Verdachtsfälle auf hohem Niveau
TK-Chef fordert Meldepflicht für Behandlungsfehler
21.04.2025 – 10:04 UhrLesedauer: 2 Min.

Die Zahl vermuteter Behandlungsfehler bleibt hoch – das zeigt eine Auswertung der Techniker Krankenkasse. Deren Chef sieht dringenden Handlungsbedarf.
Die Techniker Krankenkasse (TK) hat im Jahr 2024 insgesamt 6.431 Hinweise auf mögliche Behandlungsfehler von Versicherten registriert. Das geht aus einer Auswertung hervor, die dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegt. Es handelt sich dabei um den zweithöchsten Wert der letzten zehn Jahre – nur im Vorjahr lag die Zahl mit 6.509 Fällen noch etwas höher.
Die Vorwürfe reichen laut TK-Chef Jens Baas von verwechselten Medikamenten über Operationen am falschen Körperteil bis hin zu Todesfällen infolge von Pflege- und Behandlungsfehlern. Die TK mit rund zwölf Millionen Versicherten gilt als repräsentativ für das gesetzliche Krankenversicherungssystem in Deutschland.
Laut TK-Statistik betrafen 34 Prozent der gemeldeten Fälle die Chirurgie – damit ist sie die am häufigsten betroffene Fachrichtung. 18 Prozent entfielen auf Zahnmedizin und Kieferorthopädie. Zusammen machen diese beiden Bereiche über die Hälfte (52 Prozent) aller gemeldeten Behandlungsfehler aus. Weitere betroffene Fachrichtungen waren: Geburtshilfe und Gynäkologie (9 Prozent), Allgemeinmedizin (7 Prozent) und Orthopädie (6 Prozent).
Baas spricht von einer “erheblichen Dunkelziffer”. Viele Patienten würden sich nicht trauen, ihre Rechte einzufordern, oder wissen nicht, dass ihre Krankenkasse in solchen Fällen helfen kann. Deshalb fordert er: “Wir brauchen eine offene Fehlerkultur, um die Qualität der medizinischen Versorgung zu verbessern.” Fehler würden bislang zu oft “verschwiegen oder bagatellisiert”, statt sie als Chance für Verbesserungen zu sehen.
Ein zentrales Anliegen des TK-Chefs ist die Einführung einer Meldepflicht für Behandlungsfehler. Bislang werden nur solche Fälle erfasst, die Patientinnen und Patienten eigenständig melden. Eine verpflichtende Erfassung durch medizinische Einrichtungen soll laut Baas helfen, Fehlerquellen systematisch zu analysieren und künftig zu vermeiden.
Auch der Datenschutz steht aus Sicht der TK einer besseren Aufklärung im Weg. “Derzeit dürfen wir aber, selbst wenn wir klare Anhaltspunkte für einen Behandlungsfehler haben, die Betroffenen nicht kontaktieren und sie darauf hinweisen”, so Baas.
Besonders deutlich wird Baas in seiner Kritik am Umgang mit Geschädigten: “Leider nutzen Haftpflichtversicherungen immer wieder die wirtschaftlichen Nöte infolge der Behandlungsfehler aus, um für sie günstige Vergleiche mit den Geschädigten zu schließen.”
Ein besonders drastisches Beispiel: Ein Gerichtsverfahren der TK wegen eines mutmaßlichen Behandlungsfehlers läuft seit 2008. “Die betroffene Familie kämpft bereits seit 17 Jahren um ihr Recht”, berichtet Baas. Die Versicherungen setzten auf Zeit – in der Hoffnung, dass Betroffene aufgeben.
Deshalb appelliert Baas an die Politik: “Es wird höchste Zeit, dass der Rechtsstaat die Interessen der Opfer stärker in den Blick nimmt und die Verfahren beschleunigt.”