Der frühere SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert begründet seinen überraschenden Rückzug aus der Politik mit körperlichen Angriffen und Bedrohungen gegen sich, etwa von Neonazis und Corona-Leugnern. „Meine rote Linie ist da, wo Gewalt in der Luft liegt. Ich bin nur 1,70 Meter groß”, sagte Kühnert der Wochenzeitung „Die Zeit“.
Selbst im Urlaub habe er sich nicht mehr sicher gefühlt und seine Ferien deshalb immer öfter in einsamen Gegenden im Gebirge verbracht. „Irgendwann ist mir klar geworden: Wenn ich in Ruhe gelassen werden will, muss ich dahin, wo gar keine Menschen sind“, sagte der 35 Jahre alte Politiker. Er habe den Glauben daran verloren, gegen den Hass ankämpfen zu können, der vor allem auf Social Media verbreitet werde. „Vielleicht ist das der Punkt, wo es pathologisch geworden ist. Am Ende war da ein Gefühl von absoluter Vergeblichkeit“, sagte Kühnert.
„Ich bin nicht aus der Politik ausgestiegen, weil ich Angst vor ein paar Neonazis habe. Sondern weil ich zunehmend Zweifel habe, was das Thema Wehrhaftigkeit betrifft“, gab Kühnert gegenüber der „Zeit“ an. In bedrohlichen Situationen, etwa, als Männer in einer Straßenbahn darüber sprachen, wie sie ihn verprügeln wollten, habe ihm keiner zur Seite gestanden.
„Zeit, um gesund zu werden“
Kühnert hatte im Herbst 2024 überraschend seinen Rücktritt als SPD-Generalsekretär und seinen Rückzug aus der Politik verkündet und dafür gesundheitliche Grüne angeführt. „Die Energie, die für mein Amt und einen Wahlkampf nötig ist, brauche ich auf absehbare Zeit, um wieder gesund zu werden“, schrieb er damals. Die SPD teilte lediglich mit, dass es sich nicht um ein körperliches Leiden handele. Mitte Februar verabschiedete er sich mit einer Rede im Bundestag.
Der „Zeit“ verriet er, dass er seit einigen Jahren mit einem FDP-Mann liiert sei. Dank seiner Beziehung habe er noch einmal neu begriffen, wie wichtig der Respekt vor politisch Andersdenkenden sei: „Es braucht das ständige Bewusstsein, dass der politische Gegner auch recht haben könnte.“
Kühnert schließt nicht aus, noch einmal in die Politik zurückzukehren: „Ich bin nicht ausgestiegen, weil ich das alles lächerlich oder überflüssig fände“, sagte er.