Dienstag im Kölner Dom: Dutzende Besucher schreiten durch die Kathedrale, machen Fotos, zünden Kerzen an, sind mehr oder weniger ergriffen von der schieren Größe, je nachdem, wie oft sie schon hier waren. Kurz muss man vor dem Eintritt in die Kathedrale warten, aber die Menschenmasse ist überschaubar. Ein ganz normaler Tag? Nicht ganz.
„Was machen die da?“, fragt ein Jugendlicher, als er am Altar vor der Schmuckmadonna im linken Querhaus der Kathedrale vorbeigeht, wo meistens nicht besonders viel los ist. Hunderte Kerzen sind dort angezündet, eine Schlange aus vielleicht zwanzig Menschen steht vor einem schlicht gerahmten, schwarz-weißen Bild von Papst Franziskus, davor ein paar weiße Lilien, manche aufgegangen, manche noch nicht, eine große weiße Kerze und ein Stapel mit Kondolenzschreiben. Die Gläubigen nehmen Abschied.
Fragt man sie, was ihnen Papst Franziskus bedeutet hat, ähneln sich die Antworten. Menschlich sei er gewesen, schlicht, mit Prunk habe er nichts anfangen können. Gerechtigkeit und Frieden, auch diese Stichworte werden häufig genannt. Viele ältere Frauen reihen sich an diesem Nachmittag in die Schlange ein, um das Pontifikat von Jorge Mario Bergoglio zu würdigen, ein paar Männer und einige junge Familien sind auch gekommen.
„Dieser Papst hat mich berührt“
Eigentlich sei sie nur noch auf dem Papier katholisch, erzählt zum Beispiel Barbara Eder, eine Besucherin mit weißem Haar. „Aber dieser Papst, der hat mich berührt.“ Einmal sei sie ihm in Rom begegnet. Kurz muss sie ihre Erzählung unterbrechen und sich sammeln, es ist für sie eine emotionale Angelegenheit. „Er hat sich um die Menschen gekümmert.“ Wenn sie so darüber nachdenke, ja, vielleicht wäre sie ohne Papst Franziskus schon aus der Kirche ausgetreten.
Sie schaut andächtig das Marienbildnis an, dann das Bild von Franziskus, entzündet eine Kerze und schreibt ihren Namen mit ruhiger Hand auf das ausliegende Papier. Beileid wird im Kölner Dom immer an dieser Stelle bekundet, vor einer schwarzen Altarwand, vor dem die mit Schmuck überhäufte Marienstatue platziert ist. Wie passend, bemerkt ein Priester, dass hier kondoliert wird, lasse sich Franziskus doch allzu bescheiden in der Basilika Santa Maria Maggiore beisetzen und nicht, wie viele seiner Vorgänger, unter dem Petersdom.
Ein Ehepaar aus Ulm ist nach Köln gereist, um hier würdig zu kondolieren. Die Frau erzählt, sie habe ihren Glauben dank Franziskus wiedergefunden. Viele werden emotional, wenn sie über den Papst sprechen. Als Reformer ist Franziskus den Besuchern hier weniger in Erinnerung geblieben denn als nahbarer, menschlicher Vertreter Gottes auf Erden. „Ich verehre ihn schon“, sagt Brigitte Stankiewicz-Schetzka. Die Protestantin berichtet, sie schaue an Ostersonntag immer die Predigt des Papstes mit ihrer Familie. Diesmal sei sie ganz gebannt gewesen von dem, was Franziskus hat verlesen lassen. Ihr habe gefallen, wie politisch seine letzten Worte waren. „Ratzinger war ein Papst des Verstandes, Franziskus einer des Herzens.“
Ganz eindeutig aber fällt das Urteil der Gläubigen in Köln nicht aus. Dass Franziskus den von Kardinal Woelki angebotenen Rücktritt nie angenommen hat, obwohl diesem vorgeworfen wird, sexuellen Missbrauch gedeckt zu haben, ist einer Besucherin noch gut in Erinnerung. Auch sie ist gekommen, um sich zu verabschieden, ihr persönliches Verhältnis zu Franziskus aber sei gespalten. Zu inkonsequent sei er gewesen, wenn es um den Kampf gegen sexuellen Missbrauch von Kindern in der Kirche ging. „Er hat nicht gehalten, was man sich von ihm versprochen hat.“ Etwas Kritisches wollte sie im Kondolenzbuch nicht hinterlassen, das halte sie für unangemessen. „Es wäre aber auch geheuchelt, zu kondolieren.“ Und so belässt sie es bei ein paar Fotos, die sie von der Szenerie macht.