Hauptsache, Digitalien

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Sonntag, an einer Kreuzung in einem Vorort von Frankfurt. Zwei Jungs, vielleicht 8 und 10 Jahre alt, halten mit ihren Fahrrädern vorschriftsmäßig an der roten Fußgängerampel. Ebenso rot hat ein himmelblauer Porsche 718 Boxster, das Dach geöffnet, die Sonne strahlt. Er bekommt grün und fährt von dannen. „Das war“, sagt der jüngere der beiden Jungs zielsicher zu seiner Mutter, „ein Porsche. Der ist ganz schön schnell.“

Montag, in Shanghai läuft sich die Autoshow warm. In China, das ist bekannt, geht alles wahnsinnig viel schneller. Fortschritt, IT-Entwicklung, atemraubendes Tempo wo man hinschaut. Nur nicht das Internet im Hotel, das ist lahmer als eine Schnecke, acht Minuten hat es gedauert, bis die Verbindung zu diesem Artikel stand, den Sie gerade lesen. Das hat natürlich nichts mit irgendeiner Art von Überwachung zu tun, einfach Pech. Die Infrastruktur, man kennt das. Um Abhängigkeit muss uns nicht bange sein. Warum uns jetzt der vermeintliche Killerknopf im F35 Kampfjet in den Sinn kommt? Keine Ahnung. Amerika oder China, Hauptsache, Digitalien.

Durch die Stadt fahren wir in einem Mercedes-Benz, der allein steuert. Autonomes Fahren geht schon mal schief und kostet Menschenleben, dann werden Gesetzeshüter etwas vorsichtiger. Aber die Kundschaft wolle das, und zwar flott, heißt es unverdrossen. Der Mercedes beschleunigt, bremst, lenkt und blinkt allein, der Fahrer muss nur zwei Finger am Lenkrad halten, schlafen ist noch nicht. Er fährt auch mal forsch in eine Kreuzung ein, weil man in China sonst nicht durchgelassen wird, rollende Verkehrshindernisse wird keiner kaufen. Die Rechner rechnen superschnell und zuverlässig, das Navigationsgerät weist den Weg in Echtzeit, Angst vor Regen mitsamt Störung der Kameraaugen zerstreut die Sonne. Ja, ja, super, gähn, drei Viertel aller demnächst zu erwartenden chinesischen Autos können mehr oder minder allein fahren, raunt einer in die Runde. Europa, die Botschaft ist klar, muss sich warm anziehen. Oder, wie Donald Trump sagen würde: Alles Loser, die Vorstände von VW über BMW bis Mercedes ein Haufen Mister too late. Und Misses, bitte, so viel Zeit muss sein.

Masse statt Marke, Hoheit über die Technik, was zählt denn in Zukunft? Die Mutter an der Ampel schaut ihren dem Porsche nachblickenden Sohn warmherzig an und spricht: „Er hatte eine schöne Farbe.“