Nach Tod von Papst Franziskus: Der Vatikan braucht Geld

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In seiner im Januar erschienenen Autobiografie beschrieb Papst Franziskus einen der dunkelsten Momente seines Pontifikats: Es ging nicht um die Flüchtlingskrise, eine Hungersnot oder Russlands Überfall auf die Ukraine, sondern um einen Finanzskandal: Der Vatikan hatte vor Jahren in eine Immobilie an der Londoner Sloane Avenue investiert, die gewinnbringend zu Luxuswohnungen umgebaut werden sollte.

Doch die von externen Finanzakrobaten erdachten Pläne erwiesen sich als völlig überzogen und unrealistisch, am Ende musste der Vatikan die Immobilie unter Verlusten von geschätzten 200 Millionen Euro verkaufen. Die Justiz des Kirchenstaates verurteilte etliche Verantwortliche, darunter auch erstmals einen Kardinal, mit einer Gefängnisstrafe, gegen die er Berufung eingelegt hat. Es war „ein wirklich schrecklicher Moment“, berichtete Franziskus, „aber ich hatte immer das Gefühl, dass ich weitermachen musste, ohne etwas zu vertuschen“.

Papst Franziskus, der am Ostermontag verstorben ist, hat sich als Kritiker eines ungebändigten Kapitalismus, der grenzenlosen Globalisierung und der wirtschaftlichen Ungleichheit in der Welt einen Namen gemacht. Gleichzeitig versuchte er, intern als Reformer gegen Misswirtschaft, Korruption, Verschwendung und Dilettantismus zu wirken. Der Papst knüpfte dabei an die Arbeiten seines Vorgängers Benedikt an, ging aber weiter. Nach Einschätzung von Beteiligten und Beobachtern in- und außerhalb des Vatikans hat Franziskus einige Erfolge vorzuweisen, doch aufgrund interner Widerstände blieb vieles auf halbem Wege stecken. Ob sein Nachfolger die Arbeit fortsetzt, es beim Status quo belässt oder sogar dahinter zurückfällt, gilt als offen.

83 Millionen Euro Minus im Jahr 2023

Klar ist, dass der Vatikan Geld braucht. Der Kirchenstaat, zu dem juristisch der Heilige Stuhl und der Staat der Vatikanstadt gehören, lebt über seine Verhältnisse. Im Jahr 2023 überschritten die laufenden Kosten die Einnahmen um rund 83 Millionen Euro. Das Spendenaufkommen ist tendenziell rückläufig, zu den zahlreichen Kirchenaustritten kommt es in den reichen Ländern, zu den Eintritten dagegen in ärmeren Weltregionen.

Um seinen umfangreichen Immobilienbesitz wird der Vatikan oft beneidet, doch vielfach kassiert er keine Marktmieten und kann den Bestand nicht beliebig verkaufen. Zudem sind die Finanzen lange Zeit äußerst ineffizient verwaltet worden, wozu interne Machtkämpfe und Korruption beitrugen.

Erstmals Vier-Augen-Prinzip eingeführt

All das wollte Franziskus nach seinem Amtsantritt im Jahr 2013 abstellen. Er holte sich externe nicht-kirchliche Berater und führte ein Wirtschaftssekretariat ein, eine Art Wirtschafts- und Finanzministerium mit einem Aufsichtsrat, dessen Vorsitzender der deutsche Kardinal Reinhard Marx ist. Die Behörde der Vermögensverwaltung des Heiligen Stuhls, Apsa, die 4000 Immobilien bis nach Paris, London, Genf und Lausanne betreut, erhielt wichtige Kompetenzen zugesprochen. Zudem installierte der Papst einen allgemeinen Rechnungsprüfer mit Einblicksrecht in alle wichtigen Entscheidungen. Erstmals galt auch ein Vier-Augen-Prinzip, nach dem kein bedeutender Beschluss nur in einem Gremium gefällt werden darf.

Doch die Umbauten stießen von Anfang an auf erbitterten Widerstand. Vor allem das mächtige Staatssekretariat, das fast seinen gesamten ökonomischen Einfluss verlieren sollte, wehrte sich. Der zunächst forsch vorgehende Präfekt des Wirtschaftssekretariats, der australische Kardinal George Pell, bekam viele Steine in den Weg gelegt. In seiner Heimat Australien wurde er wegen Kinderschändung verurteilt, er kam ins Gefängnis, wurde dann aber vom höchsten Gericht auf ganzer Linie freigesprochen. Im Vatikan gibt es bis heute Verantwortliche, die „dunkle vatikanische Mächte“ hinter den Vorwürfen gegen den vor zwei Jahren verstorbenen Australier sehen.

Geplante Reformen blockiert

Die internen Spannungen blockierten einen erheblichen Teil der geplanten Reformen. Im Jahr 2019 kam der Skandal der Immobilie an der Londoner Sloane Avenue an die Öffentlichkeit. Er diskreditierte das Staatssekretariat vollständig und besonders den im Zuge der Affäre verurteilten Kardinal Giovanni Angelo Becciu, der immer das Staatssekretariat verteidigt hatte.

Dennoch wollte sich die Behörde nicht mit ihrer Entmachtung abfinden. Die Auseinandersetzungen trugen nach Informationen von Insidern auch dazu bei, dass die Arbeiten des Wirtschaftssekretariats hinter den Erwartungen zurückblieben. Im Hinblick auf Kostenersparnisse und Transparenz etwa hätte mehr erreicht werden können, heißt es.

Konflikt zwischen Vatikanbank und Apsa

Zudem behindert eine andere Rivalität die Zusammenarbeit: Jene zwischen der Vermögensverwaltung Apsa und der Vatikanbank IOR. Letztere steht als Finanzinstitut nicht unter der Überwachung der Kurie und akzeptierte nach früheren Skandalen beherzte Reformen. Denn als Bank ist IOR in den internationalen Zahlungsverkehr einbezogen und konkurriert gegen private Banken um die Verwaltung von Ordensgeldern. Papst Franziskus hat von 2021 an mehrfach verfügt, dass alle finanziellen Vermögenstitel und liquide Mittel bei der Vatikanbank IOR zu deponieren seien.

Doch es passierte wenig, Apsa behielt den Großteil seiner Finanzmittel inklusive Derivaten und Private-Equity-Investitionen. Nur rund 35 Prozent der Finanzanlagen sind bis heute bei IOR zentralisiert. Auch wichtige andere Behörden, wie die Kongregation für „Propaganda Fide“, eine mehr als 400 Jahre alte Institution zur Missionierung, hat ihr eigenes Vermögen von mehreren Hundert Millionen Euro behalten, darunter geschätzte 950 Immobilien in Rom. Die Hoffnung des Papstes auf eine stärkere Zentralisierung, die bessere Überwachung und Effizienz ermöglichen könnte, hat sich nur zum Teil erfüllt.

„Es herrscht weiterhin ein Kampf um Geld“

„Es herrscht weiterhin ein Kampf um Geld und damit um Macht im Vatikan. Das ist die größte Hürde für den künftigen Papst“, sagt ein interner Kenner der Finanzangelegenheiten, der nicht genannt werden will. Auch gegenüber der Justiz des Vatikans herrscht teilweise Misstrauen. Die Staatsanwaltschaft des Kirchenstaates könnte etwa beherzter vorgehen, wenn es darum geht, Gelder aus misslungenen Finanzgeschäften zurückzuerhalten, heißt es.

Der Vatikan ist immer wieder unlauteren externen Geschäftsleuten aufgesessen und kämpft vor verschiedenen Gerichten um Entschädigung. Das gilt nicht nur für die Fehlinvestition in London, sondern auch für die umstrittene Beteiligung am Kauf des ehemaligen Börsengebäudes von Budapest. Auch hier verlor der Vatikan Millionen, zumal das Gebäude Ende vergangenen Jahres gegen den Willen der Kirche an den Schwiegersohn von Viktor Orbán verkauft wurde, wie die F.A.Z. detailliert berichtete.

Bei den misslungenen Immobiliengeschäften waren auf Seiten des Vatikans oft Naivität sowie Unwissen in Finanzangelegenheiten im Spiel. In einer Mischung mit Arroganz ergab sich ein explosives Gemisch. Darüber hinaus stießen fragwürdige Fondsmanager aus der externen Finanzwelt bei einigen hochrangigen Vatikan-Mitarbeitern aber auch auf eine Kooperationsbereitschaft, die sie zu Mittätern machte. Die Rollen sind auf beiden Seiten nicht immer endgültig geklärt. Nur wenige haben Hoffnung, dass das Dunkel jemals vollständig aufgeklärt wird.

Gehaltskürzungen und unbezahlte Überstunden

Unterdessen beschweren sich viele der rund 5000 Mitarbeiter der Vatikan-Verwaltung, dass sie die Verluste aus den zweifelhaften Immobiliengeschäften ausbaden müssen. Über Gehaltskürzungen und unbezahlte Überstunden klagen die Beschäftigten. Auch die Renten gelten als nicht mehr sicher, zumal der Vatikan wie andere Länder unter Überalterung leidet.

Im vergangenen Jahr drohten fast 50 Mitarbeiter der Vatikanischen Museen mit einer Sammelklage – ein Novum in der Geschichte des Kirchenstaates. Franziskus wollte mit den Kürzungen zwar auf allen Hierarchieebenen ansetzen und verlangte von hochgestellten Geistlichen, dass sie für ihre oft geräumigen und gut gelegenen Wohnungen in Rom ortsübliche Mieten bezahlen. Doch vielfach blieb es wohl nur bei einer symbolischen Befolgung der Anweisung. Der eine oder andere Anruf eines Kardinals beim Pontifex soll die Forderung des Heiligen Vaters abgemildert haben.

Intern die Finanzen in Ordnung zu bringen, wird also eine Hauptaufgabe des neuen Papstes sein. Die andere wird sein, in weltwirtschaftlich schwierigen Zeiten für Orientierung zu sorgen. Franziskus war kein grundsätzlicher Gegner der Marktwirtschaft, als der er teilweise beschrieben wurde, doch war er ein klarer Befürworter des Teilens. „Jeder neu geschaffene Arbeitsplatz ist ein Stück dynamisch geteilter Wohlstand“, sagte er in der Jahresversammlung der italienischen Arbeitgeber, die er im Herbst 2022 zu sich in den Vatikan eingeladen hatte. Zu spenden und korrekt Steuern sowie Abgaben zu zahlen, seien Pflichten der Arbeitgeber, wobei das Steuersystem und die Verwaltung gerecht, effizient und nicht korrupt sein müssten – eine Bemerkung des Papstes, die ein Stück weit auch nach innen gerichtet war und als Auftrag für seinen Nachfolger gelten kann.