In gewisser Weise ähnelt eine Motorsäge einem Sportwagen, zumindest wenn man mit Nikolas Stihl, dem Beiratsvorsitzenden des Kettensägenherstellers Stihl, über die Unterschiede zwischen Elektroantrieb und Verbrennungsmotor spricht. „Vom Emotionalen her ist dem Verbrennungsmotor nichts gewachsen“, sagte Stihl im vergangenen Jahr im F.A.Z-Interview. „Wenn Sie heute eine unserer Benzinsägen in die Hand nehmen, die Beschleunigung spüren und den Sound hören, das ist etwas anderes, das bekommt man mit einer Akkusäge so nicht hin.“
Und doch stellt das schwäbische Familienunternehmen sein Angebot mehr und mehr auf elektrisch angetriebene Geräte um. Schon ein Viertel des Gesamtabsatzes besteht aus Motorsägen, Heckenscheren und Laubbläsern, die keinen Benzinmotor mehr haben, sondern einen Elektroantrieb mit aufladbarer Batterie. Der Grund liegt in der einfacheren Handhabung, wie Nikolas Stihl weiter erklärt. „Für einen unerfahrenen Anwender ist die Akkusäge die bessere Wahl, weil bei einem Elektromotor mit hohem Drehmoment die Kettengeschwindigkeit besser kontrollierbar ist und das Schneiden viel einfacher wird.“
In Westeuropa dominieren die elektrischen Produkte bereits das Geschäft: So liegt der Anteil der Akku-Geräte beim Absatz in Deutschland und der Schweiz bei rund 60 Prozent. Insgesamt ist der Anteil 2024 auf 25 Prozent gestiegen, wie Stihl bei der Bilanzpressekonferenz am Dienstag in Waiblingen mitteilte. „Die Transformation hin zu Akku-Produkten ist für uns ein entscheidender Schritt, um die Technologieführerschaft in Zukunft zu sichern“, sagte Vorstandschef Michael Traub. Bis 2027 soll der Anteil auf 35 Prozent steigen. „Das ist für ein fast 100 Jahre altes Unternehmen, das mit dem Benzinmotor groß geworden ist, ein ambitioniertes Ziel.“
53 Millionen Euro für die Akku-Fertigung in Virginia Beach
In den Investitionen des vergangenen Jahres spiegelt sich die Elektrifizierungsstrategie des Unternehmens: Stihl erweitert für umgerechnet 53 Millionen Euro die Akku-Fertigung in Virginia Beach in den USA und baut für 100 Millionen Euro im rumänischen Oradea eine Fabrik für Akku-Geräte und die dazugehörigen Batteriepacks. Am Stammsitz gibt der Motorsägenhersteller rund 133 Millionen Euro aus – unter anderem für eine Fertigung von Elektromotoren.
„Wir treiben die Transformation unseres Unternehmens voran – trotz eines Jahres mit viel Gegenwind, anhaltender Kaufzurückhaltung und geopolitischen Spannungen“, sagte Traub mit Blick auf die Zahlen 2024. Das Unternehmen steigerte seinen Umsatz leicht um 1,1 Prozent auf 5,33 Milliarden Euro. Den Gewinn nennt Stihl nicht. „Wir haben ein zufriedenstellendes Ergebnis erzielt und sind eigenfinanziert, das ist ein Ausweis unserer Ertragskraft“, sagte Finanzchefin Ingrid Jägering. Mehr als 90 Prozent seines Umsatzes erwirtschaftet der führende Hersteller von Motorsägen im Ausland.
Die Standorte in Deutschland mit den acht Fabriken in und rund um Waiblingen sowie in Weinsheim in der Eifel und Wiechs am Randen an der Schweizer Grenze, die 6064 der rund 19.700 Stihl-Mitarbeiter auf der Welt beschäftigen, haben 2024 Erlöse in Höhe von 1,63 Milliarden Euro erzielt – das sind mehr als 30 Prozent des Gesamtumsatzes. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Stihl bestimmte Produkte nur in deutschen Werken fertigt – oder Komponenten aus deutscher Produktion als Zulieferteile in die Stihl-Fabriken im Ausland gehen.
„Kunden werden die verdeckten Steuererhöhungen beim Preis spüren“
Wie sich aufgrund dieser Situation die im Raum stehenden Zölle im Welthandel auf das Geschäft bei Stihl auswirken, wollte der Stihl-Chef nicht prognostizieren. „Zölle sind nichts anderes als verdeckte Steuererhöhungen“, sagte Traub. „Wir versuchen dem mit höherer Effizienz zu begegnen, werden das aber nicht an allen Ecken verhindern können. Die Kunden werden die verdeckten Steuererhöhungen beim Preis spüren.“
Für die kommenden Jahre rechnet Traub mit einem Umsatzwachstum im einstelligen Prozentbereich. „Das ist alles nicht so einfach wie im Jahrzehnt zuvor“, sagte Traub – und vor allem nicht so einfach, wie sich Stihl das während des Corona-Booms vorgestellt hatte, als die Kunden sich verstärkt um ihre Gärten kümmerten. Seit das Unternehmen im Mai 2023 rund 21.600 Mitarbeiter beschäftigt hat, ging die Zahl herunter auf nun 19.700 – und sie wird weiter sinken. Der Hersteller streicht bis 2027 weitere 500 Jobs, davon eine niedrige dreistellige Zahl in Deutschland. „Wir hatten größere Wachstumspläne, doch das Wachstum findet nicht statt“, sagte Traub. Zudem könnte Stihl künftig verstärkt im Ausland produzieren. „Akku-Produkte werden nicht hier gefertigt, die Bedingungen sind dafür nicht gut genug“, sagte der Stihl-Chef. „Wenn unser Absatz von Elektrogeräten steigt, sinkt unsere Beschäftigung in Deutschland.“ Es wäre neben dem von Nikolas Stihl so hervorgehobenen Sound ein arbeitspolitischer Vorteil, den Benzinsägen im Vergleich zu elektrischen Sägen haben – trotz der einfacheren Handhabung.