Philipp Amthor hat Jens Spahn in Schutz genommen. Dieser hatte am Wochenende empfohlen, mit der AfD im Bundestag bei Geschäftsordnungsfragen oder der Besetzung von Ausschüssen so umzugehen wie mit jeder anderen Oppositionspartei. Dafür war er vor allem von Grünen, aber auch aus der SPD kritisiert worden.
Nun sagte Amthor, christdemokratischer Bundestagsabgeordneter aus Mecklenburg-Vorpommern, der F.A.Z., Spahn sei es doch „ganz offensichtlich nicht um eine Bagatellisierung der AfD“ gegangen, sondern „um den berechtigten Hinweis, dass man diese Truppe anstatt durch parlamentsrechtliche Kniffe besser durch eine leidenschaftlich-inhaltliche Auseinandersetzung zurückdrängen sollte“.
Spahn will Geschäftsordnung ändern
Amthor, der ebenso wie Spahn dafür eintritt, das politische Gewicht der AfD zu verringern, sagte außerdem: „In der notwendigen Abgrenzung von diesen nur scheinkonservativen Parlamentspöblern braucht Jens Spahn nun wirklich keine Nachhilfe – zumal er ihnen in den letzten Jahren immer wieder couragiert entgegengetreten ist.“
Spahn hatte nicht die Wahl eines AfD-Vizepräsidenten im Bundestag empfohlen. Es geht ihm vielmehr darum, dass man der AfD nicht grundsätzlich beispielsweise den Vorsitz eines Parlamentsausschusses verwehren sollte. Das hat es auch schon gegeben.
So war der AfD-Abgeordnete Peter Boehringer von 2018 bis 2021 Vorsitzender des Haushaltsausschusses. Wichtiger ist es Spahn, dass auch in der Geschäftsordnung des Bundestages die Möglichkeit verankert wird, einen einmal gewählten Abgeordneten wieder vom Ausschussvorsitz abzuwählen. So war es dem AfD-Abgeordneten Stephan Brandner ergangen, der 2019 von der Spitze des Rechtsausschusses abgewählt worden war.
Der CDU-Politiker betreibe „genau das Geschäft der Höckes und Weidels“
Am Montag übte der stellvertretende Vorsitzende der Grünenfraktion, Konstantin von Notz, scharfe Kritik an Spahn. „Jens Spahn hat seinen politischen Kompass offenbar endgültig verloren“, sagte von Notz der F.A.Z. Es sei „hochgradig irritierend“, dass jemand, der so lange auch Regierungsverantwortung für die CDU getragen habe, „heute die Normalisierung einer in weiten Teilen rechtsextremen Partei propagiert, deren eigentliche Mission die Zerstörung der Volkspartei CDU ist“. Mit dieser „Irrlichterei“ betreibe Spahn „genau das Geschäft der Höckes und Weidels und sägt am mühsam hochgepäppelten Vertrauen zwischen Union und SPD“, äußerte der Grünenpolitiker.
Die Frage, wie die anderen Fraktionen mit der AfD umgehen, besteht zwar schon seit dem Jahr 2017, als die Partei erstmals in den Bundestag eingezogen ist. Aber angesichts von jetzt 152 Abgeordneten der teilweise als rechtsextrem eingestuften Partei ist die Suche nach einer Antwort noch dringender als bisher. Das zeigt sich schon am Koalitionsvertrag, den Union und SPD miteinander ausgehandelt haben.
Ein Hinweis aus dem Koalitionsvertrag zur AfD
Im letzten Kapitel, das die Regeln für die Zusammenarbeit der Partner festlegt, gibt es einen eigenen Passus dazu, in dem die AfD zwar nicht ausdrücklich genannt, aber eindeutig gemeint ist. „Die Koalitionspartner schließen auf allen politischen Ebenen jede Zusammenarbeit mit verfassungsfeindlichen, demokratiefeindlichen und rechtsextremen Parteien aus“, heißt es im Kapitel sechs des Vertrages. Und weiter: „Dies betrifft im Parlament unter anderem gemeinsame Anträge, Wahlabsprachen oder sonstige Formen der Zusammenarbeit.“
Als der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz einige Wochen vor der Bundestagswahl einen Entschließungsantrag für eine schärfere Migrationspolitik in den Bundestag eingebracht hatte in dem Wissen, dass dieser mit den Stimmen der AfD eine Mehrheit bekommen könnte (was auch geschah), war von Unionsseite die Auffassung vertreten worden, es handele sich dabei nicht um Zusammenarbeit. Vielmehr habe man mit dem Antrag gemäß den eigenen Überzeugungen gehandelt und sich in keiner Form mit der AfD abgestimmt.
Dennoch war Merz damals unter anderem von Grünen und Sozialdemokraten vorgeworfen worden, eine Mehrheit mithilfe der AfD erzielt zu haben. Wenige Tage später wurde sogar ein Gesetzentwurf, das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz, von der Union in den Bundestag eingebracht. Die AfD stimmte auch zu, allerdings stimmten unter anderem zahlreiche FDP-Politiker nicht mit, sodass es keine Mehrheit fand.
Spahn hatte damals das Vorgehen seiner Fraktion und das von Merz verteidigt. Die große Mehrheit der Deutschen, das zeigten auch die Umfragen, wolle eine Begrenzung illegaler Migration, argumentierte er. Darauf ziele die Politik der Union. Dass Spahn schon länger in diesem Sinne argumentiert, lässt den Schluss zu, dass er mit seinen Äußerungen vom Wochenende keine neue Grundsatzdebatte lostreten wollte, sich möglicherweise sogar wunderte über die Aufmerksamkeit, die seine – letztlich bekannte – Einschätzung erhielt.