interview
Bis zu 300 Millionen Menschen stecken sich jährlich weltweit mit Malaria an – etwa 650.000 sterben – die meisten von ihnen Kinder. Dabei gibt es Behandlungsmöglichkeiten, sagt der Tübinger Infektiologe Peter Kremsner.
tagesschau.de: Herr Kremsner. Warum ist Malaria so gefährlich?
Peter Kremsner: Die Malaria, verursacht durch den Parasiten Plasmodium falciparum ist eine sehr gefährliche Infektionskrankheit. Bei nicht Immunen – und das sind die allermeisten Menschen, die das zum ersten Mal kriegen, also weltweit sehr viele Menschen – kann sie tödlich verlaufen. Die Parasiten kommen über einen Mückenstich ins Blut, gehen dann sofort in die Leber und kommen wieder ins Blut. Und dort verursachen sie Krankheitssymptome. Es fängt mit einer milden Verlaufsform an, aber dann kann es zu einer schweren Verlaufsform kommen und sehr rasch tödlich enden.

Peter Gottfried Kremsner
Kremsner ist Direktor des Instituts für Tropenmedizin, Reisemedizin und Humanparasitologie an der Universität Tübingen. Der gebürtige Österreicher ist Autor zahlreicher Studien zu Infektionskrankheiten. Mit seinem Team arbeitet er unter anderem an der Entwicklung von Impfstoffen gegen Malaria.
tagesschau.de: Was passiert im Körper, wenn dieser Parasit den Weg bis dahin geschafft hat?
Kremsner: Es kommt zur Vermehrung der Parasiten in den roten Blutkörperchen. Die zerstören dann die roten Blutkörperchen und befallen verschiedene Organe, wo es dann zu organspezifischen Komplikationen kommen kann. Der ganze Mensch, also Blut, Herz-Kreislaufsystem, Lunge, Niere und Metabolismus (Stoffwechsel), ist angegriffen und wird durcheinander gerüttelt. Und das eben so stark, dass es sehr schnell zum Tod kommen kann – nach Ausbruch einer schweren Malaria innerhalb von wenigen Tagen.
Kinder in Afrika besonders betroffen
tagesschau.de: Wer ist besonders betroffen von dieser Erkrankung?
Kremsner: Es sind vor allem die Nichtimmunen, also jene, die noch nie Malaria hatten. Das heißt, zum Beispiel wir, wenn wir in die Tropen fahren. In Afrika, wo Malaria sehr häufig auftritt, sind es vor allem die kleinen Kinder, die sie zum ersten, zweiten oder dritten Mal bekommen. Diese Kinder sind dann, wenn man sie nicht umgehend behandelt, auch sehr gefährdet und können schnell sterben. Die allermeisten der etwa 650.000 Toten sind afrikanische Kleinkinder.
tagesschau.de: Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es aktuell?
Kremsner: Es gibt sehr gute Behandlungsmöglichkeiten. Es müsste niemand an der Malaria sterben. Wir können die Malaria sehr schnell diagnostizieren und dann auch gut behandeln. Wenn man das sehr rasch macht, ist die Malaria auch kein Problem. Wenn man länger wartet, ist es ein Problem, weil man dann mit der Malaria-Therapie nicht mehr ankommt und die Parasiten nicht mehr rechtzeitig abgetötet werden können. Aber es gibt gute Therapeutika.
Vor allem sind das die Artemisinin-Kombinationstherapien, die allerdings über etwa drei Tage gegeben werden müssen. Das ist ein Problem, und wir sind gerade daran, das zu verbessern, indem wir an einer Einzeldosis-Therapie forschen. Kürzlich haben wir eine Kombination von existierenden Anti-Malaria-Mitteln neu zusammen gestellt. Das funktionierte sehr gut. In einer Studie in Gabun sehen wir, dass auch diese Einzeldosis-Therapie von unterschiedlichen Malariamitteln helfen kann und sehr wirksam ist.
Kriegerische Konflikte verhindern Behandlung
tagesschau.de: Was sind die Hauptprobleme, die es bei der Bekämpfung der Malaria gibt?
Kremsner: Wir arbeiten sehr viel in den Tropen, in Hanoi in Vietnam, aber auch gerade in Zentralafrika, in Brazzaville in der Republik Kongo und vor allem in Lambarene in Gabun, wo wir viele Malariapatienten täglich sehen und auch unsere Studien machen.
Das größte Problem bei der Bekämpfung der Malaria ist es, dass wir, obwohl wir gute Therapien haben, diese Therapien nicht unbedingt und vor allem nicht schnell genug dorthin bekommen, wo sie hingehören, nämlich in die abgelegenen Gebiete. Das Problem wird verschärft durch Unruhen und Kriege. Allen voran zum Beispiel der Konflikt im Kongo, durch den das Land völlig destabilisiert ist. Das ist einer der Hauptherde der Malaria und da kommt die Malaria leider immer häufiger vor.
Arbeit an Impfstoffen
tagesschau.de: Neben der Therapie gibt es ja auch den Weg oder die Forschung an Impfungen. Es gibt bereits Impfungen auf dem Markt. Wie sind die ersten Erfahrungen?
Kremsner: Ja, es gibt den ersten Impfstoff RTS,S und einen kopierten Impfstoff, den R21. Die sind beide jetzt zugelassen, von der Weltgesundheitsorganisation empfohlen und werden auch bereits eingesetzt. In Afrika haben sie eine Wirksamkeit von etwa 60 bis 70 Prozent innerhalb des ersten Jahres. Sie müssen aber aufgefrischt werden. Das Problem ist, dass sie nicht annähernd 100 Prozent wirksam sind, deswegen sind wir auch auf dem Weg, einen besseren Ansatz zu beforschen.
Mit Kollegen aus den USA und aus anderen Ländern sind wir dabei, die Parasiten, lebendig wie sie sind, mit unterschiedlichen Methoden abzuschwächen. Das funktioniert in den ersten klinischen Studien wesentlich besser als die anderen Impfungen, die jetzt schon auf dem Markt sind. Ähnlich wie bei der Masernimpfung, die auch eine abgeschwächte Lebendimpfung ist, könnte eine abgeschwächte Lebendimpfung bei Malaria wesentlich besser sein.
tagesschau.de: Wie weit ist dieser Ansatz?
Kremsner: Das ist eine Forschung, die sehr weit gediehen ist. Wir sind in der sogenannten Phase zwei der klinischen Prüfung. Es fehlt noch die Phase drei, eine Zulassungsstudie. Aber das ist etwas, was in den nächsten zwei Jahren funktionieren könnte und dann zur Zulassung gebracht werden kann. Bei der Malaria-Therapie könnte es noch schneller gehen. Da handelt es sich um bekannte Malariamittel, die wir neu kombiniert haben. Diese Einzeldosis-Therapie könnte schon – nach unseren ersten Ergebnissen – in diesem oder im nächsten Jahr in Afrika breit eingesetzt werden.
“Schon die Infektion verhindern”
tagesschau.de: Was würden Sie sichwünschen, um Malaria in den Griff zu bekommen?
Kremsner: Frieden auf Erden. Ich glaube, dann hätten wir die Möglichkeit, nicht nur die Malaria, sondern auch viele andere Infektionskrankheiten sehr gut zu bekämpfen und wahrscheinlich sogar auszurotten. Wenn wir ein friedliches Miteinander hätten und ein globales Zusammenhalten, dann wäre Malaria kein Problem.
tagesschau.de: Und was bräuchten Sie aus Forschungssicht?
Kremsner: Das Wesentliche, was uns im Werkzeugkasten für die Bekämpfung noch fehlt oder vielleicht sogar für die Ausrottung der Malaria, wäre eine 100 Prozent wirksame Impfung, die auch schon die Infektion mit dem Erreger verhindert, nicht nur die Erkrankung. Dann hätten wir ein Werkzeug, das gemeinsam mit der Therapie eine Ausrottung ermöglicht.
tagesschau.de: Und daran arbeiten Sie gerade?
Kremsner: Ja, genau, das versuchen wir hinzukriegen.
Das Interview führte Anja Martini, tagesschau.de. Es wurde für die schriftliche Fassung angepasst und gekürzt.