Die Freude darüber, dass Svante Pääbo vor drei Jahren der Medizin-Nobelpreis zuerkannt wurde, zumal als alleinigem Preisträger in seiner Kategorie, was selten genug geschieht, kam nicht von ungefähr. Der Schwede, der Anfang der neunziger Jahre nach München kam und seit 1997 das Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig leitet, ist gewissermaßen das europäische Gegenstück zum amerikanischen Großwissenschaftlertum. Pääbo glänzte heimlich, nie großspurig.
So heimlich, dass ihm in den entscheidenden Momenten die Show gestohlen wurde. Das bis dahin gigantischste Vorhaben zur Menschheitsforschung, das Humangenomprojekt, hat Pääbos Durchbrüche um die Jahrhundertwende buchstäblich in den Schatten gestellt. Natürlich beklagte er das nie. Denn er ahnte wie viele seinerzeit, wie sehr die Wissenschaft und Medizin insgesamt von der Datensammelwut profitieren würde – und bis heute tatsächlich hat.
Pääabo geht es freilich um mehr als um schiere Empirie. Er will die Substanz des Menschseins erkunden, die biologischen Wurzeln und durchaus auch unser geistiges Fundament – den Menschen in seinem Werden neu entdecken. Ein schwieriges Unterfangen, in dem die Biologie bis dahin nicht eben die erste Geige spielte. Doch Pääabo veränderte zweifellos deren Rolle. Nicht durch Datenwucherei. Viel mehr zählt er sich als Naturforscher offenkundig eher zu denen, die wie Philosophen oder Archäologen ihre Einsichten vor allem akribisch, detailversessen gewinnen.
Pääbos Erkenntnisse, die er aus altem und fossilem Gewebe gewann und für ihn in der Mumienforschung begannen, haben die Archäologie und die Genetik zusammengeführt. Archäogenetik oder Paläogenetik, wenn es um die frühen Zeitabschnitte der Menschwerdung geht, sind mit den von ihm entwickelten molekularen Verfahren zum Standbein der Menschheitsforschung geworden.
Seine Befunde, etwa die, wie Sprache genetisch angelegt wurde, oder wie Homo sapiens zum Neandertaler stand – und sich mit ihm vermischte –, lassen ebenso wie die Entdeckung einer ausgestorbenen dritten Homininenart in Europa, der Denisovaner, noch viele aufregende Selbsterkenntnisse unserer Gattung erwarten. An diesem Ostersonntag feiert Svante Pääbo, der unermüdliche Urzeit-Gen-Kundschafter, den siebzigsten Geburtstag.