Russland hat in der Nacht zum Freitag seine Attacken auf die Ukraine fortgesetzt. In der Bergarbeiterstadt Pawlohrad, die östlich der Großstadt Dnipro und etwa 90 Kilometer von der Front entfernt liegt, wurden bei Drohnenangriffen auf ein Wohngebiet drei Menschen getötet, darunter ein Kind, und mindestens zehn weitere verletzt, sagte Gouverneur Serhij Lysak. Bilder zeigten zum Teil zerstörte und brennende Wohnblöcke sowie Rettungskräfte, die in den Trümmern nach verschütteten Menschen suchten. Das amerikanische Institute for the Study of War (ISW) analysierte, dass Russland die Ukraine seit Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump häufiger und mit tödlicherer Konsequenz bombardiert als zuvor.
Dem ISW zufolge haben die russischen Streitkräfte in den vergangenen Wochen Taktik und Waffen für ihre Langstreckenangriffe angepasst, um größtmöglichen Schaden in ukrainischen Städten selbst dann anzurichten, wenn es der ukrainischen Flugabwehr gelingt, Drohnen und Raketen abzufangen. Davon seien vor allem Zivilisten stark betroffen, schreiben die Analysten. Trump, der vor dem Angriff auf Kiew mit fast 70 Raketen und Marschflugkörpern sowie 145 Drohnen abermals den ukrainischen Präsident Wolodymyr Selenskyj bezichtigt hatte, einem Frieden mit Russland im Wege zu stehen, warf Russlands Präsident Wladimir Putin nach den Angriffen lediglich „sehr schlechtes Timing“ vor.
Nordkoreanische Rakete eingesetzt?
Zurzeit prüfen ukrainische Geheimdienste, ob Russland bei dem Großangriff auch eine ballistische Rakete aus nordkoreanischer Produktion eingesetzt hat. „Sollte sich diese Informationen bestätigen, wäre dies ein weiterer Beweis für die Kriminalität des Bündnisses zwischen Russland und Pjöngjang“, schrieb Selenskyj auf Telegram. „Sie bringen Menschen um und machen sich gemeinsam darüber lustig.“ Russland greife permanent auf nordkoreanische Waffen zurück und Pjöngjang nutze die Möglichkeit, seine Waffen in einem realen Krieg zu testen und noch tödlicher zu machen. Selenskyj forderte abermals, mehr internationalen Druck insbesondere durch verschärfte Sanktionen auf Russland auszuüben, um das Sterben zu beenden. „Selbst inmitten internationaler diplomatischer Bemühungen, diesen Krieg zu beenden, tötet Russland weiter Zivilisten.“ Das zeige, dass Putin keinen Druck spüre.
Trump allerdings findet, dass er Russland erheblich unter Druck gesetzt habe. Auf die Frage, welche Zugeständnisse denn Russland in dem von den USA vorgelegten Vorschlag machen müsse, antwortete er: „Den Krieg zu beenden und nicht das ganze Land einzunehmen.“ Das sei „ein ziemlich großes Zugeständnis“. Allerdings versucht Russland seit mehr als drei Jahren vergeblich, die ganze Ukraine einzunehmen. Selenskyj wiederum konterte Trumps Vorwurf, nicht kompromissbereit zu sein. Es sei Russland, das die Ukraine überfallen und zehntausende Menschen getötet habe. „Und die Tatsache, dass die Ukraine bereit ist, sich nach einem vollständigen Waffenstillstand mit den Terroristen, die das alles verbrochen haben, an den Verhandlungstisch zu setzen, ist ein großer Kompromiss.“
Das ISW wiederum erkennt in jüngste Aussagen russischer Vertreter keinerlei Abkehr von den ursprünglichen Kriegszielen des Landes. So hatte Kremlsprecher Dmitrij Peskow in einem Interview mit dem französischen Magazin „Le Point“ erklärt, dass sich die militärischen Ziele seines Landes seit Beginn der Invasion der Ukraine nicht geändert hätten. Man werde diese Ziele „friedlich oder militärisch“ erreichen. Als wesentliche Gründe nannte er demnach die Übergabe der fünf besetzten ukrainischen Gebiete an Russland, einen „Regimewechsel“ in Kiew, die Entmilitarisierung der Ukraine und die Verhinderung eines NATO-Beitritts des Landes.
Moskau hält an Kriegszielen fest
Auch der Sekretär des russischen Sicherheitsrates und frühere Verteidigungsminister Sergej Schojgu sagte in einem Interview mit der russischen Agentur TASS, dass „die Grundursachen des Krieges“ beseitigt werden müssten, bevor Russland zum Frieden bereit sei. Dazu zähle auch die angebliche Diskriminierung von Russen nicht nur in der Ukraine, sondern auch in anderen Ländern. Beide Kremlvertreter knüpften Russlands Zustimmung zu Trumps Waffenstillstandsvorschlag an Bedingungen, die Ukraine zu schwächen, „wahrscheinlich um eine künftige russische Aggression vorzubereiten“, schreibt das ISW. Die Analysten sehen zugleich zunehmende Drohungen Russlands gegen weitere Länder. So bezeichnete Russlands Außenminister Sergej Lawrow es Mitte April als „gefährlich“, wenn „Faschisten sich Ländern aneignen, die nie jemandem gehörten außer dem Russischen Reich und der Sowjetunion“. Der russische Präsidentenberater Nikolaj Patruschew hatte dem ISW zufolge kürzlich Finnland mit ähnlichen Behauptungen gedroht, wie sie Moskau für den Überfall auf die Ukraine verwendet hatte.
Unterdessen ist am Freitag zum vierten Mal binnen kurzer Zeit der amerikanische Sondergesandte für den Nahen Osten, Steve Witkoff, zu Gesprächen in Moskau eingetroffen. Trumps einstiger Immobilienkumpel, der keinerlei politische Erfahrung besitzt, hatte wiederholt versucht, eine Einigung mit Putin zu erzielen, um Trumps Wahlversprechen einzulösen, den Krieg in der Ukraine zu beenden. Dabei war Witkoff Putin bisher stets weit entgegengekommen. Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko, politisch ein Gegner Selenskyjs, sagte in einem am Freitag veröffentlichen Interview mit der BBC, dass die Ukraine „niemals eine Besetzung“ durch Russland akzeptieren werde. Allerdings könne das Land gezwungen sein, vorübergehend Gebiete abzutreten. „Das ist nicht fair. Aber für einen Frieden, einen vorübergehenden Frieden, kann es vielleicht eine Lösung sein“, sagte Klitschko, der selbiges bisher abgelehnt hatte.
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