Für die Pilgergruppe aus Schlüsselfeld im Landkreis Bamberg geht es zügig voran. Sie durften sich auf der Via della Conciliazione, die von der Engelsburg am Tiberufer schnurgerade auf den Petersplatz führt, sozusagen in die Überholspur einreihen. Das ist der abgesperrte Teil der vierspurigen Straße, die für die Pilger aus aller Welt reserviert ist.
Zwar dürfen im Heiligen Jahr 2025 auf der Via della Conciliazione ohnedies keine Autos fahren. Aber oft sind dieser Tage – zumal an einem Hochfest wie Ostern – so viele Touristen unterwegs, zu Fuß, mit dem Scooter oder auch auf dem Rad, dass für Pilgergruppen kein Durchkommen wäre. Freiwillige Helfer achten darauf, dass niemand die hüfthohen Barrieren zum abgetrennten Pilgerweg übersteigt und sich in eine Gruppe einschleicht.
An der Spitze der Pilgergruppe aus Schlüsselfeld trägt ein junger Mann ein gut zwei Meter hohes Holzkreuz. Es ist mit Bändern in den Farben des Vatikans geschmückt. Das Kreuz wurde ihnen am Empfangszentrum für die Pilgergruppen neben der Engelsburg ausgehändigt. Im Petersdom werden sie ihr Kreuz wieder abgeben. Der Priester hebt ein Ave Maria an. Die Gemeinde stimmt ein. Die Gruppe geht gemäßigten Schrittes in Richtung Petersplatz. Es sind vielleicht noch 300 Meter bis zum Ziel.
Wer in einem Heiligen Jahr durch eine der nur zu diesem Anlass geöffneten Heiligen Pforten der vier Papstbasiliken in Rom schreitet, dem wird ein vollkommener, ein sogenannter Jubiläumsablass seiner zeitlichen Sündenstrafen gewährt.
„Er war ein guter Papst“
Natürlich hatten die Pilger aus Deutschland ihre Reise nach Rom zum Heiligen Jahr 2025, das unter dem Motto „Pilger der Hoffnung“ steht, schon vor Monaten geplant. Dass sie nun am Tag des Todes von Papst Franziskus, der am Vortag beim Ostergottesdienst immer wieder das Thema der Hoffnung angesprochen hatte, durch die Heilige Pforte des Petersdoms schreiten werden, gibt ihrer Pilgerreise eine besondere Bedeutung. „Er war ein guter Papst“, sagt eine Frau aus der Pilgergruppe. „Aber sein Vorgänger war besser“, fügt ihre Begleiterin hinzu und lächelt verschmitzt: „Schließlich war der aus Bayern.“
Auf dem Petersplatz herrscht eine eigentümliche Stimmung. Es ist der zweite Tag des Osterfests, des höchsten aller Hochfeste für Christen. Es ist die Feier des Sieges des Lebens, des ewigen Lebens über den Tod. Die Feier der Hoffnung über die Verzweiflung. Auch die Feier des Friedens über den Krieg, wie es Papst Franziskus in seiner Predigt am Ostersonntag immer wieder betont hatte.
Immer zu Ostern wird der Petersplatz überreich mit Blumen geschmückt, vor allem mit Tulpen aus den Niederlanden. Es sind knallbunte Blumen der Freude. Nicht weiße Blumen oder Blumen in gesetzten hellen Farben, wie bei Todesfällen üblich. Auch die Menschenmasse, die sich am Ostermontag auf dem Petersplatz einfindet, ist knallbunt: Touristenoutfits, Selfiesticks, Eiscreme. Es ist ein Getümmel und Palaver wie auf einem Rummelplatz.
Anlass zur Einkehr
Und doch bestünde an diesem denkwürdigen Ostermontag 2025 doch Anlass zur Trauer oder wenigstens zur Einkehr. Denn der Oberhirte von 1,4 Milliarden Katholiken in aller Welt ist am Morgen gestorben. Die Aufgabe, der Welt die traurige Nachricht mitzuteilen, war dem Camerlengo, dem Kämmerer des Vatikans, vorbehalten. Das Amt bekleidet seit 2019 der irische Kardinal Kevin Joseph Farrell.
„Liebe Brüder und Schwestern“, wandte sich Farrell, mit hörbarem englischem Akzent, in der italienischen „Amtssprache“ der Weltkirche an die Gläubigen: „In tiefer Trauer muss ich den Tod unseres Heiligen Vaters Franziskus bekannt geben. Heute Morgen um 7.35 Uhr ist der Bischof von Rom in das Haus des Vaters zurückgekehrt. Sein ganzes Leben war dem Dienst am Herrn und seiner Kirche gewidmet. Er lehrte uns, die Werte des Evangeliums mit Treue, Mut und universeller Liebe zu leben, insbesondere zugunsten der Ärmsten und Ausgegrenzten. In tiefer Dankbarkeit für sein Beispiel als wahrer Jünger Jesu empfehlen wir die Seele von Papst Franziskus der unendlichen barmherzigen Liebe des einen und dreieinigen Gottes.“
Der zu diesem Zeitpunkt offenbar schon sterbenskranke Papst hatte noch tags zuvor bei der Ostermesse auf dem Petersplatz den Segen Urbi et Orbi gespendet. Er hatte sich für gut zwanzig Minuten im offenen Papamobil über den Petersplatz fahren lassen, hatte den Gläubigen zugewinkt und Kinder gesegnet. Zuvor war er in seiner Residenz im Gästehaus Santa Marta mit US-Vizepräsident J. D. Vance zu einem kurzen Austausch von Ostergrüßen zusammengekommen. Es war ein doppelter öffentlicher Abschied: als Staatsoberhaupt der Vatikanstadt von einem Mächtigen dieser Welt und vor allem als Oberhirte von der Herde seiner Gläubigen.
Den Segen Urbi et Orbi mit letzter Kraft gesprochen
Wie bei seinen gelegentlichen öffentlichen Auftritten zuvor seit seiner Entlassung aus dem Krankenhaus vom 23. März war Franziskus auch am Ostersonntag kaum in der Lage, einige Worte zu sprechen oder die Arme zu heben. In der Gemelli-Klinik im Nordwesten Roms war der Papst seit dem 14. Februar wegen einer beidseitigen Lungenentzündung behandelt worden.
Nach dem Treffen mit Vance, das nur wenige Minuten dauerte, ließ sich der Papst von seinem Pfleger Massimiliano Strappetti im Rollstuhl auf die Loggia des Petersdoms bringen, wo er vor rund 30.000 Gläubigen den Segen Urbi et Orbi (Der Stadt und dem Weltkreis) spendete und – mit schwacher Stimme und hörbar kurzatmig – den „lieben Brüdern und Schwestern frohe Ostern“ wünschte. Vor fast genau zwanzig Jahren war es der sterbenskranke Papst Johannes Paul II. (1978 bis 2005), der zu Ostern auf dem Petersplatz mit letzter Kraft den Segen Urbi et Orbi zu spenden versucht hatte, dem dabei aber die Stimme versagt hatte. Beide starben am Kirchenfest des ewigen Lebens.
Die nach Angaben des Vatikans noch vom Papst selbst verfasste Osterpredigt trug der päpstliche Zeremonienmeister, Erzbischof Diego Giovanni Ravelli, von der Mittelloggia des Petersdoms vor. „Ostern ist das Fest des Lebens“, hieß es in der Homilie des Papstes, der vor allem den „Todeswillen“ in verschiedenen Teilen der Welt und die Gewalt kritisierte, unter welcher vor allem Frauen und Migranten litten.
Wer am Ostermontag in Rom einen Platz suchte, der diesem sonderbaren Zusammentreffen des irdischen Ablebens eines Papstes und des Glaubens an das ewige Leben angemessen war, der mochte diesen in der Basilika Santa Maria Maggiore finden. Dort – und nicht im Petersdom, wie seine unmittelbaren Vorgänger – soll Franziskus nach dessen Willen bestattet werden. Vom Trubel auf dem Petersplatz ist hier nur wenig zu spüren. Auf dem Kreisverkehr vor der Kirche geht es ruhig zu.

Pasquetta, der zweite Osterfeiertag, ist in Italien ein informeller Feiertag, man besucht die Familie, verabredet sich zum Picknick mit Freunden. Einige Pilger, mit gelben Kappen und gelben Fähnchen, durchschreiten die Heilige Pforte und murmeln ein Gebet. Es ist kühl und ruhig in der mächtigen Marienbasilika. Vor und nach jeder Auslandsreise betete Franziskus hier, am spätantiken Marienbildnis „Salus Populi Romani“ (Beschützerin des Römischen Volkes). Zuletzt, als er am 23. März aus der Gemelli-Klinik entlassen wurde und seinen Fahrer auf dem Heimweg zum Vatikan einen Umweg zu seiner Lieblingskirche machen ließ. Papst Franziskus hat zu diesem Zeitpunkt wohl schon gewusst, dass sein Heimweg schon bald zur Basilika Maria Maggiore führen würde und die Fahrt zum Vatikan in Wahrheit der Umweg war.