Regierungsbildung: Wer will das Wirtschaftsministerium?

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Als CDU-Fraktionsvize Jens Spahn am Mittwoch im Bundestag über „aktuelle Entwicklungen in der Wirtschaftspolitik“ berichtet, ist das Interesse so groß wie lange nicht. Seit klar ist, dass sein Parteikollege Carsten Linnemann nicht als Wirtschaftsminister ins Kabinett geht, gilt Spahn als Anwärter für diesen Posten. Er hat für die CDU das Wirtschaftskapitel des Koalitionsvertrags verhandelt, war Teil der entscheidenden 19er-Gruppe. Nun bemüht er sich, nach dem öffentlichen Hickhack zwischen Union und SPD über Steuersenkungen und Mindestlohn die Wogen zu glätten. „Wir haben ein gemeinsames Verständnis, dass wir die Wirtschaftswende brauchen.“ Es werde kein Weiter-so der Ampelpolitik geben, sondern „marktwirtschaftliche Industriepolitik“. Spahn redet wie ein Wirtschaftsminister. Ob er es werden will, lässt er bis zum Schluss offen.

In den Koalitionsverhandlungen war das Wirtschaftsministerium selten Thema, mit Linnemanns Nein hat sich das schlagartig geändert. Der langjährige Vorsitzende des Wirtschaftsflügels ließ durchblicken, dass er das Haus in dem vereinbarten Zuschnitt für wenig attraktiv hält. Das im Wahlkampf von der CDU geforderte Wirtschafts- und Arbeitsministerium war in den Verhandlungen schnell wieder vom Tisch. Das Wirtschaftsministerium wird nicht aufgewertet, sondern geschwächt. Um den Klimaschutz kümmert sich künftig das Umweltministerium, um Digitales das neue Digitalministerium. Und die bislang im Wirtschaftsministerium angesiedelte Zuständigkeit für Technologie und Raumfahrt hat sich die CSU für ihr aufgewertetes Forschungsministerium gesichert.

Zu kleinteilig gedacht?

Eckhard Janeba, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats des Wirtschaftsministeriums und im Hauptberuf Professor für Volkswirtschaft an der Universität Mannheim, zeigt sich verwundert über diese Entwicklung. „Wie Deutschland die Klimaziele einhalten kann, ohne dass die Wirtschaft Schaden nimmt, ist die zentrale Frage der Zeit“, sagt er. Wie der Grüne Robert Habeck sich das Ministerium in der vergangenen Legislaturperiode zugeschnitten hatte, fand Janeba durchaus passend. Die Herauslösung von Technologie und Raumfahrt hält er für einen Fehler. „Die Fördergelder in diesem Bereich verfolgen schließlich den Zweck, die Indus­trie zu stärken.“ Insgesamt ist ihm das neue Kabinett viel zu kleinteilig. „Verkehr, Bau, Umwelt/Klima: Mindestens zwei davon hätte man gut in einem Ministerium bündeln können“, sagt der Ökonom.

Doch in der Politik zählen ökonomische Argumente wie Effizienz und Synergien wenig. Je mehr Posten es zu verteilen gibt, desto leichter fällt den Beteiligten die Zustimmung zu einer Koalition, die keine Wunschkonstellation ist. CDU-Chef Friedrich Merz war es dem Vernehmen nach in den Verhandlungen vor allem wichtig, das Außenministerium und das neue Digitalministerium für die eigene Partei zu sichern. Dass die SPD nun sowohl im Finanz- als auch im Arbeitsministerium die Stellschrauben in der Wirtschaftspolitik dreht, werten viele in der Partei als suboptimales Ergebnis.

Ständiger Wandel und neue Zuständigkeiten

Im Wirtschaftsministerium sind sie Veränderungen gewöhnt. Ministerium für Wirtschaft, Wirtschaft und Finanzen, Wirtschaft und Technologie, Wirtschaft und Arbeit, Wirtschaft und Energie, zuletzt Wirtschaft und Klimaschutz: Kein anderes Haus wurde schon so oft umgebaut wie dieses. Darin schwang stets auch der Versuch mit, dem Ministerium innerhalb des Kabinetts mehr Gewicht zu verschaffen. Wolfgang Clement ist das als „Superminister“ für Wirtschaft und Arbeit einst gelungen. Der SPD-Politiker setzte aus dem Wirtschaftsministerium heraus Anfang der Nullerjahre die Agenda 2010 von Gerhard Schröder um. Doch dieser Ressortzuschnitt währte nur drei Jahre. Die meisten Nachfolger blieben in dem Amt blass, an Michael Glos oder Rainer Brüderle erinnert sich in Berlin kaum noch jemand. Unter Sigmar Gabriel wurde das Ministerium 2013 dann zwar wieder wichtiger. Gabriel holte die Zuständigkeit für die Energiethemen in das Haus, war zudem Vizekanzler. So sehr im öffentlichen Rampenlicht wie unter Habeck stand das Ministerium aber noch nie – wenn auch oft nicht in einem positiven Licht, Stichwort Heizungsgesetz.

Dass das Wirtschaftsministerium jetzt so zurechtgestutzt wird, passt eigentlich nicht zur CDU. Seit Ludwig Erhard dort die Grundlagen für die Soziale Marktwirtschaft und das Wirtschaftswunder im Nachkriegsdeutschland legte, hält die Partei die Bedeutung dieses Ministeriums hoch. Auch die Habeck-Kritik der vergangenen Jahre ging oft mit der Erzählung einher, dass ein CDU-Minister dieses Amt weitaus besser führen würde als der Grüne. Allerdings wissen sie in der Partei auch, dass das Wirtschaftsministerium im Vergleich zu anderen Häusern eher wenig zu entscheiden hat. Mehrmals in der Geschichte zogen Finanzminister einflussreiche Abteilungen zu sich. Zu den internationalen Wirtschaftsgipfeln begleitet der Finanz-, nicht der Wirtschaftsminister den Kanzler. In Frankreich stellen sich solche Fragen nicht, dort sind Wirtschaft und Finanzen in einem Ministerium gebündelt.

Verbände hofften auf Linnemann

Einer, der sowohl dem Bundeswirtschaftsministerium als auch der CDU eng verbunden ist, beschreibt das Dilemma so: „Das Wirtschaftsministerium ist ein spannendes Haus, aber mit dem Manko, dass der Arbeits- und der Finanzminister den Wirtschaftsminister verhungern lassen können.“ Wirtschaftsminister können keine Steuern für Unternehmen senken, keine Arbeitszeitregeln lockern und auch keinen Druck auf Arbeitslose ausüben, eine Stelle anzunehmen. Es gab aber sowohl in der Partei als auch in Wirtschaftsverbänden die Hoffnung, dass Linnemann aus diesem Ressort trotz des verkleinerten Zuschnitts etwas hätte machen können. „Was jetzt mit dem Wirtschaftsministerium passiert, wird uns weitere Stammwähler kosten“, prophezeit der Kenner des Hauses. „Besonders im Mittelstand wird die Enttäuschung groß sein.“

Wie viel Einfluss das Wirtschaftsministerium in den kommenden Jahren noch hat, wird sich auch daran zeigen, wie es mit dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) weitergeht. In den Fonds fließen die Einnahmen des Staates aus der CO2-Bepreisung. Zudem bekommt er schrittweise 100 Milliarden Euro aus dem neuen 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Infrastruktur. Bislang konnte das Wirtschaftsministerium über den Großteil der Fördermittel des KTF verfügen. Durch den Wechsel der Klimapolitik ins Umweltministerium dürfte sich das ändern. Zudem sähe das Bauministerium die Zuständigkeit für die Bundesförderung Effiziente Gebäude (BEG) gerne bei sich. Beide Häuser besetzt die SPD.

Zwei Themenbereiche mit Gewicht bleiben dem Wirtschaftsministerium in der neuen Struktur. Da ist zum einen die Energiepolitik. Um fünf Cent je Kilowattstunde sollen die Strompreise durch staatliche Zuschüsse sinken. Zudem muss der neue Wirtschaftsminister zügig den Bau von Gaskraftwerken in die Wege leiten, die als Reserve für wind- und sonnenarme Zeiten gebraucht werden. Das allerdings wird Strom eher wieder teurer machen. Ein Gewinnerthema sei die Energiepolitik nicht, heißt es in der Union. Und dann ist da noch die Außenwirtschaftspolitik, die durch die trumpschen Zolleskapaden wieder bedeutender wird. Zwar ist für Handelsverträge die EU-Kommission zuständig. In der CDU lässt man jedoch keinen Zweifel daran, dass Deutschland in Brüssel wieder stärker seine Wünsche geltend machen soll. Jens Spahn pflegt seit Jahren enge Kontakte in die USA. Zudem geht er keinem öffentlichen Konflikt aus dem Weg. Jemand „Geländegängiges“ wie er könnte auch einem gestutzten Wirtschaftsministerium noch ausreichend Gehör verschaffen, heißt es in der Partei.