Energisches Wachrütteln mit erschütternden Fakten, Motto: „Flood the Zone with Facts“, so lässt sich die Intention des europäischen Klimawandeldienstes Copernicus und der Weltmeteorologiebehörde (WMO) hinter ihrem jüngsten Klimabericht interpretieren.106 Seiten enthält der Report “European State of the Climate 2024“, annähernd hundert einzelne wissenschaftliche Beiträge wurden zusammengetragen und zusätzlich erstmals eine Grafikgalerie mit 130 Diagrammen und Infografiken. Unter dem Strich bleibt eine zentrale Botschaft, die im Vokabular so unpolitisch wie unmissverständlich gehalten wird: Europa wandelt klimatisch auf der Rasierklinge. „Jeder zusätzliche Bruchteil eines Grades beim Temperaturanstieg ist von Bedeutung, da sich dadurch die Risiken für unser Leben, unsere Wirtschaft und unseren Planeten erhöht.“ kommentierte WMO-Generalsekretär Celeste Saulo.
Europa sei der Kontinent, der sich am schnellsten erwärmt. 2024 war das heißeste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen gewesen, zu nass im Westen und zu trocken im Osten. Die Opferbilanz: Sturm Boris sowie diverse Überschwemmungen allein forderten 335 Todesopfer in einem Jahr, 413.000 Europäer hätten unter dem Extremwetter gelitten. Ein Drittel des europäischen Flussnetzes überschritt im Laufe des Jahres die Hochwassermarke, 12 Prozent erreichte die Kategorie „schweres Hochwasser“.

Die Federführung des Berichts liegt beim europäischen Zentrum für mittelfristige Wettervorhersagen (ECMWF) in Großbritannien. Seit gut zehn Jahren werden dort, finanziert mit EU-Geldern, Millionen an Klimadaten zusammengetragen und ausgewertet. In diesem Jahr fällt die Bilanz im Hinblick auf die Klimavariablen an besonders vielen Stellen nachdenklich aus. Zitat:
- Temperatur: 2024 war das heißeste Jahr in Europa, mit Rekordjahrestemperaturen auf fast der Hälfte des Kontinents.
- Meeresoberflächentemperatur: Für das gesamte Jahr war die SST für die europäische Region mit 0,7 °C über dem Durchschnitt und für das Mittelmeer mit 1,2 °C über dem Durchschnitt die höchste seit Beginn der Aufzeichnungen.
- Niederschlag: Bei den Niederschlägen gab es einen deutlichen Ost-West-Kontrast. Westeuropa erlebte eines der zehn niederschlagsreichsten Jahre im betrachteten Zeitraum seit 1950.
- Überschwemmungen: Europa erlebte die schwersten Überschwemmungen seit 2013. Fast ein Drittel des Flussnetzes war von Überschwemmungen betroffen, die mindestens die Hochwasserschwelle überschritten. Schätzungsweise 413.000 Menschen waren in Europa betroffen, mindestens 335 Menschen kamen ums Leben.
- Hitzestress: Die Zahl der Tage mit ꞌstarkemꞌ, ꞌsehr starkemꞌ und ꞌextrememꞌ Hitzestress war die zweithöchste seit Beginn der Aufzeichnungen. In 60 Prozent Europas gab es mehr Tage mit mindestens ‘starkem’ Hitzestress als im Durchschnitt.
- Erneuerbare Energien: Der Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien in Europa erreichte 2024 mit 45 Prozent ein Rekordhoch.
- Kälte-Extreme: Der Anteil der europäischen Landfläche mit weniger als drei Monaten (90 Tagen) mit Frost war der höchste aller Zeiten (~69 Prozent, Durchschnitt 50 Prozent)
- Kältestress: Es gab bislang kein Jahr mit weniger Tagen mit mindestens ꞌstarker Kälteꞌ.
- Gletscher: Alle Regionen Europas verzeichneten einen Eisverlust; die Gletscher in Skandinavien und Spitzbergen verzeichneten den größten Massenverlust seit Beginn der Aufzeichnungen.
- Waldbrände: Im September brannten in Portugal innerhalb einer Woche rund 110.000 ha (1.100 km2) ab, was etwa einem Viertel der gesamten jährlichen Brandfläche in Europa entspricht. Schätzungsweise 42.000 Menschen waren von den Waldbränden in Europa betroffen.
Klimapolitisch beschränkt sich der Bericht auf zwei Bereiche. Zum Einen wird die Klimaanpassung hervorgehoben: Immerhin die Hälfte der europäischen Städte hätten eigene Klimaschutzpläne entwickelt und veröffentlicht. Und was die Energiewende angeht, wird die Erneuerbaren-Offensive hervorgehoben: Der Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien in Europa erreichte 2024 einen Rekordwert von 45 Prozent, die Zahl der EU-Länder, in denen mehr Strom aus erneuerbaren Energien als aus fossilen Brennstoffen erzeugt wird, habe sich seit 2019 von 12 auf 20 fast verdoppelt.