Auch die Obdachlosen nehmen Abschied

7

Seine allerletzte irdische Reise hat Papst Franziskus noch einmal im offenen, eigens für den Anlass umgebauten Papamobil absolviert. Ein einfacher Holzsarg lag auf der Ladefläche eines weiß lackierten Fahrzeugs mit dem Kennzeichen SCV 1. Die Abkürzung steht für die lateinische Bezeichnung „Status Civitatis Vaticanæ“ (Vatikanstadt).

Die Nummer 1 braucht keine Erklärung. Obwohl eigentlich doch. Denn Papst Franziskus wollte während seines gut zwölf Jahre währenden Pontifikats gerade nicht die „Nummer eins“ unter den 1,4 Milliarden Katholiken in aller Welt sein, sondern ein Hirte auf Augenhöhe mit seiner Herde. Bischöfe sollten den „Stallgeruch ihrer Schafe“ verströmen, pflegte Franziskus zu sagen, wenn er wieder einmal den „Klerikalismus“ anprangerte. Darunter verstand er das Verschanzen von Priestern, Bischöfen und Kardinälen hinter den Mauern und Traditionen ihrer Kirchen und Kathedralen, auch und gerade hinter den Mauern und Institutionen des Vatikans, statt Tag um Tag bei den Ärmsten und Geringsten auf Gottes weiter Welt zu sein und diesen zu dienen.

„Er hat die Herzen berührt“

Die kaum sechs Kilometer lange Fahrstrecke vom Petersplatz, wo Kardinaldekan Giovanni Battista Re am Vormittag bei prächtigem Frühlingswetter das Requiem vor rund 250.000 Gläubigen sowie vor Staatsgästen aus gut 160 Ländern zelebriert hatte, zur Basilika Santa Maria Maggiore wurde von Zehntausenden Menschen gesäumt. Dort, in einer kleinen Nische seiner Lieblingskirche, gleich neben der Kapelle mit der von ihm besonders verehrten Marienikone Salus Populi Romani, fand Papst Franziskus gemäß seiner testamentarischen Verfügung seine letzte Ruhestätte. Auf den Stufen zu der Marienbasilika wurde der Sarg des Papstes von gut drei Dutzend Personen mit je einer weißen Rose in der Hand empfangen – Arme und Obdachlose, Häftlinge, Migranten und Transgenderpersonen.

Der Sarg mit dem verstorbenen Papst wird zur letzten Ruhestätte in der Basilika Santa Maria Maggiore gefahren.
Der Sarg mit dem verstorbenen Papst wird zur letzten Ruhestätte in der Basilika Santa Maria Maggiore gefahren.dpa

Den meisten dieser „ultimi“, der Letzten und Geringsten der Gesellschaft, war Papst Franziskus persönlich begegnet, hatte sie draußen an den „Rändern“ besucht oder sie in den Vatikan eingeladen, etwa zum traditionellen Mittagessen mit den Armen in der riesigen Audienzhalle. Die Szene vor Santa Maria Maggiore, wo trotz des gewaltigen Trubels überall in der Ewigen Stadt eine eigentümliche Ruhe lag, war das Gegenbild zur Totenmesse auf dem Petersplatz. Dort waren die Mächtigen in Schwarz, die Kardinäle in der päpstlichen Trauerfarbe Rot dem schlichten Holzsarg vor dem Portal zum Petersdom am nächsten. Die Herde konnte die Zeremonie nur aus der Ferne verfolgen, auch auf den zu Dutzenden auf und um den Petersplatz aufgestellten Großbildschirmen.

„Er hat die Herzen berührt“, sagte der 91 Jahre alte Giovanni Battista Re, der das gut zwei Stunden lange Requiem auf dem Platz vor dem Petersdom würdig und ohne erkennbare Anzeichen von Erschöpfung leitete. Als einen Papst „mit großer menschlicher Wärme und von tiefem Empfinden“ beschrieb Kardinal Re den an Ostermontag verstorbenen Papst. In einer berührenden Predigt resümierte Re das Wirken von Papst Franziskus, namentlich für die Armen und die Schwachen, für den Frieden und gegen den Krieg, gegen Ausbeutung und Ungerechtigkeit. Man konnte das als Appell an den amerikanischen Präsident Donald Trump verstehen, der gemäß diplomatischem Protokoll eigentlich in der dritten Reihe der Staats- und Regierungschefs hätte Platz nehmen sollen, sich aber offenbar kurz vor Beginn des Requiems Sitze in der ersten Reihe ausbedungen hatte.

Bestattung im kleinen Kreis

Wenige Meter von Trump entfernt saß der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Vor Beginn der Totenmesse hatten Trump und Selenskyj einige Worte gewechselt, offenbar unter vier Augen. Hernach sprach der ukrainische Präsident von einem „guten Treffen“, einem „sehr symbolischen Treffen, welches das Potential hat, historisch zu werden, wenn wir gemeinsame Ergebnisse erzielen“. Seine Nachricht auf Telegram schloss Selenskyj mit den Worten: „Ich danke Ihnen, Präsident Donald Trump!“ Die vage Hoffnung ist, dass am Rande des Requiems für den „Friedenspapst“ Franziskus tatsächlich ein Impuls für einen Frieden oder wenigestens für einen Waffenstillstand in der Ukraine ausgeht.

Großer Auftritt: Der amerikanische Präsident Donald Trump und First Lady Melania Trump auf dem Petersplatz
Großer Auftritt: Der amerikanische Präsident Donald Trump und First Lady Melania Trump auf dem PetersplatzEPA

Donald Trump und First Lady Melania jedenfalls hatten sich schon auf den Weg zum Flughafen Fiumicino zum Rückflug nach Washington gemacht, als in Santa Maria Maggiore im kleinen Kreis von engsten Vertrauten aus der Kurie und von Familienangehörigen die eigentliche Bestattung begann. Und Rom unternahm wenig später die ersten Schritte zurück vom Ausnahmezustand, der seit der Aufbahrung des Leichnams von Papst Franziskus im Petersdom am Mittwoch über der Stadt gelegen hatte. Die ersten Straßensperrungen wurden aufgehoben, die zwischen Laternenpfählen und Straßenbäumen gespannten Flatterbänder wieder eingerollt. Rollkoffer wurden wieder ratternd übers Pflaster gezogen.

Die meisten der rund 10.000 Einsatzkräfte, von Polizisten und Carabinieri über Sanitäter und Freiwillige vom Zivilschutz bis zu Scharfschützen auf den Dächern um den Petersplatz und Hundestaffeln am Tiberufer, zogen ab – ins restliche Wochenende nach einer aufreibenden Woche. Über dem fast menschenleeren Petersplatz kreischten am Nachmittag die Möwen, während Stuhlreihen und Absperrgitter angebaut wurden.

Am Tag der Beisetzung eines Papstes beginnt auch das Novendiale, die neuntägige Trauerzeit, wenn jeden Abend im Petersdom eine Trauermesse für den verstorbenen Pontifex gefeiert wird. Und Anfang Mai wird im Konklave dann ein neuer Papst gewählt. Den genauen Zeitpunkt für den Beginn der Papstwahl in der Sixtinischen Kapelle könnten die in Rom versammelten Kardinäle schon am Montag festlegen, wenn sie zu ihrer nächsten Generalkongregation zusammenkommen.