Für Orano wird die Lage im westafrikanischen Niger immer brenzliger. Am Mittwoch erklärte der französische Bergbaukonzern, die Kontrolle über seine dortige Tochtergesellschaft SOMAIR verloren zu haben. Sie baut Uran ab und betreibt Fabriken zur Weiterverarbeitung dieses Rohstoffs, aus dem später Brennelemente für Kernkraftwerke hergestellt werden. Orano hält an SOMAIR 64,3 Prozent. Die übrigen Anteile hält der nigrische Staat, in dem nach einem Putsch im Juli 2023 eine Militärjunta regiert.
Seit mehreren Monaten erleide man Eingriffe in die Unternehmensführung von SOMAIR, so Orano. Die auf den Verwaltungsratssitzungen getroffenen Entscheidungen würden nicht mehr umgesetzt. „Infolgedessen bestätigt Orano heute, dass die nigrischen Behörden die operative Kontrolle über das Unternehmen übernommen haben“, teilte der Konzern weiter mit. Niger weigere sich zudem, das produzierte Uran zu exportieren. Ende Oktober waren die Aktivitäten von SOMAIR eingestellt worden, nachdem sich die finanziellen Schwierigkeiten des Unternehmens verschärft haben.
Ob Frankreich jemals wieder nigrisches Uran beziehen kann, ist ungewiss. Schon im September 2023 vermeldete Orano erste Versorgungsengpässe für SOMAIR. Diese standen in Zusammenhang mit den Sanktionen der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS gegen das Land, die zur Schließung der für den Handel wichtigen Grenzen zu den Nachbarstaaten Benin und Nigeria geführt haben. Auch wenn der Großteil der Sanktionen aufgehoben wurde, hat sich die Lage vor Ort weiter verschlechtert. Im Juni entzogen die nigrischen Behörden Orano zudem die Lizenz zur Ausbeutung einer neuen Uranlagerstätte.
Orano, 2017 hervorgegangen aus Areva und zu mehr als 90 Prozent in den Händen des französischen Staates, ist ein zentraler Akteur in Nigers Bergbauwirtschaft. In den Siebzigerjahren begann der Uranabbau in der einstigen französischen Kolonie. Die zu diesem Zweck gegründeten Tochtergesellschaften COMINAK und SOMAIR betrieben Anlagen im Nordwesten des wüstenreichen Landes. Während die Förderung in der COMINAK-Mine 2021 beendet wurde, wollte Orano im Tagebau von SOMAIR eigentlich noch über das Jahr 2035 hinaus Uran abbauen.
Nach Angaben der EU-Versorgungsagentur Euratom stammten rund 14 Prozent des 2023 nach Europa importierten Urans aus Niger. Orano verfügt durch Minen in Kasachstan und Kanada über weitere Bezugsquellen; in Frankreich selbst wurde die letzte Mine in den Nullerjahren geschlossen. Ein Wegfall der nigrischen Uraneinfuhr gilt als handhabbar für die europäische Nuklearindustrie, die wichtigste Säule der französischen Stromproduktion. Nach Angaben der World Nuclear Association war Niger zuletzt die siebtgrößte Uranfördernation der Welt mit einem Marktanteil von etwa vier Prozent.