Das deutsche Geschäftsmodell ist nicht zerbrochen

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Zu den gefährlichen Neben­wirkungen der andauernden wirtschaftlichen Schwäche Deutschlands gehört die Wiederkehr des Schlagworts „deutsches Geschäftsmodell“ – meist zu hören in der Formulierung, dass es zerbrochen sei. Das ist, man muss es so scharf formulieren, grober Unsinn.

Deutschland hat kein Geschäftsmodell, dem die Bevölkerung verpflichtet ist. Deutschland ist keine Zentralverwaltungswirtschaft, Deutschland ist kein Unternehmen. Der Bundeskanzler ist kein Geschäftsführer, der Unternehmern oder Arbeitern vorzugeben hat, was sie zu produzieren und zu konsumieren haben.

Deutschland ist eine Marktwirtschaft. Diese freiheitliche Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung als unternehmensähnliches Gebilde abzustempeln und ihr ein zentrales Geschäftsmodell zuzuschreiben, ist falsch. Kern der Marktwirtschaft ist die dezentrale Vielfalt, nicht die verordnete wirtschaftliche Ausrichtung des Landes.

Ein Beleg dafür, was falsch läuft

Man mag das als sprachliche Spitzfindigkeit abtun. Doch die Beliebtheit des Schlagworts vom deutschen Geschäftsmodell ist Beleg dafür, was in diesem Land falsch läuft: Geht es der Wirtschaft schlecht, erklingt sofort der Ruf an die Regierung, Initiativen zu ergreifen. Dabei hat die Marktwirtschaft seit Aufhebung der Preiskon­trollen 1948 immer wieder die Fle­xibilität bewiesen, dass Unternehmen sich an neue Lagen anpassen und daraus gestärkt hervorgehen. Staatliche Intervention braucht es dazu nicht; meist ist sie schädlich, weil sie den Wandel nur zulasten der Betroffenen in die Länge zieht.

Das Gerede vom zerbrochenen Geschäftsmodell kam auf, als nach Russlands Angriff auf die Ukraine die Energiepreise drastisch stiegen und es zugleich immer klarer wurde, dass China sich zum scharfen Konkurrenten hiesiger Unternehmen entwickelte. Der Dreiklang billige Energie, gute Industrie und viel Export sei Geschichte, heißt es, Deutschland müsse sich neu ausrichten. Plausibel ist das nicht. Soll Deutschland bewusst auf teure Energie setzen, die Industrie abschreiben und auf den Export verzichten? Natürlich nicht.

Der Energiepreisschock und der internationale Wettbewerbsdruck wirken nicht anders als die Aufwertungswellen zu Zeiten der D-Mark. Wie heute malten damals viele den wirtschaftlichen Untergang an die Wand. Der Aufwertungsdruck aber erwies sich regelmäßig als Produk­tivitätspeitsche und ließ die Wirtschaft erstarken. Defensive Staats­hilfen schwächten dagegen die Fähigkeit und den Willen der Unternehmen zur Anpassung.

„Lasst tausend Blumen blühen“

Die Stärke der dezentralen Marktwirtschaft erweist sich gerade in Krisenzeiten darin, dass viele Unternehmen nach eigenen Lösungen suchen, um zu bestehen und um zu wachsen. „Lasst tausend Blumen blühen“ ist das Prinzip der Marktwirtschaft. Manche Unternehmer erkennen die Zeichen der Zeit schneller als andere, andere hinken hinterher. Die dezen­trale Vielfalt bringt einen glatteren und sozial verträglicheren Strukturwandel hervor als ein zentrales Geschäftsmodell, das per Erkenntnis des Wirtschaftsministers umgestellt wird.

Gegen das Prinzip der Vielfalt verstößt es, die Ökologisierung der Wirtschaft mit Verboten erzwingen zu wollen, anstatt eine Energiewende mit CO2-Preissignalen sanft und zeitlich gedehnt herbeizuführen. Die Krise des vermeintlichen deutschen Geschäftsmodells gründet zu einem guten Teil auch darin, dass die Ampelregierung die Krise auslöste.

Mit den Zollkriegen des Donald Trump und der drohenden Blockbildung in der Welt geistert nun die Idee herum, dass Deutschland sein Geschäftsmodell mehr auf den deutschen und europäischen Binnenmarkt konzentrieren müsse – so als ob Politiker besser wüssten als Unternehmen, wo die besten Absatzchancen lägen. Das Argument mischt sich in gefährlicher Weise mit der unter linken Ökonomen populären Klage, Deutschland unterdrücke mit Lohnzurückhaltung und zu wenig Staatsschulden die Binnennachfrage, um den Export anzuschieben. Der Vorwurf lautet auf interne Abwertung oder monetären Protektionismus. Doch es ist nicht verwerflich, mit maßvollen Löhnen und Schulden die Basis für Wachstum zu legen.

Die linken Ökonomen werden zur Speerspitze von Trumps Klagen über hohe deutsche Leistungsbilanzüberschüsse. Es ist die alte Leier, dass Deutschland mit höheren Löhnen, mit mehr Schulden und mehr Inflation die Nachfrage ankurbeln solle, verpackt in die Wortakrobatik des zerbrochenen Geschäftsmodells. Zerbrechen aber würden die Marktwirtschaft und die Chancen auf Wohlstand, falls die Deutschen sich auf eine solche staatliche Wirtschaftslenkung einließen.