauchen Wettbewerbsgleichheit in Europa, ohne nationale Alleingänge“, forderte er. Deutschland setze bei den EU-Vorgaben für Bauern den Faktor zwei oder drei obendrauf, was zusätzliche Kosten für die deutschen Betriebe verursache.

Die gesunkenen Einkommen der Bauern tragen zur schlechten Stimmung bei. Im Wirtschaftsjahr 2023/2024 fielen die Ergebnisse der Höfe im Durchschnitt um 30 Prozent geringer aus als im Vorjahr. Das Unternehmensergebnis je Betrieb lag bei 77.500 Euro, jedoch handelt es sich dabei nicht um den Reingewinn. Von dieser Summe müssen die Bauern ihre Familienarbeitskräfte, das eingesetzte Eigenkapital und Teile der Neuinvestitionen bezahlen.

Joachim Rukwied, Bauernpräsident
Joachim Rukwied, Bauernpräsidentdpa

Nahezu alle Betriebsformen, mit Ausnahme der Schweinehalter, mussten Einbußen hinnehmen. Ackerbauern verdienten rund 32 Prozent weniger als im Vorjahr, bei Milchbauern waren es 42 Prozent. Hintergrund sind die um 9,1 Prozent niedrigeren Ernten im Vergleich zum Vorjahr. Witterungsrisiken und Klimaveränderungen beeinträchtigen die Erträge. Neue Schädlinge befallen die Pflanzen, was die Erträge schmälert, wenn kein geeigneter Pflanzenschutz vorhanden ist. „Der Zugang zu wichtigen Pflanzenschutz- und Düngemitteln wird uns zunehmend verwehrt“, sagte Rukwied. Hohe Kosten für Dünger, Pflanzenschutzmittel sowie steigende Energie- und Lohnkosten belasteten die Landwirte zusätzlich. Auch die „überbordende Bürokratie“ mit unzähligen Dokumentationspflichten verursache Mehrkosten. Insgesamt schwanken die landwirtschaftlichen Einkommen für gewöhnlich stark innerhalb einzelner Jahre.

Mercosur-Abkommen aus Sicht der Bauern von Nachteil

Ein Dorn im Auge ist dem Bauernverband auch das Mercosur-Abkommen. „Damit Sie mich nicht falsch verstehen, wir sind für Handelsabkommen“, sagte der Bauernpräsident. „Aber wir lehnen den Agrarteil des Abkommens strikt ab.“ Zwar seien die Importmengen für Rindfleisch gedeckelt, doch der zollfreie Import werde Markt und Preise unter Druck setzen, lautet die Befürchtung. „Dieses Rindfleisch wird dort zu Konditionen hergestellt, die in Europa nicht zulässig sind“, sagte Rukwied. Die importierten Rindfleisch-Edelstücke wie Steak oder Filet würden auf einen „sowieso schon gesättigten Markt“ gelangen. Dass die Bauern umgekehrt etwa auch Soja als Futter seit Jahrzehnten zollfrei in die EU importieren, erwähnte Rukwied nicht.

In Brasilien seien Pflanzenschutzmittel erlaubt, die hier längst verboten sind. In der Folge könne man dort etwa Zucker deutlich günstiger herstellen. Rukwied warf der EU mit Blick auf Mercosur Doppelzüngigkeit vor. Strategische Dialoge wie der Green Deal der EU könnten „zu den Akten gelegt werden“, wenn sie in Handelsabkommen keine Rolle spielten. Europa müsse „zu seiner starken Rolle im globalen Kontext zurückfinden“.

In solch unsicheren geopolitischen Zeiten müsse die Ernährungssicherheit für die Landwirte an erster Stelle stehen, sagte Rukwied weiter. Er sprach die ehrgeizigen Anforderungen an die Bauern in Bezug auf Klima, Umwelt und Tierwohl an. Viele Punkte bleiben aus Sicht des Verbandes unklar. In der Folge zögern die Bauern, sie schieben ihre Investitionen in neue Ställe lieber auf.

Umbau der Tierhaltung stockt

Beim Umbau der Tierhaltung fehlt weiter jede Perspektive. Ein tragfähiges Konzept konnte auch Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) nicht durchsetzen. Der Lebensmittelhandel prescht derweil mit ambitionierten Zielen voran und will Fleisch aus niedrigeren Haltungsformen in wenigen Jahre aus dem Sortiment verbannen. Doch dass die Nachfrage für das „Tierwohlfleisch“ steigt, ist nicht sicher. Die Marktanteile sind gering; das teure „Tierwohlfleisch“ gilt als Ladenhüter. Und Landwirte, die ihre Ställe neu- oder umbauen wollen, werden spätestens von der Bürokratie ausgebremst. Emissionsrechtliche Vorschriften, Naturschutzgebiete und baurechtliche Regelungen legen ihnen Steine in den Weg.

Der Strukturwandel geht unterdessen weiter, besonders in der Schweinehaltung. Viele Betriebe machen ihre Tore dicht oder lassen die Ställe leer. „Das schwächt unsere ländlichen Räume, führt zum Verlust von Arbeitsplätzen und Wertschöpfung“, sagte Rukwied. Er verwies darauf, dass rund 5,3 Millionen Menschen und damit etwa jeder zehnte Deutsche in der Land- und Ernährungswirtschaft, dem sogenannten Agribusiness, tätig ist.