Spotify bringt Hörbuch-Angebot nach Deutschland

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Erst Musik, dann Podcasts, jetzt Hörbücher. Der mit Abstand größte Streamingdienst der Welt treibt seine Expansion voran. Spotify-Abonnenten können im deutschsprachigen Raum von sofort an neben der Musik ohne Aufpreis zusätzlich zwölf Stunden Hörbücher im Monat hören. Das entspricht etwas mehr als einem Hörbuch im Monat; laut Spotify dauert das Hören eines Hörbuchs meist zwischen acht und zwölf Stunden. Wem das noch nicht genug ist, der kann ein weiteres Zehn-Stunden-Kontingent dazu buchen.

Die Preise für das Zusatzkontingent unterscheiden sich in den drei deutschsprachigen Ländern nur minimal: In Deutschland kostet es 10 Euro, in Österreich 11 Euro und in der Schweiz 10 Franken. Wer will, kann auch den Zugang zu einzelnen Hörbüchern kaufen, die nicht im Rahmen des neuen Angebots hörbar sind. Mitunter kosten diese 30 Euro oder mehr. Das zusätzlich gebuchte Hörbuchkontingent kann – anders als die 12 Basisstunden – in den nächsten Monat übertragen werden, falls man sie nicht sofort nutzt.

Kunden in Deutschland, Österreich und der Schweiz können aus einem Sortiment von rund 60.000 deutschsprachigen Hörbuchern auswählen. Hinzu kommen fremdsprachíge Buchtitel, großteils auf Englisch, aber auch rund 15.000 Hörbücher auf Französisch und Italienisch. Insgesamt umfasst der Katalog rund 350.000 Hörbücher. Im Falle von Familienabos mit bis zu sechs Accounts (17,99 Euro im Monat) und des Duo-Abos (14,99 Euro) ist der Hörbuch-Zugang auf den Hauptnutzer beschränkt, für das vergünstigte (5,99 Euro im Monat) ist er zunächst nicht vorgesehen.

Zu den Verlagen, mit denen Spotify für das Angebot kooperiert gehören die weltgrößte Buchgruppe Penguin Random House , außerdem Hachette Livre, Bonnier, Bastei Lübbe , der Argon Verlag und Hörbuch Hamburg. Zudem arbeitet Spotify mit Dienstleistern wie Zebralution oder Bookwire zusammen, um das Angebot zu vergrößern.

Konzept wurde in anderen Ländern schon getestet

Spotify-Manager David Kaefer setzt große Hoffnungen auf den deutschen Hörbuchmarkt: „Im deutschsprachigen Raum gibt es eine große Tradition des gesprochenen Wortes – das zeigt sich zum Beispiel an aufwändig produzierten Hörspielen.“ Auch Podcasts seien in Deutschland sehr gut angenommen worden. Hinter den Vereinigten Staaten sei Deutschland für Spotify der zweitwichtigste Podcastmarkt der Welt, sagt der Manager, der für das Hörbuchgeschäft von Spotify zuständig ist.

Das Unternehmen hat ein ähnliches Hörbuch-Angebot, wie es jetzt in Deutschland eingeführt wird, vor eineinhalb Jahren in Großbritannien und Australien gestartet, kurz danach wurde es auf Amerika und Kanada ausgeweitet, im vergangenen Herbst auf Frankreich, Belgien, die Niederlande und Luxemburg. Jetzt ist der deutschsprachige Raum an der Reihe, weitere Länder dürften folgen. Zu konkreten Plänen diesbezüglich will sich Spotify auf Nachfrage allerdings nicht äußern. Mit dem neuen Angebot greift der Streaming-Marktführer auch den bisherigen Hörbuch-Platzhirsch Audible, der seit 2008 zu Amazon gehört, und dessen kleineren Konkurrenten Bookbeat an.

Hörbücher sind für Spotify in Deutschland kein Neuland, in Tests wurden diverse von ihnen schon angeboten – nur ohne auf Hörbücher abgestimmte Funktionalitäten. Jetzt wird der Katalog deutlich erweitert. Auch die von Kaefer genannten Hörspiele mit allerlei Sound-Effekten und einer Vielzahl an Sprechern – so zum Beispiel die Reihe „Die drei Fragezeichen“ – sind schon lange auf der Plattform verfügbar und sehr beliebt. Hörspiele allgemein gelten als deutsches – und sehr erfolgreiches – Phänomen. Sie standen für „rund ein Viertel bis ein Drittel des Sony-Music-Umsatzes in Deutschland“, sagte Christoph Behm, damals Vertriebschef, im März 2024 der F.A.Z. Das entsprach damals einem niedrigen zweistelligen Millionenbetrag. Über das Label Europa vermarktet Sony auch noch andere Kinderhörspiele wie „TKKG“ oder „Peppa Pig“.

Der Hörbuchmarkt wächst

Im Gegensatz zu Hörspielen, die in der Regel Musikunternehmen vermarkten und in der Produktion deutlich mehr kosten, sind Hörbücher ein Thema der Buchverlage. Die Hörbuch-Expansion gehört zur längerfristigen Strategie des schwedischen Unternehmens, das im Jahr 2006 als reiner Musikdienst gestartet ist, seit 2018 aber mit Podcasts auch gesprochene Texte im Angebot hat. Vor zwei Jahren hat Spotify den Hörbuchvertrieb Findaway übernommen. Mit der breiteren Aufstellung als allgemeine Audio-Plattform wollen die Schweden ihre Abhängigkeit von der Musikindustrie verringern und auch margenstärkere Bereiche für sich erschließen. Rund zwei Drittel bis 70 Prozent des Umsatzes aus dem Kerngeschäft Musik zahlt Spotify an die Rechteinhaber aus. In den Vereinigten Staaten hatte der Dienst das Hörbuch-Angebots zuletzt unter anderem dafür genutzt, seine Kern-Abonnements als sogenannte „Bundle“ einzustufen – was ihm erlaubt, weniger Geld an Songwriter und Musikverlage auszuschütten.

Wie die Buchverlage und Autoren von Spotify vergütet werden, wollte Kaefer auf Nachfrage nicht verraten. Man zahle aufs Jahr gerechnet „Hunderte Millionen Dollar“, heißt es nur. Zum Vergleich: An die Musikindustrie schüttete der Dienst im vergangenen Jahr eigenen Angaben zufolge mehr als 10 Milliarden Dollar aus. Der Umsatz belief sich auf 15,7 Milliarden Euro, unterm Strich stand ein Plus in Höhe von 1,14 Milliarden Euro – Spotifys erster Jahresgewinn überhaupt.

Der Hörbuchmarkt an sich wächst seit Jahren, ist innerhalb des gesamten Buchmarktes aber noch immer ein vergleichsweise kleines Segment. Während physische Tonträger wie CDs stark an Bedeutung verloren haben, ist die Zahl der digitalen Hörbücher sehr stark gestiegen – dank Downloads und Streaming, wobei sich bei den Downloads eine gewisse Sättigung zeigt, das Streaming aber weiter wächst. Insgesamt ist der Hörbuchmarkt deutlich gewachsen. In Deutschland liegt der Jahresumsatz mit digitalen Hörbüchern laut dem Börsenverein des deutschen Buchhandels bisher bei rund 300 Millionen Euro im Jahr. Die Zahl der Hörbuch-Nutzer ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen, weshalb digitale Hörbücher zu den großen Hoffnungsträgern der Buchbranche gehören. Kauften im Jahr 2019 erst 1,8 Millionen Menschen in Deutschland mindestens ein digitales Hörbuch, waren es 2023 schon 3,4 Millionen Menschen. Zuletzt waren die Wachstumsraten aber nicht mehr so stark wie in den Vorjahren.

Der großangelegte Einstieg von Spotify könnte das ändern. „Wir werden für einen neuen Schub sorgen, weil wir neue Kunden zu den Buchverlagen bringen“, verspricht Spotify-Manager David Kaefer: „Fast die Hälfte der Spotify-Hörbuchhörer ist unter 34 Jahre alt. In einigen Märkten wie zum Beispiel Frankreich sind es sogar 60 Prozent.“ Die Konsumenten wollten einen einfachen Zugang, und bei der Suche nach interessanten Büchern könne der Literatur-Empfehlungsalgorithmus von Spotify erheblich helfen.

Das weitere Ausrollen des Hörbuch-Angebots dürfte Spotify helfen, weitere Preiserhöhungen durchzusetzen. Vom lange Jahre fixen Standardpreis von 9,99 Euro im Monat hatte sich der Dienst in Deutschland Ende 2023 verabschiedet. Die nächste Erhöhung dürfte kaum wieder Jahre auf sich warten lassen. Um das Hörbuch-Portfolio zu vergrößern, hatte Spotify kürzlich angekündigt, rund eine Million Dollar für die Produktion von nicht englischsprachigen Hörbüchern bereitzustellen. Diese Anschubhilfe soll zunächst für niederländisch- und französischsprachige Werke genutzt werden. Nur 20.000 von ungefähr 750.000 Titeln auf französisch seien als Hörbücher verfügbar, hieß es Ende vergangener Woche von Spotify. In Deutschland dagegen dürfte es an Angebot zunächst nicht mangeln.