Darum müssen französische Botschaftsangehörige Algerien verlassen

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Das Verhältnis zwischen Frankreich und Algerien hat am Montag einen neuen Tiefpunkt erreicht. Die algerische Staatsführung will zwölf französische Botschaftsangehörige in Algier „innerhalb von 48 Stunden“ ausweisen. Nach Angaben des französischen Außenministeriums handelt es sich dabei um einen einmaligen Vorgang seit der Unabhängigkeit des nordafrikanischen Landes 1962.

„Sollte die Entscheidung, unsere Beamten auszuweisen, aufrechterhalten werden, bleibt uns keine andere Wahl, als sofort darauf zu reagieren“, sagte Außenminister Jean-Noël Barrot. Er war erst vergangene Woche im Auftrag von Präsident Emmanuel Macron nach Algier gereist, um das Regime unter Präsident Abdelmadjid Tebboune zu einer kooperativen Haltung zu bringen. Hintergrund des neuen Konflikts ist der Umgang der algerischen Staatsführung mit Regimekritikern.

Am Freitag waren drei Algerier in Frankreich festgenommen worden, die im Verdacht stehen, an der Entführung und geplanten Ermordung des algerischen Regimegegners Amir Boukhors alias Amir DZ im April 2024 beteiligt gewesen zu sein. Aus Justizkreisen verlautete der Verdacht, die algerische Staatsführung habe die Entführung in Auftrag gegeben. Die Videos des 42 Jahre alten Influencers, in denen er das algerische Regime kritisiert und Korruptionsskandale aufdeckt, ziehen jeden Tag Zehntausende von Zuschauern an. Seit 2016 lebt er in Frankreich, um dem Druck aus Algier zu entgehen. Im November 2023 erhielt er politisches Asyl. Die algerische Justiz hat ihn mehrfach in Abwesenheit verurteilt und siebenmal seine Auslieferung verlangt. Doch die französischen Gerichte lehnten die Auslieferungsgesuche ab.

Algerischer Konsularbeamter mutmaßlich an Entführung beteiligt

Am 29. April 2024 wurde Amir DZ auf dem Heimweg von vier vorgeblichen Polizisten gezwungen, in ein Auto mit Blaulicht zu steigen. Er wurde bedroht, dann betäubt und in der folgenden Nacht in einem Waldstück freigelassen. Unter den an der Entführung mutmaßlich beteiligten Männern ist auch ein algerischer Konsularbeamter. Die Ausweisung der französischen Botschaftsangehörigen ist als Antwort auf die Festnahme des algerischen Konsularbeamten zu verstehen. Boukhors’ Anwalt Éric Plouvier sprach von einer Staatsaffäre. Sein Mandant sei bereits 2022 Opfer eines Angriffs geworden. Die Beteiligung des algerischen Staates müsse genau untersucht werden. Der französische Geheimdienst DGSI warnte kürzlich vor Operationen ausländischer Staaten gegen ihre Gegner auf französischem Boden.

Eigentlich wollten Algerien und Frankreich ihre Beziehungen wieder normalisieren. „Wir reaktivieren ab heute in allen Bereichen die Mechanismen der Zusammenarbeit“, sagte Barrot vergangene Woche nach einem Gespräch mit Präsident Tebboune. Das Verhältnis ist angespannt, seit Frankreich den marokkanischen Autonomieplan für die Westsahara anerkannt hat, den Algerien ablehnt. Innenminister Bruno Retailleau fordert zudem, das bilaterale Abkommen aus dem Jahr 1968 aufzukündigen. Algerien ist dafür bekannt, Rückführungsverfahren zu verschleppen. Es kam wiederholt vor, dass ausreisepflichtige Algerier Terroranschläge auf französischem Boden verübten. Nach Angaben des Generaldirektors der Einwanderungsbehörde, Didier Leschi, waren im Jahr 2024 33.000 Algerier ausreisepflichtig, aber nur 3000 konnten abgeschoben werden.