Jetlite verringert den Jetlag mit intelligenter Lichtsteuerung in der Kabine

8

Nach einer Reise in eine neue Zeitzone treten Schlaflosigkeit, Müdigkeit und Konzentrationsschwäche auf. Das Hamburger Unternehmen Jetlite GmbH bietet eine Lösung zur Linderung des Jetlags an. „Man kann die innere Uhr nicht verschieben, man kann aber den Biorhythmus mithilfe von künstlichem Licht unterstützen“, sagt Achim Leder, Geschäftsführer von Jet­lite. Im Jahr 2016 veröffentlichte er eine Forschungsarbeit mit dem Titel „Komfortgewinn für Passagiere auf Langstreckenflügen – Validierung chronobiologisch wirksamer Kabinenbeleuchtung zur Jetlag-Reduktion“.

„Die damalige Koordinatorin der Bundesregierung für Luft- und Raumfahrt, Brigitte Zypries, gab mir den Rat, aus den Forschungsergebnissen ein Unternehmen zu gründen, und vermittelte mir erste Kontakte in die Airlinebranche“, berichtet Leder. 2017 gründete er Jetlite gemeinsam mit Marketingfachmann Felix Priebe, Ernährungswissenschaftlerin Alexandra Bajor, Pilotin Tanja Becker und Topmodel Toni Garrn.

„Im Smartphone gibt es die Night-Shift-Funktion, die abends das blaue Licht herausfiltert“, sagt Leder. „Denn vor allem das blaue Licht hat einen großen Einfluss auf unseren Schlaf und die innere Uhr. Es reduziert das Schlafhormon Melatonin und fördert die Wachheit. Warmes Licht hingegen regt die Melatoninproduktion an und hält nicht so sehr vom Einschlafen ab.“ Von Melatonin in Tablettenform hält er hingegen wenig: „Man verschiebt damit nicht die körpereigene Hormonproduktion, sondern nimmt zusätzliches Melatonin auf, ohne jedoch zu wissen, wie hoch gerade der individuelle Melatoninspiegel ist.“ Tageslicht sei die beste Möglichkeit, den Biorhythmus zu steuern. Wenn das nicht möglich sei, könne ein Beleuchtungskonzept wie das von Jetlite helfen, den Jetlag um bis zu drei Stunden zu redu­zieren.

Mehr Ruhe auf dem Langstreckenflug

Mit der Ludwig-Maximilians-Universität München durchgeführte Tests zeigten, dass sich mit geschickter Steuerung der Kabinenbeleuchtung die Auswirkungen des Jetlags deutlich reduzieren lassen: Der Melatoninspiegel werde durch eher kältere oder wärmere Beleuchtung beeinflusst. Rund 88 Prozent der Passagiere, die Schwierigkeiten gehabt hätten, auf Langstreckenflügen zu schlafen, hätten durch das Jetlite-Beleuchtungskonzept zu mehr Ruhe gefunden.

Gesellschaften der Lufthansa-Gruppe nutzten das Konzept bei der Konfiguration neuer Flugzeuge, ebenso wie Finnair und asiatische Fluglinien. „Auch Porsche und Audi beleuchten innen manche ihrer Fahrzeuge bereits auf Basis unserer Erkenntnisse, um der Ermüdung der Insassen entgegenzuwirken“, sagt Leder.

„Lichtfarbe, Lichtintensität und Lichtdauer sind unsere maßgeblichen Stellgrößen“, berichtet Leder. „Bei Lufthansa halten wir uns eher an die Farben Orange, Blau und Weiß, bei Swiss kann man eher mal mit einem Pink oder Lila arbeiten, weil es gut zu den Holztönen in der Kabine passt.“

Rotes Licht beruhigt, blaues Licht aktiviert

Im tatsächlichen Einsatz wählt die Besatzung in Abhängigkeit von Uhrzeit und Ort ein passendes Szenario aus: „Rotes Licht hilft, besser einzuschlafen und sich während des Fluges zu erholen. Morgens hingegen wird man mit blauem Licht aktiviert und fühlt sich fit“, erklärt Leder. Doch warum nutzt man die Vorteile angepasster Beleuchtung nicht auch im Cockpit für die Piloten? „Auch das haben wir gemeinsam mit der TU Dresden in einem Airbus-Cockpit-Simulator getestet; aber das einhellige Feedback der Testpiloten war, dass zusätzliches Licht zu sehr blendet und die Ablesbarkeit der Instrumente erschwert“, sagt Leder.

Jetlite befindet sich laut Leder im Aufwind, trotz einer kleinen Belegschaft: Nur sechs feste Mitarbeiter, dazu Praktikanten und Werkstudenten arbeiten am Unternehmenssitz. „Im guten sechsstelligen Bereich“ bewegten sich die Umsätze; die Auftragsvolumina liegen je nach Flugzuggröße im fünf- bis sechsstelligen Bereich.

Das kleine Team konkurriert gegen große Unternehmen im Bereich Kabinenausstattung wie Diehl Aerosystems, Collins Aerospace und Airbus, die ebenfalls Beleuchtungskonzepte anbieten. „Der Unterschied zu den großen Firmen ist unsere enge Bindung an die Wissenschaft, denn wir sind in verschiedenen Forschungsprojekten aktiv“, sagt Leder.

Ideen für eine Erweiterung des Portfolios hat man schon: „Wir wollen den kompletten Reiseverlauf des Passagiers im Hinblick auf Beleuchtung abdecken, also in Flughäfen, Lounges und so weiter“, sagt Leder. Zudem ist Jetlite Konsortialführer des Forschungsprojekts „Chronolite“, das sich zum Ziel gesetzt hat, einen Industriestandard für die Beleuchtung im gesamten Mobilitätsbereich, auch auf der Schiene und im Straßenverkehr, zu entwickeln.

Der Artikel stammt aus „Jugend und Wirtschaft“ – ein Schulprojekt der FAZIT-Stiftung mit Unterstützung der Brost-Stiftung.