Hans-Werner Sinn über Trump und die kommende Merz-Regierung

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Herr Professor Sinn, was empfinden Sie, wenn Sie die bisherigen Taten der Trump-Regierung betrachten?

Entsetzen. Dieses Gefühl wird von den Teilnehmern des Kapitalmarktes geteilt. Die massiven Kursstürze bei den Aktienindizes und beim Dollarkurs erinnern an die Reaktionen auf die Smoot-Hawley-Zölle, die 1930 zu einer erheblichen Verschärfung der Weltwirtschaftskrise führten.

Sind Sie davon überrascht worden?

Ja. Ich hatte an maßvollere Zölle gedacht und war davon ausgegangen, dass es aufgrund dieser Zölle zur Aufwertung des Dollar kommen würde, wie es in der ersten Amtszeit von Präsident Trump der Fall gewesen war und wie es auch ganz allgemein von Einfuhrzöllen zu erwarten ist. Aber die Zölle sind ja nur ein Teil des Geschehens. Die Gedankenspiele der Präsidentenberater besagen, dass die institutionellen Inhaber der US-Staatspapiere zu Umschuldungen gezwungen und dann auch noch besteuert werden sollen. Das hat mich vom Hocker gehauen, und offenbar nicht nur mich. Den USA scheint das Geld auszugehen. Die Gläubiger fliehen.

Trump legt nicht zuletzt mit seinem Zollpaket die Axt an die bisherige Weltwirtschaftsordnung. Ist dies das endgültige Ende jenes Arrangements, das sich nach dem Zweiten Weltkrieg etablierte und für viel Wohlstand und Stabilität sorgte?

Offenbar. Trump war zwar selbst überrascht über die heftigen Reaktionen der Kapitalmärkte und ist schon wieder ein Stück weit zurückgerudert. Der Vertrauensverlust ist aber geschehen und lässt sich kurzfristig nicht mehr heilen. Die Rolle der USA als der stabile Hüter der Leitwährung der Welt neigt sich dem Ende zu. China ist schon mit seinem durch die Blockchain fundierten internationalen Zahlungssystem dabei, mit einem effizienteren System in die Bresche zu springen und seinen Renimbi als neue Weltwährung aufzubauen.

Wen treffen die Zölle am schlimmsten, die Amerikaner selbst, die Chinesen – oder womöglich sogar das Exportland Deutschland?

Trumps Zölle treffen vor allem die mit den USA befreundeten Staaten, allen voran Mexiko, Kanada, Deutschland und Japan. Sie treffen aber auch die USA selbst. Die heftigen Gegenreaktionen der Chinesen zeigen, dass man Handelskriege nicht gewinnen kann.

Wie geht der Konflikt zwischen den USA und China Ihrer Ansicht nach weiter?

Hoffen wir, dass sich aus dem Handelskrieg kein echter Krieg entwickelt. Je stärker sich die USA und China ökonomisch voneinander abkoppeln, desto größer wird diese Gefahr. Ein Showdown der Rivalen vor den Küsten Taiwans liegt in der Luft.

Was folgt daraus für Europa?

Trump scheint Putin in der Ukraine den Weg freimachen zu wollen, um Russland von China zu lösen. Er stellt das Beistandsversprechen der NATO in Frage, und er erklärt unumwunden, dass er Europa seiner Industrien berauben will. Unter seiner Führung sind die USA kein verlässlicher Partner mehr. Europa muss militärisch und politisch stärker werden. Die nun beschlossene Aufrüstung unserer 24 europäischen Armeen in den alten Strukturen wird weder die Feinde Europas noch unsere wankelmütigen Freunde jenseits des Atlantik beeindrucken. Das kann nur gelingen, wenn wir den europäischen Einigungsprozesses durch die Bildung einer politischen Union mit einem gemeinsamen Oberkommando über unsere Streitkräfte vollenden.

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Denken Sie, dass Europa dem gewachsen ist, dass es das leisten kann?

Eine politische Union lässt sich viel schneller verwirklichen als die Harmonisierung unserer vielen Waffensysteme. Nachdem Deutschland einer Sozialisierung seiner D-Mark unter dem Namen Euro zugestimmt hat, kann man von Frankreich erwarten, ähnliches mit seiner Nuklearstreitmacht zu tun. Nur mit einer nuklearen Abschreckung in der Hinterhand kann man konventionelle Kriege bestehen und deshalb wirksam vermeiden.

Friedrich Merz wird, wenn nichts mehr dazwischenkommt, alsbald zum nächsten Bundeskanzler gewählt und die schwarz-rote Koalition nimmt ihre Arbeit auf. Was halten Sie von deren Programm?

Das Programm ist eine teurer Schuldschein, den die politisch so mächtigen Babyboomer den wenigen Kindern vererben, die sie in die Welt gesetzt haben. Von der Infrastruktur und der Forschung ist vergleichsweise wenig die Rede, wohl aber davon, welche Reformen des Sozialstaates unterbleiben sollen. Solche Reformen gibt es nur, wenn Geld fehlt, nicht aber, wenn es im Überfluss vorhanden ist. Aus ökonomischer Sicht hatte die Koalition bei ihrem Fehltritt aber Glück im Unglück. Der keynesianische Schuldendampf, den sie vom alten Bundestag noch beschließen ließ, wird seinen Beitrag dazu leisten, die Konsequenzen der Weltwirtschaftskrise, die aufgrund der Trumpschen Politik nun droht, für Deutschland abzufedern.