die wichtigsten Fragen und Antworten

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Am Montag sackte die spanische Stromproduktion um 60 Prozent ab. Was passiert in einem solchen Fall mit dem Stromnetz? Und wäre so etwas auch in der Schweiz denkbar?

Lange ging nichts mehr, und Passagiere an Bahnhöfen wie hier in Barcelona waren zum Warten verdammt.

Lange ging nichts mehr, und Passagiere an Bahnhöfen wie hier in Barcelona waren zum Warten verdammt.

Emilio Morenatti / AP

Warum kam es auf der Iberischen Halbinsel zu einem Blackout?

Derzeit ist unklar, was den Stromausfall vom Montag in Spanien und Portugal ausgelöst hat. Allerdings berichten mehrere spanische Medien, dass um 12.33 Uhr plötzlich ein grosser Teil der Energieerzeugung aus dem Stromnetz weggefallen sei. Konkret hätten fünf Sekunden lang 15 Gigawatt Strom gefehlt. Laut spanischen Regierungsbeamten entspreche die Menge etwa 60 Prozent der Elektrizität, die zu diesem Zeitpunkt im Land verbraucht worden war.

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Das Stromnetz in Europa ist nicht dafür ausgelegt, dass so viel Energie ausfällt. Laut Veit Hagenmeyer, Professor am Karlsruher Institut für Technologie, kann das Netz nur einen Mangel von 3 Gigawatt verkraften. Hagenmeyer schreibt dem Science Media Center: Das Stromnetz könne den Ausfall eines grossen Kraftwerks oder mehrerer kleinerer vertragen, «aber nicht diese Menge».

Mehrere Experten gehen nun davon aus, dass in Spanien automatische Abschaltvorrichtungen griffen. Diese schalteten Kraftwerke, Stromleitungen und Umspannanlagen ab, um sie vor Schäden zu schützen. Daraus entsteht eine Kaskade von Abschaltungen, die sich durch das Netz ausbreitet und zu einem grossflächigen Stromausfall führt.

Warum kam es zum Leistungsabfall in Spanien?

Das weiss man noch nicht. Grundsätzlich sagen zahlreiche Experten, dass für einen Stromausfall in dieser Grösse mehrere aussergewöhnliche Ereignisse oder technische Fehler zusammenkommen müssten.

Sensoren registrieren alles, was innerhalb des Stromnetzes passiert. Deshalb ist davon auszugehen, dass eine Analyse dieser Daten Antworten liefert.

Wie funktioniert ein Stromnetz?

Die wichtigsten Komponenten sind die Kraftwerke und die Übertragungs- und Verteilnetze. Die in Kraftwerken erzeugte Elektrizität wird mittels Stromleitungen überallhin verteilt, auch über Landesgrenzen hinweg. Dabei bilden Hochspannungsleitungen sozusagen die Autobahnen des Netzes. Diese Leitungen bringen den Strom in die Nähe der Nutzer. Dann fliesst der Strom in Verteilnetze, die mit Haupt- und Nebenstrassen vergleichbar sind. Sie bringen den Strom zu den Konsumentinnen und Konsumenten.

Was braucht es, damit das Stromnetz stabil funktioniert?

Damit das Netz stabil bleibt, muss zu jedem Zeitpunkt so viel Strom ins System gespeist werden, wie gerade verbraucht wird. Ob zu viel oder zu wenig Strom im System ist, sieht man an der Frequenz, die in Hertz gemessen wird. Im europäischen Netz beträgt die Frequenz 50 Hertz. Sinkt die Frequenz, bedeutet das, dass gerade mehr Strom verbraucht als erzeugt wird. Steigt sie, wird mehr Strom ins Netz eingespeist, als nachgefragt wird. Gabriela Hug, Professorin für Informationstechnologie und Elektrotechnik an der ETH, sagt, «sowohl eine zu hohe Frequenz wie auch eine zu tiefe Frequenz ist schlecht. Kritisch ist es aber vor allem, wenn die Frequenz immer weiter sinkt.»

Was wird getan, damit die Frequenz gleich bleibt?

Der Energieversorger macht Vorhersagen, wie viel elektrische Energie beispielsweise morgen Mittag gebraucht wird. Basierend auf diesen Vorhersagen und anhand des Strommarktes werden für die Kraftwerke quasi Fahrpläne erstellt. Gibt es Abweichungen von diesen Schätzungen, sieht man das in Echtzeit an Veränderungen der Frequenz.

Fällt die Frequenz wegen zu grosser Stromnachfrage auf 49 Hertz, beginnt der sogenannte Lastabwurf. Dann wird ein Teil der Verbraucher vom Netz abgeschnitten, damit sich die Gesamtlast reduziert und so der Rest des Systems stabil bleibt.

Passanten betrachten die spanische Stadt Granada, die nach dem Stromausfall auch Stunden später noch weitgehend im Dunkeln lag.

Passanten betrachten die spanische Stadt Granada, die nach dem Stromausfall auch Stunden später noch weitgehend im Dunkeln lag.

Fermin Rodriguez / Imago

Wenn es zu Nachfrage-Angebot-Schwankungen kommt, wie viel Zeit bleibt, um die Schwankung auszugleichen, bevor es zu einem Stromausfall kommt?

Es gibt verschiedene Reserven, die unterschiedlich schnell eingesetzt werden müssen. Die erste, die sogenannte Primärregelreserve, werde wenige Sekunden nach der Schwankung aktiviert, sagt Hug. Diese Reserven werden von Kraftwerken geliefert, die rasch von ihrem Fahrplan abweichen können. Die Primärreserve stabilisiert die Frequenz und verhindert damit einen Blackout. Anschliessend greift der Netzbetreiber ein, im Fall der Schweiz ist das Swissgrid. Er koordiniert den Einsatz der sogenannten Sekundärregelreserven, damit die Frequenz wieder auf 50 Hertz kommt. Das passiert innerhalb von wenigen Minuten.

Sind schlagartige Veränderungen der Netzfrequenz der Hauptgrund für Stromausfälle und Blackouts?

Zunächst einmal muss man zwischen Stromausfällen und Blackouts unterscheiden. Ein Stromausfall ist ein lokales Ereignis, wenn beispielsweise die Stromleitung zu einem Dorf unterbrochen wird. Lokale, kleine Stromausfälle gibt es täglich irgendwo. Und im landesweiten Stromnetz sind Schutzmechanismen eingebaut, die in so einem Fall die betroffenen Leitungen unterbrechen, damit ein Stromausfall quasi isoliert werden kann. Ein Blackout ist dagegen grossflächiger und die Behebung des Problems dauert länger.

Was sind die gängigsten Gründe für Blackouts?

Hug sagt: «Bei Blackouts kommen meistens mehrere unvorhergesehene Ereignisse zusammen.» Beispielsweise fällt eine wichtige Leitung oder ein wichtiges Kraftwerks aus und gleichzeitig kommt es zu einem weiteren unvorhersehbaren Ereignis oder zu einer Extremwettersituation wie einem Sturm, der Leitungen beschädigt. Grundsätzlich werden Stromnetze so betrieben, dass man den Ausfall einer wichtigen Komponente wie beispielsweise einer Übertragungsleitung oder eines Kraftwerks verkraften kann.

Wie lassen sich Blackouts verhindern?

Grundsätzlich könne man versuchen, die Redundanzen im System zu erhöhen, sagt Hug. Das können beispielsweise zusätzliche Kraftwerke oder Sicherheitsmassnahmen im Übertragungsnetz sein. In der Schweiz ist etwa das System der Hochspannungsleitungen, der Stromautobahnen, redundant. Falle eine Hochspannungsleitung aus, sagt Hug, teile sich der Strom auf die andere parallelen Leitungen auf.

Redundanzen könnte man auch stetig verstärken. Doch irgendwann, sagt Hug, sei es eine Kosten-Nutzen-Frage: «Denn man würde viel Geld ausgeben, um sich auf einen Notfall vorzubereiten, der nur selten eintritt.»

Kam es in der Schweiz schon einmal zu einem Blackout?

2003 kam es in Italien zu einem Blackout, von dem auch Teile des Kantons Genf betroffen waren. Grund dafür war der Ausfall einer wichtigen Leitung zwischen der Schweiz und Italien.

Nur Taschenlampen spendeten noch Licht.

Nur Taschenlampen spendeten noch Licht.

Jordi Boixareu / Imago