Die Aussicht auf Zölle überlagert die Zuversicht, die ASML aus dem Geschäft mit Künstlicher Intelligenz (KI) schöpft. Der niederländische Chipmaschinenhersteller hielt zur Quartalsbilanz am Mittwoch an seiner Jahresprognose zwar fest. Aber „Unsicherheit“ war das Schlüsselwort in den Aussagen des Vorstands. Wie sich mögliche Zölle auf das Geschäft auswirken dürften, ließ er offen. Dazu sei es zu früh.
Investoren reagierten negativ: Die in den vergangenen Monaten gebeutelte Aktie sackte im Kurs weiter ab, im frühen Handel um mehr als sieben Prozent. Analysten verwiesen auch auf den Auftragseingang, der unter den vorab ermittelten Schätzungen gelegen habe. Halbleiterwerte standen generell unter Druck. Händler nannten als einen Faktor den ASML-Bericht, als weiteren die milliardenschweren Einbußen, die der Chipkonzern Nvidia wegen verschärfter Restriktionen für Chiplieferungen nach China meldete
Schlüsselakteur in der Halbleiterbranche
ASML ist zu einem der zentralen Ausrüster der Halbleiterindustrie aufgestiegen und damit zu einem Geschäftsindikator der gesamten Branche. Daher wartete der Markt mit Neugier darauf, wie das Unternehmen aus Veldhoven die Lage um die Zölle beurteilen würde. Als US-Präsident Donald Trump Anfang des Monats seine Liste vorstellte, war zunächst unklar, ob Chipmaschinenhersteller ausgenommen würden. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass sie in der Tat davon freigestellt sind. Aber zum einen weiß niemand, wie lange das bei Trumps wechselhafter Politik Bestand hat. Zum zweiten ist die Halbleiterindustrie global eng verflochten: Wird das System in einem Teil belastet, bekommen das die anderen Teile zu spüren.
Das Zollthema sei noch sehr neu und habe Dynamik, sagte der Vorstandsvorsitzende Christophe Fouquet in einem unternehmenseigenen Interview mit ihm und Finanzchef Roger Dassen. „Diese Dynamik schafft eine neue Unsicherheit, was die Weltwirtschaftsleistung betrifft.“ Derzeit erwarte das Unternehmen den Jahresumsatz noch immer zwischen 30 und 35 Milliarden Euro. „Unsere Gespräche mit Kunden bisher stützen unsere Erwartung, dass 2025 und 2026 Jahre des Wachstums werden.“
Vier direkte Zollfolgen – und eine indirekte
Dassen führte vier Kategorien möglicher Zölle auf, die sich in diesem Jahr direkt auf ASML auswirken könnten: erstens Zölle auf neue Chipmaschinen im Export in die USA; zweitens Zölle auf Ersatzteile und Werkzeuge, welche ASML im Kundendienst in den Vereinigten Staaten nutzt; drittens Zölle auf Importe, die ASML für seine Produktion in den USA braucht: viertens Einfuhrzölle, die ein Drittland auf Maschinen erheben könnte, die ASML in den USA produziert. Als indirekter Effekt kämen die von Fouquet erwähnten makroökonomischen Implikationen hinzu, sagte Dassen: „In welchem Ausmaß wird sich das auf das globale Bruttoinlandsprodukt auswirken? Inwieweit wird sich das auf die Nachfrage des Markts auswirken?“ Er sehe es als viel zu früh an, das zu erörtern. „Und deswegen ist es völlig unmöglich, das konkret zu beziffern.“ Die Investmentbank Jefferies hatte kürzlich ein Beispiel gegeben: Die Nachfrage nach Smartphones, Servern, Laptops und Autos dürfte mit Zöllen schwächer ausfallen als ohne – und damit auch der Bedarf an Chips und in der Folge wiederum jener an Chipmaschinen.
Im ersten Quartal steigerte ASML den Umsatz gegenüber dem Auftaktquartal des Vorjahres von 5,3 auf 7,7 Milliarden Euro und verdoppelte den Nettogewinn auf 2,4 Milliarden Euro. Das Volumen der Neuaufträge summierte sich auf 3,9 Milliarden Euro, wovon knapp ein Drittel auf EUV-Maschinen entfiel – das sind die modernsten Geräte, die ASML nach eigenen Angaben als einziges Unternehmen der Welt anbietet. Bei anderen Maschinen konkurriert es unter anderem mit den US-Anbietern Applied Materials, KLA und Lam sowie mit Nikon und Canon.
ASML setzt darauf, dass KI die Nachfrage nach besonders modernen Chips stützt. Sie bleibe der vornehmliche Wachstumstreiber in der Branche, sagte Fouquet auch am Mittwoch. Und von ihr hängt auch maßgeblich ab, wo am Ende der Jahresumsatz innerhalb der prognostizierten Spanne ausfällt. Wenn die Nachfrage nach KI stark bleibe und Kunden in der Lage seien, Kapazitäten zu erweitern, könne man am oberen Ende liegen, also nahe 35 Milliarden Euro. „Auf der anderen Seite sehen wir noch Unsicherheit mit einigen unserer Kunden, die uns ans untere Ende der Prognose bringen könnte, an die 30 Milliarden Euro“, sagte Fouquet.