Was ist denn nun die beste Waschmaschine?

4

Ein aufschlussreiches kulturgeschichtliches Dokument ist seit einigen Wochen öffentlich zugänglich. Zu ihrem 60. Geburtstag hat die Stiftung Warentest ein Faksimile des ersten Heftes ihrer Testzeitschrift ins Netz gestellt. Hält man es neben eine der heutigen Ausgaben, kann man viel über die Methoden, aber auch über die publikumswirksamen Mogeleien des Warenvergleichs lernen.

In ihren ersten Jahren hatten die Warentester versucht, ohne einheitliche Bewertung ganzer Produkte als gut, schlecht, mittelmäßig auszukommen. Anstelle der später eingeführten Notenskala gab es nur Mischurteile, beispielsweise: Diese zweite Waschmaschine reinigt bei starker Verschmutzung nicht ganz so effektiv wie jene erste, ist dafür aber langlebiger, eine dritte vereint gute Messwerte in diesen beiden Vergleichsdimensionen, lässt sich dafür aber weniger leicht bedienen. An einer solchen Auflistung unvergleichlicher Vorteile und Nachteile werden heutige Leser den Orientierungswert einer eindeutigen Kaufempfehlung vermissen.

Keine allgemeingültigen Rangfolgen der Brauchbarkeit

Die Technik, einen oder mehrere „Testsieger“ zu ermitteln, war natürlich auch damals schon bekannt. Sie wurde also nicht aus Unkenntnis gemieden, sondern aus wohlerwogenen Gründen. Wer die verglichenen Produkte in eine Rangordnung mit eindeutiger Spitze bringen will, muss nämlich über das bloße Messen hinausgehen und eine quantitative Gewichtung der qualitativ unvergleichlichen Dimensionen vornehmen: Die Reinigungskraft der Maschine macht siebzig Prozent unserer Gesamtwertung aus, ihre Haltbarkeit zwanzig, ihre Benutzerfreundlichkeit zehn.

Zu solchen Entscheidungen war man in der neu gegründeten Stiftung noch nicht bereit. Ein Gründungsmitglied aus dem Aufsichtsrat formuliert dies im ersten Heft so: Selbstverständlich werde man die Leser vor unbrauchbaren Produkten warnen, aber die brauchbaren in eine Rangfolge zu bringen, sei nicht möglich, da jene Gewichtung nun einmal subjektiv sei. Je nach den Lebensumständen könne dieselbe Eigenschaft eines Produkts für den Nutzer wichtig oder unwichtig sein, und das habe man zu respektieren.

Verbraucher wollen aber wissen, was das absolut Beste ist

Diese Auskunft entspricht der entscheidungstheoretischen Diskussion ihrer Zeit. Vor allem die Betriebswirte hatten sich damals um den Nachweis bemüht, dass es beim Abwägen der verschiedenen Stärken und Schwächen eines Gebrauchsgegenstands keine objektiv richtigen Entscheidungen geben könne. Die Frage, ob die anzuschaffende Waschmaschine sich auch an starker und stärkster Verschmutzung bewähre, habe für den Schlachter nun einmal größeres Gewicht als für den Büroangestellten, und über solche intersubjektiven Verschiedenheiten könne man sich nicht einfach durch eine für alle gleiche Gewichtung hinwegsetzen.

Die zwei Jahre später getroffene Entscheidung, trotzdem zu gewichten, ist der Stiftung also vermutlich nicht leichtgefallen, sie fiel denn auch in einer Krisensituation. Denn die Leser, die man sich als Publikum gewünscht hatte, zeigten zunächst nur wenig Interesse an der eigenen Zeitschrift und zogen ihr das einzige Konkurrenzprodukt vor, die um nur wenige Jahre ältere „DM“. Deren Gründer wiederum war ein publikumsbezogen denkender Journalist, der keine Bedenken hatte, dem Orientierungsbedarf der Kunden mit einer Notenskala und eindeutigen Kaufempfehlungen entgegenzukommen. Erst mit dem Entschluss, es ihm gleichzutun, begann dann auch die Erfolgsgeschichte der Stiftung selbst.

Gemessen an jenen entscheidungstheoretischen Bedenken beruhte dieser Erfolg also auf einer Mogelei. Wie um diesen Schönheitsfehler zu kompensieren, gab es auf der später hinzugekommenen Homepage der Stiftung früher einmal die Möglichkeit, die von den Testern gewählte Gewichtung an die Besonderheiten der eigenen Lebenssituation anzupassen und so seinen je eigenen, für andere unverbindlichen Favoriten zu ermitteln. Entscheidungstheoretisch gesehen war das ein hochgradig sinnvolles Werkzeug, das von den Lesern aber nur selten genutzt wurde und nun schon seit mehr als zehn Jahren nicht mehr zur Verfügung steht.

Der Umstand, dass das Publikum sich eine für alle gleiche Gewichtung auch bei ungleichen Gewohnheiten und Gebrauchsinteressen gefallen lässt, gibt zu denken. Was hat der Testsieger dem persönlichen Favoriten voraus? Eine soziologisch naheliegende Antwort könnte lauten: Der Kaufempfehlung einer anerkannten Autorität zu folgen, entlastet von persönlicher Verantwortung für den Fall, dass der Käufer mit dem empfohlenen Produkt einmal durchaus nicht zufrieden sein sollte. Die Unzufriedenheit selbst wird dadurch natürlich nicht kleiner, aber den Käufer trifft nun keine Schuld mehr an ihr, da er ja nur dem bestmöglichen Rat folgte.