Katja Wolf hat die nächste Runde im Machtkampf des BSW mit Sahra Wagenknecht für sich entschieden. Auf dem Parteitag des Thüringer BSW wählten die Mitglieder die bisherige Landeschefin mit 61 Stimmen abermals zur Vorsitzenden. Die Kandidatin Wagenknechts, die Landtagsabgeordnete Anke Wirsing, erhielt 35 Stimmen. Die Bundesspitze des BSW um Wagenknecht hatte auf einer Trennung von Parteivorsitz und Regierungsamt gepocht. Wolf ist auch Finanzministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin in Erfurt.
Der Kandidat für den Ko-Vorsitz, Matthias Bickel, der von der Bundesspitze vorgeschlagen worden war, zog nach der Wahl Wolfs seine Kandidatur zurück. Der Weimarer Konzertmeister Gernot Süßmuth blieb als einziger Kandidat für den Ko-Vorsitz übrig. Er hatte in seiner Bewerbungsrede gesagt, er sei als Konzertmeister verantwortlich für hundert Individualisten. Er sei aber „ein politischer Amateur“ und würde den Vorsitz nicht „im Duo machen, mit jemandem, der das auch nicht kann“.
Das Vorgehen Wagenknechts war auch als Rachefeldzug interpretiert worden. Wagenknecht hatte sich im vergangenen Jahr gegen eine Regierungsbeteiligung des BSW an der Brombeer-Koalition in Thüringen mit CDU und SPD ausgesprochen und immer wieder in die Koalitionsverhandlungen eingemischt.
Pragmatischer oder Anti-Establishment-Kurs
Letztlich hatte Wolf durchgesetzt, dass das BSW in die Regierung eintreten müsse. Nach dem knappen Scheitern des BSW an der Fünf-Prozent-Hürde bei der Bundestagswahl hatte Wagenknecht auch die Regierungsbeteiligung in Thüringen als Ursache dafür genannt. Letztlich geht es in dem Streit darum, ob das BSW sich als populistische Anti-Establishment-Partei profiliert oder eine pragmatische Linie verfolgt.
Wolf hatte für sich damit geworben, dass sie „Stärke, Durchsetzungsvermögen und Erfahrung“ mitbringe. Man habe als BSW schon viel erreicht, jede Kommune habe mehr Geld bekommen, es seien Sprachtests für Kinder eingeführt worden und es gebe ein Handy-Verbot in den Schulen. Man tue alles dafür, Vertrauen zurückzugewinnen und sei bereit, „jeden Tag den Arsch dafür aufzureißen, dass es in Thüringen besser wird“.
Wolf nutzte auch die Unzufriedenheit, dass Hunderte Unterstützer bisher nicht in die Partei aufgenommen wurden. Es sei „weder vernünftig noch gerecht“ und auch demütigend, dass viele Unterstützer im Saal sitzen würden, die nicht mit abstimmen können. Bisher werden alle Mitglieder durch den Bundesvorstand in Berlin aufgenommen. Wolf hatte zuvor von einem Unterstützer berichtet, mit dem sie „unzählige Plakate“ im Wahlkampf aufgehängt habe. Er sei nun verstorben. Es sei schrecklich gewesen, von seinen Angehörigen auf der Beerdigung zu hören, dass sein sehnlichster Wunsch, nämlich in das BSW aufgenommen zu werden, nicht erfüllt worden sei.
BSW-Generalsekretär Leye beklagt „Legenden“
Wirsing warb nicht zuletzt mit ihrer Loyalität zu Wagenknecht. „Ohne die politische Geradlinigkeit von Sahra Wagenknecht wären wir weder im Europaparlament noch in den Landtagen“, sagte sie. Das hätten einige anscheinend schon wieder vergessen. Ein neuer Landesvorstand solle Brücken bauen „in intensiver Zusammenarbeit mit dem Bundesvorstand“, der Thüringer Landesverband dürfe nicht zu einer „Insellösung“ innerhalb des BSW werden.
Zuvor hatte BSW-Generalsekretär Christian Leye für die Position Sahra Wagenknechts geworben, nach der Katja Wolf nicht länger Landeschefin sein sollte. Das BSW habe durch die Regierungsbeteiligung in Thüringen Vertrauen verloren. Um es wieder zu gewinnen, sei die Parteispitze in Berlin dafür, Regierung und Partei zu trennen, weil so die Partei widerspenstiger sein könne als die Regierung, die Kompromisse eingehen müsse.
Leye sprach von mehreren „Legenden“. Die eine sei, dass die Regierung in Thüringen durch eine Abwahl von Wolf platzen werde. Dazu werde es nicht kommen, sagte der BSW-Generalsekretär. Es gebe auch keinen Machtkampf zwischen Wagenknecht und Wolf, sondern nur „eine unterschiedliche Einschätzung, wie wir uns strategisch aufstellen“. Leye dankte Wolf „für Dein schlaues Agieren, für Deinen schlauen Kopf“ sowie dem gesamten Landesvorstand, „der heute abgewählt wird“.
Scheidender Ko-Vorsitzender attackiert Wagenknecht
Der bisherige Ko-Landesvorsitzende Steffen Schütz griff den Bundesvorstand um Wagenknecht scharf an. Schütz hatte wegen des Streits mit Wagenknecht seine abermalige Kandidatur zurückgezogen, um Platz für einen Kandidaten der Basis zu machen. Wenn man regiere, dann habe man zwar als Minister wenig Zeit für Privatleben, sagte Schütz, der auch Digital- und Infrastrukturminister in Erfurt ist. „Wenig Privatleben heißt aber nicht, dass man nicht genug Zeit für die Partei hätte.“
Alle, die sich jetzt darüber so viele Sorgen machten, sagte Schütz mit Blick auf Wagenknecht, die wolle er an Oskar Lafontaine erinnern. Lafontaine, der Ehemann von Wagenknecht, habe von den 1970er bis in die 1990er Jahre zeitweise „bis zu vier Positionen gleichzeitig“ bekleidet, und dazu noch zwei Kinder bekommen. „Das nötigt mir Respekt ab“, so Schütz. Er verteidigte den Kurs des Thüringer BSW. Gemeinsam mit Katja Wolf habe er einen Koalitionsvertrag ausgehandelt, der „unverkennbar die Handschrift“ der Partei trage. Thüringen habe „dank Katja“ schon einen Haushalt verabschieden können, „anders als in Sachsen und Brandenburg“.
Den Vorwurf Wagenknechts, das BSW habe wegen der Regierungsbeteiligung in Thüringen die Bundestagswahl verloren, nannte Schütz eine „Ohrfeige für die Mitglieder“, er sei „unfair und falsch“. Wenn der Bundesvorstand beschließe, was gut und richtig sei, und die Landesverbände einfach zu folgen hätten, dann wirke das abschreckend auf die Mitglieder und Unterstützer. „Lasst Menschlichkeit unsere Ideologie sein, lasst uns nicht zu einer Linken 2.0 werden“, rief Schütz am Ende seiner Rede. Er erhielt großen Beifall.
Mehr als ein Dutzend Mitglieder hielten im Stehen Plakate hoch auf denen „Thüringen ist ein FREIstaat“ stand. Das Mitglied Janine Bauersachs, die Wagenknechts Linie unterstützt, warf Schütz hingegen vor, den Parteitag mit seiner Rede gespalten zu haben. Die Mitglieder votierten dann mit großer Mehrheit für die Empfehlung, dass Schütz sich um einen Platz im Bundesvorstand des BSW bewerben solle. Ein Antrag auf die Trennung von Amt und Mandat fand keine Mehrheit.