Eine sorgfältig geplante Unternehmensnachfolge sieht anders aus: Klaus Schwab, der Gründer und seit mehr als einem halben Jahrhundert Chef und Gesicht des Weltwirtschaftsforums, ist mit sofortiger Wirkung von der Position des Verwaltungsratsvorsitzenden zurückgetreten. Der 87 Jahre alte Schwab hatte zwar schon vor einiger Zeit Veränderungen angekündigt und sich aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen, doch scheint die Entscheidung zum Rücktritt kurzfristig zustande gekommen sein. Denn gleichzeitig zur Berufung seines Stellvertreters Peter Brabeck-Letmathes, eines früheren Vorsitzenden des Vorstands und Verwaltungsrats von Nestlé, zum interimistischen Vorsitzenden kündigt das Forum einen Suchprozess für eine dauerhafte Nachfolge Schwabs an. Brabeck-Letmathe ist 80 Jahre alt.
In den vergangenen Jahren hatte die Kritik an Schwab vernehmlich zugenommen. Sie kam von wichtigen Finanziers aus der internationalen Unternehmenswelt, die Vorbehalte gegenüber thematischen Schwerpunkten der Davoser Veranstaltung äußerten. Eine interne Kritik betraf die Praxis der inneren Führung des Forums. Im vergangenen Sommer hatten Medien von Klagen ehemaliger Mitarbeiter über Sexismus und Rassismus innerhalb der Organisation berichtet. Schwab und das Forum wiesen die Vorwürfe zurück. Nicht wenige langjährige Teilnehmer des Forums in Davos können sich eine Modernisierung der Veranstaltung vorstellen.
EZB-Chefin Christine Largarde wird als Nachfolgerin gehandelt
Das Tagesgeschäft hatte Schwab, der international bestens vernetzt ist, bereits an den früheren norwegischen Außenminister Borge Brende abgegeben, der den Titel eines Vorstandsvorsitzenden des Forums trägt. Er gilt als ein effizienter Macher, soll aber offenkundig nicht Schwabs Nachfolge als Verwaltungsratsvorsitzender übernehmen.
In der Gerüchteküche für die Nachfolge kursiert seit Jahren der Name Christine Lagarde, deren Vertrag als Präsidentin der Europäischen Zentralbank allerdings bis Ende Oktober 2027 läuft. Auch Ursula von der Leyen, die immer wieder einmal genannt wurde, steht als Präsidentin der Europäischen Kommission nicht zur Verfügung. Dies dürfte auch für Thomas Buberl gelten, dessen Name vor nicht allzu langer Zeit einmal fiel. Der 52 Jahre alte Deutsche führt seit 2016 als Vorstandsvorsitzender den großen französischen Versicherungskonzern Axa.
Forum startete ursprünglich als Manager-Konferenz
Schwab entstammt einer deutsch-schweizerischen Familie. 1938 in Ravensburg geboren, studierte er Betriebswirtschaftslehre in Freiburg und Maschinenbau in Zürich. In beiden Fachrichtungen wurde er promoviert. Nach einer zusätzlichen Ausbildung an der Harvard University trat er in das Schweizer Maschinenbauunternehmen Escher Wyss ein, für das bereits sein Vater gearbeitet hatte. Seit 1971 veranstaltete Schwab in Davos jährliche Konferenzen für Manager mit dem Ziel einer Unternehmensführung, die sich nicht allein an der Gewinnmaximierung ausrichtet.
Daraus entwickelte sich im Laufe der Zeit das als Begegnungsstätte für eine globale Elite einzigartige Weltwirtschaftsforum mit zuletzt 3.000 Teilnehmer aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Medien. Schwab wurde so zu einem prominenten Gesicht der Globalisierung; gleichzeitig wandten sich Globalisierungskritiker gegen die Veranstaltung.
Heute ist das am Genfer See ansässige World Economic Forum ein global tätiges Unternehmen mit rund 1000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 400 Millionen Franken, das neben der jährlichen Konferenz in Davos weitere Veranstaltungen ausrichtet. An der Mission des Unternehmens, das sich im Besitz von Schwabs Familie befindet, werde sich nichts ändern, heißt es in einer Mitteilung vom Ostermontag.