Petro Poroschenko zum Krieg in der Ukraine: Müssen um Amerikaner kämpfen

6

Herr Poroschenko, der amerikanische Außenminister hat jüngst mit seiner Absage das Treffen in London unterminiert. J.D. Vance und Trump verlangen von Kiew immer ungeduldiger, endlich einen „Deal“ mit Putin zu machen, sonst werde man sich um andere Dinge kümmern. Erleben wir gerade, wie die amerikanische Regierung sich endgültig von der Ukraine abwendet?

Glauben Sie mir, ich bin wirklich unglücklich darüber. Die Amerikaner haben leider kein Vertrauen in unsere Regierung. Das ist auch eine Folge des fatalen Treffens im Oval Office im Februar – es wurde dabei sehr viel Vertrauen zerstört. Wir müssen nun Politiker finden, die in der Lage sind, einen Kompromiss mit den Amerikanern zu finden! Diese müssen nicht aus Selenskyjs Team kommen.

Ich habe 2018 die Krim-Erklärung von der Trump-Administration bekommen, Mike Pompeo hat sie damals unterschrieben. Die hat Selenskyj nun als Reaktion auf die amerikanischen Forderungen hervorgeholt. Es ist gut, dass er daran erinnert. Das Problem ist aber: Ich halte es für unwahrscheinlich, dass die gegenwärtige Regierung in der Lage wäre, wieder eine derartige Zusicherung der Amerikaner zu erreichen. Andrij Jermak (Selenskyjs Präsidialamtschef, Anm. d. Red.) wird von den Amerikanern als „toxische“ Person gesehen. Wie soll er mit ihnen einen diplomatischen Kompromiss finden?

Aber die Amerikaner scheinen in Paris Forderungen vorgelegt zu haben, die vor allem russischen Vorstellungen entsprechen?

Ein echtes Dokument kennen weder Sie noch ich. Ich kenne nur irgendwelche durchgestochenen Informationen an Medien wie „Washington Post“ oder „Reuters“. Ich kann auf dieser Grundlage keine Bewertung vornehmen. Ob sie alles korrekt wiedergeben, wissen wir nicht. Ich habe den Präsidenten und unseren Außenminister aufgefordert, dem Parlament Rede und Antwort zu stehen.

Meine Bedingungen für einen gerechten Frieden sind doch klar: Erstens, keine Kompromisse bei unserer Souveränität. Zweitens, keine Kompromisse bei unserer territorialen Integrität. Drittens, keine Kompromisse im Hinblick auf unsere Armee. Viertens, keine Kompromisse bei den Russland-Sanktionen. Fünftens, keine Kompromisse bei der NATO-Mitgliedschaft der Ukraine. Und sechstens, keine Kompromisse bei unserer Demokratie.

Aber die Forderungen, die wir aktuell von den Amerikanern hören, widersprechen nahezu allen Ihrer Punkte…

Alles, was bislang zählt, steht in der Krim-Erklärung. In der Diplomatie heißt es: Nichts ist abgemacht, bevor alles abgemacht ist. Die öffentlichen Äußerungen der Amerikaner sollte man als Teil von Verhandlungen sehen.

Die Krim-Erklärung aus dem Jahr 2018: In Poroschenkos Büro in Kiew hängt sie eingerahmt
Die Krim-Erklärung aus dem Jahr 2018: In Poroschenkos Büro in Kiew hängt sie eingerahmtDaniel Pilar

Sie haben immer gefordert, Selenskyj solle auf alle amerikanischen Vorstöße eingehen, damit Trump auf Seiten der Ukraine bleibt. Hat Selenskyj in den vergangenen Wochen nicht genau das gemacht und war es offenbar nicht genug?

Wir sollten keinen Druck auf Selenskyj ausüben, alles zu unterschreiben was Witkoff ihm vorlegt. Die Regeln bleiben: Nichts über die Ukraine – ohne die Ukraine. Nichts über Europa – ohne Europa. Wir müssen uns abstimmen und mit einer gemeinsam abgestimmten Position zu Putin kommen.

Wenn wir uns einmal ein Worst-Case-Szenario ausmalen: Sind Sie optimistisch, dass die Europäer sowohl willens als auch in der Lage sind, die amerikanische Unterstützung zu ersetzen?

Eine totale Abkehr der Amerikaner wird es nicht geben! Denn das wäre die Demonstration von Schwäche der Vereinigten Staaten vor der Weltöffentlichkeit. Sie drohen mit ihrer Abkehr – sie nutzen das als Argument innerhalb von Verhandlungen. Aber die USA haben nie Schwäche bei Verhandlungen mit Putin gezeigt.

Putin braucht nicht die Krim oder den Donbass. Er braucht die ganze Ukraine. Und eine Krise innerhalb der westlichen, demokratischen Welt. Die Vereinigten Staaten können nicht einfach „neutral“ sein: Sie sind entweder auf der Seite der Freiheit, der Ukraine, Europas – oder auf der Seite der Russen. Und letzteres wäre fatal. Deshalb müssen wir weiterhin um die Amerikaner kämpfen. Ohne sie sind wir sehr viel schwächer, daran besteht kein Zweifel. Es wäre ein Desaster. Aber selbst ohne sie werden wir diesen Krieg nicht verlieren.

Ich möchte Europa und Deutschland für die bisherige Unterstützung danken. Deutschland kann glücklich sein, in dieser Phase einen Anführer wie Friedrich Merz zu haben. Das ist eine großartige Chance. Europa muss jetzt die Verteidigungsindustrie ausbauen! Die Anforderungen sind nach mehr als drei Jahren Drohnenkrieg aber andere geworden. Es braucht nicht einfach weitere Panzer und Schützenpanzer. Wir brauchen vor allem Luftverteidigung, Systeme der Elektronischen Kampfführung, Raketen und Drohnen. Sehr wichtig ist, dass die europäischen Sanktionen nicht gelockert werden.