Im Heiligen Jahr 2025 war Rom schon lange vor dem Tod von Papst Franziskus in die vatikanischen Farben Gelb und Weiß getaucht. Die großflächige „Beflaggung“ der Ewigen Stadt in den Kirchenfarben hatte schon im Vorjahr begonnen. An die Absperrgitter vor den vielen Baustellen zur Erneuerung oder Restaurierung von Brücken, Straßen und Ausgrabungsstätten für das Jubeljahr hat man große gelb-weiße Transparente geheftet, die zugleich als Sichtblende dienen.
Die Aufschriften auf den Bannern geben Auskunft über Zweck, Ziel und Zeitplan der jeweiligen Bautätigkeit. Die Kosten für die mehr als 300 Projekte belaufen sich auf rund eine halbe Milliarde Euro, das meiste Geld kommt aus Brüssel. Weil die Arbeiten an Infrastruktur und Kulturerbe mit Blick auf ein Heiliges Jahr ausgeführt werden, das die katholische Kirche nur alle 25 Jahre begeht, sind die Transparente eben in den Farben der Weltkirche gehalten. Und auf allen steht in großen Lettern: Roma Caput Mundi – Rom, Haupt der Welt.
Am Tag der Beerdigung von Papst Franziskus ist die Ewige Stadt wieder die Hauptstadt der Welt, fast wie zu Zeiten der Römer. Staats- und Regierungschefs aus rund 170 Ländern haben sich zum Requiem auf dem Petersplatz an diesem Samstag angekündigt, unter ihnen manches Königspaar aus dem alten Europa. An oberster Stelle der Liste der Mächtigen steht aber Präsident Donald Trump, der Herrscher aus der Neuen Welt. Begleitet wird Trump von First Lady Melania, die katholisch ist. Der Präsident selbst ist das nicht. Als Kind und Jugendlicher wurde er in der (protestantischen) Presbyterianischen Kirche religiös sozialisiert, heute bezeichnet er sich als konfessionsungebundenen Christen.
Aber Trump weiß, dass er auch den Katholiken in den Vereinigten Staaten seine triumphale Rückkehr ins Weiße Haus zu verdanken hat. Die rund 77 Millionen Katholiken sind die größte Religionsgemeinschaft des Landes, fast jeder vierte Amerikaner ist katholisch. Die Protestanten stellen zwar insgesamt die Mehrheit, sind aber in viele verschiedene Denominationen untergliedert.
Bei den Präsidentenwahlen im November waren auf Trump rund 54 Prozent der Stimmen katholischer Wähler entfallen, auf seine demokratische Herausforderin Kamala Harris nur 44 Prozent. Unter den weißen Katholiken gaben sogar sechs von zehn Wahlberechtigten Trump ihre Stimme, obschon diese Wählergruppe jahrzehntelang zu den treuesten Wählern der Demokraten gehört hatte. Nur bei den Latinos konnte Harris eine klare Mehrheit der katholischen Stimmen erringen.
Der Besuch von Vance gab einen Vorgeschmack
Trump glaubte offenbar, er sei es seinen katholischen Wählern schuldig, zur Beerdigung des Oberhauptes von 1,4 Milliarden Katholiken in aller Welt nach Rom zu fliegen. Was es bedeutet, wenn die Chefs der Weltmacht USA anreisen, hatten die Römer schon eine Woche zuvor erlebt. Da war Vizepräsident J. D. Vance mit Frau und drei Kindern zum Osterbesuch gekommen, von Karfreitag bis Ostersonntag. Mit der Air Force Two kamen die Second Family, dazu eine umfangreiche Delegation und Dutzende Sicherheitsleute nach Rom. Die Wagenkolonne umfasste gut vierzig Fahrzeuge, an der Spitze der gepanzerte SUV des Vizepräsidenten und seiner Familie, eskortiert von Polizei und Carabinieri.
Weil Vance mit Frau und Kindern am Karsamstag das Kolosseum besichtigen wollte, wurde die wichtigste Sehenswürdigkeit Roms für die Touristen, die derzeit ebenfalls zu Hunderttausenden in der Stadt sind, für Stunden geschlossen. Am Ende kam der Vizepräsident doch nicht, nur Second Lady Usha und die Kinder. Die verprellten Touristen, die ihre Tickets Wochen im Voraus gebucht hatten, riefen „Schande!“ und „Lasst uns hinein!“. Es schien, als erhebe sich vor dem antiken Gemäuer der Plebs gegen einen Cäsaren. Doch die italienischen Sicherheitskräfte und die Leute vom Secret Service behielten die Lage unter Kontrolle.
Dieser Text stammt aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
Und eine Woche später das gleiche Schauspiel, nur noch einmal größer, mit Air Force One und der gepanzerten Präsidentenlimousine, genannt The Beast. Das Stadtviertel Parioli, wo sich die Residenz des amerikanischen Botschafters befindet, in der Trump und die First Lady untergebracht sind, ist seit Tagen abgeriegelt. Auch die Straßen von dort zum Petersplatz sind gesperrt. Überhaupt ist der Alltag in Rom suspendiert.
Die italienische Regierung und die Stadt Rom haben 10.000 Sicherheitskräfte mobilisiert. Auf den Dächern der Gebäude um den Petersplatz sind Scharfschützen postiert. An neuralgischen Stellen wurden tonnenschwere Betonpoller neben die Fahrbahn gestellt. Ungezählte Freiwillige von Zivilschutz und Rotem Kreuz stehen für eventuelle Notfalleinsätze unter den 200.000 Gläubigen beim Requiem auf dem Petersplatz bereit.
Natürlich muss der ganze Aufwand nicht nur für die Amerikaner betrieben werden, aber doch hauptsächlich ihretwegen. Und ist es nicht eine sonderbare Koinzidenz, dass Vizepräsident Vance am Ostersonntag der letzte Politiker war, den der Papst einen Tag vor seinem Tod zu einem kurzen Austausch von Ostergrüßen und Geschenken im Vatikan empfangen hatte? Und dass es dann Präsident Trump war, der am Ostermontag auf seiner Plattform Truth Social als Erster sein Kommen zur Beerdigung ankündigte? Schon rauscht es im Blätterwald von einer Art Zangenangriff Washingtons auf den Vatikan, kurz vor und während der Sedisvakanz.
Warnungen vor Trumps Einfluss machen die Runde
Längst wirft das Konklave zur Wahl eines neuen Papstes Anfang Mai seinen Schatten voraus. Es schwirren Gerüchte und Spekulationen, wen die 134 wahlberechtigten Kardinäle unter achtzig Jahren in der Sixtinischen Kapelle wohl zum neuen Pontifex bestimmen könnten. Alberto Melloni, Professor für Kirchengeschichte an der Universität Modena, warnt in der Zeitung „La Repubblica“ vor dem möglichen Einfluss Trumps auf die Wahl des Nachfolgers von Papst Franziskus und vor der Macht des Internets und der sozialen Medien auf die Kardinäle. Die müssten ihre Laptops und Handys erst unmittelbar vor dem Einzug in die Sixtinische Kapelle abgeben und könnten bis dahin über allerlei elektronische Kanäle manipuliert werden.
J. D. Vance ist erst 2019 vom evangelikalen Protestantismus zum Katholizismus konvertiert. In ostentativer Bescheidenheit bezeichnet er sich als „Baby-Katholiken“, der noch viel über seinen neuen Glauben zu lernen habe. Dennoch hatte sich Vance noch wenige Wochen vor dem Tod von Franziskus mit diesem eine theologische Disputation über den Begriff der christlichen Liebe geliefert. In mehreren Interviews unterstrich Vance, der lateinische Kirchenvater Augustinus von Hippo (354 bis 430) habe eine zentrale Rolle bei seiner Konversion gespielt und ihm die Möglichkeit gegeben, „den christlichen Glauben auf eine stark intellektuelle Weise zu verstehen“. Dabei hob Vance den von Augustinus in dessen Schriften über den Gottesstaat (De civitate Dei) entwickelten Begriff der „ordo amoris“ hervor. Danach habe der Christenmensch, so formulierte es Vance, „zuerst die eigene Familie zu lieben, dann den Nachbarn, dann die Gemeinde, dann das eigene Land“, und erst danach könne man sich „auf die ganze Welt konzentrieren“.
Vance warf der Führung der amerikanischen Bischofskonferenz explizit und dem Vatikan unter Franziskus implizit vor, mit ihrer Migrationspolitik die augustinische Ordnung der Liebe auf den Kopf zu stellen: Indem sie nämlich allen Einwanderern aus aller Welt, auch den illegalen, mindestens so viel oder gar noch mehr Liebeszuwendung zukommen ließen wie der Familie, den Nachbarn, der Gemeinde und dem eigenen Land. Das wollte und konnte Papst Franziskus nicht auf sich sitzen lassen.
In einem Brief an die amerikanische Bischofskonferenz vom 10. Februar wies er das von Vance vorgetragene Konzept der Ordnung der Liebe als theologisch unhaltbar zurück. Die christliche Liebe sei gerade „keine konzentrische Ausweitung von Interessen, die sich nach und nach auf andere Personen und Gruppen ausdehnt“, sondern eine „ausnahmslos alle umfassende Geschwisterlichkeit“, wie es der barmherzige Samariter des Lukasevangeliums gezeigt und gelebt habe.
Franziskus brach den Stab über Trump
Der Disput ist bedeutsam, weil er ein zentrales, vielleicht das zentrale Motiv des zwölfjährigen Pontifikats von Papst Franziskus berührt: den Umgang mit Migranten. Im Dissens darüber lag das schlechte Verhältnis zwischen Franziskus und Trump schon vor dessen erster Amtszeit begründet. Als Trump im Wahlkampf 2016 den Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko ankündigte, um die illegale Migration zu stoppen, bezeichnete Franziskus eine solche Politik als „nicht christlich“. Und angesichts der Massenabschiebungen illegaler Einwanderer nach Trumps Rückkehr ins Weiße Haus brach Franziskus den Stab über dessen zweite Amtszeit: „Was auf der Grundlage von Gewalt und nicht auf der Wahrheit über die gleiche Würde jedes Menschen aufgebaut wird, beginnt schlecht und wird schlecht enden.“
Der Ruf von Franziskus nach offenen Grenzen auf der ganzen Welt, für alle Migranten von überall her, dürfte als das zentrale Vermächtnis des ersten Papstes aus dem sogenannten globalen Süden in Erinnerung bleiben. Sieht man vom scharfen Streit über die Migration ab, standen sich Franziskus und Trump aber keineswegs so fern, wie es scheinen mag. Schon in ihrer oft erratischen, autokratischen und weitgehend beratungsresistenten Art des Regierungshandelns ähneln sie sich. In der Ablehnung der woken Kultur, der Genderideologie, des Rechts auf Abtreibung standen sie auf der gleichen Seite der Barrikade im Weltanschauungskampf des Westens.
Sehr zum Leidwesen zumal der deutschen Gläubigen blieb Franziskus weit hinter den Reformerwartungen der Katholiken im globalen Norden zurück – mit Blick auf die Mitbestimmung von Laien in der Weltkirche, die Modernisierung der katholischen Sexualmoral, die Lockerung des Zölibats und die Öffnung des Weiheamts für Frauen. Zu diesen innerkirchlichen Fragen der Weltkirche nahm und nimmt der konfessionsungebundene Christ Trump keine Position ein, und der Baby-Katholik Vance hält sich bisher zurück. Aber im Ringen um die Rückbesinnung auf die Traditionen des (katholischen) Christentums, im Kulturkampf der neuen Rechten gegen die altlinken Eliten wussten sich Franziskus und Trump einig, auch wenn der restaurative Impuls bei Trump eher ein Ausfluss von politischem Kalkül als von Glaubensfuror sein dürfte.
Viel ist dieser Tage davon die Rede, dass das Konklave die „Handschrift“ des verstorbenen Papstes trage. Tatsächlich hat Franziskus von den 134 wahlberechtigten Kardinälen 108 selbst berufen, 21 hatte noch Benedikt XVI. ernannt und fünf Johannes Paul II. Doch ob die von Franziskus berufenen Kardinäle aus dem globalen Süden, wo die katholische Kirche am schnellsten wächst und das Kirchenvolk konservativ denkt, die Reformen des argentinischen Papstes fortgesetzt sehen wollen oder stattdessen den starken Arm eines konservativen Restaurators wollen, kann niemand voraussagen.
Erstmals in der Geschichte des Konklaves wird es wahlberechtigte Kardinäle aus Singapur, Osttimor und Papua-Neuguinea, aus Malaysia, Myanmar und Südsudan, aus der Mongolei, aus Paraguay, Ruanda und Burkina Faso, aus Laos, Marokko, Haiti und von den Kapverden geben. Aber es werden keine Wahlberechtigten aus traditionellen katholischen Zentren wie Dublin, Paris, Mailand, Venedig und Los Angeles dabei sein.
Wie werden sich die vielen Neulinge aus fernen Ländern, die sich gegenseitig nicht und in der Kurie kaum jemanden kennen, im Konklave in die Fraktionen zwischen Reformern und Konservativen einreihen? Und von wem werden sie sich leiten und beeinflussen lassen? Nur vom Heiligen Geist oder womöglich auch von einem disruptiven Konservativen in Washington und dessen Anhängern unter den amerikanischen Bischöfen im Konklave?