China mobilisiert BRICS im Handelskrieg mit Washington

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Chinas Außenminister Wang Yi ist mit einer klaren Ansage nach Rio de Janeiro gereist. Die Vereinigten Staaten hätten immens vom Freihandel profitiert, aber jetzt nutzten sie Zölle als Hebel, um anderen Ländern sehr hohe Preise aufzuzwingen. „Wenn wir im Stillen Zugeständnisse machen, wird der Tyrann, der einen Zentimeter gewonnen hat, fünf Kilometer gewinnen“, sagte Wang vor dem Treffen der Außenminister der BRICS-Gruppe in Rio de Janeiro am Dienstag. Wang betonte, dass die Verteidigung der multilateralen Handelsregeln die unmittelbare Priorität der internationalen Gemeinschaft sein sollte. Die internationale Wirtschaftsordnung könne nicht durch einseitigen Druck bestimmt werden.

Als einen der Mechanismen des Multilateralismus sieht Peking die BRICS-Gruppe, zu deren Kern (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) letztes Jahr weitere Länder wie Ägypten, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Äthiopien, Indonesien und Iran hinzugestoßen sind. Die Gruppe, deren Vorsitz in diesem Jahr Brasilien innehat, sieht sich als ­alternativen Block, der eine größere Unabhängigkeit von den westlich dominierten Institutionen anstrebt. Die protektionistische Handelspolitik Washingtons beflügelt dieses Bestreben. China und die Schwellenländer seien heute „die Hauptverteidiger des multilateralen Systems“, sagte Celso Amorim, der oberste außenpolitische Berater von Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, in einem Interview mit der „Financial Times“. Während die Vereinigten Staaten vom Multilateralismus zurückträten, wachse der Raum für die BRICS. Das entspricht ganz dem Geschmack Pekings.

Nicht alle BRICS-Länder auf demselben Konfrontationskurs

Die Kritik an den „einseitigen Maßnahmen“ Washingtons sollte auch in einer Abschlusserklärung des Außenministertreffens in Rio festgehalten werden. Obwohl Peking offenbar einen scharfen Ton bevorzugte, sollte es bei einer kritischen, jedoch nicht allzu konfrontativen Erklärung bleiben. Nicht alle Mitglieder des Blocks befinden sich auf demselben Konfrontationskurs mit den USA wie China. Das gilt beispielsweise für Indien oder auch für den Gastgeber Brasilien, der darauf bedacht ist, eine möglichst neutrale Haltung zu wahren. Eine Weltordnung ohne die USA sei unmöglich, äußerte auch Amorim. Auch zu China, seinem wichtigsten Handelspartner, hält Brasilien eine gewisse Distanz. So ist Brasília im Gegensatz zum größten Teil Lateinamerikas beispielsweise nicht Pekings Seidenstraßen-Initiative beigetreten.

Auch die Diskussion über eine gemeinsame BRICS-Währung wurde unter dem brasilianischen Vorsitz vorerst zurückgestellt. Stattdessen wird die Nutzung lokaler Währungen und digitaler Zahlungssysteme diskutiert, um den US-Dollar zu umgehen. Diese Strategie zielt darauf ab, die wirtschaftliche Souveränität der Mitgliedsländer zu stärken, ohne eine Eskalation mit den USA zu verschärfen. US-Präsident Trump hat den BRICS-Mitgliedern wiederholt mit Strafzöllen von 100 Prozent gedroht, sollten sie eine eigene Währung schaffen.

Nicht nur in Bezug auf den Handelskrieg sieht die BRICS-Gruppe sich in einer zusehends wichtigeren Position. Gleiches gilt auch für die bewaffneten Kriege, allen voran jenen in der Ukraine. Brasiliens Außenminister Mauro Vieira betonte in seiner Rede die Bedeutung des Multilateralismus, um Krisen zu bewältigen. Ob es sich bei der BRICS-Gruppe um das richtige Forum handelt, ist jedoch fraglich, da sich mit Russland eines der Gründungsmitglieder als Aggressor zu verantworten hat. Moskau setzt offenbar ohnehin eher auf den neuen Freund im Weißen Haus, wie Außenminister Sergej Lawrow in einem Interview mit „O Globo“ durchblicken ließ. Man habe den Eindruck, dass die amerikanischen Gesprächspartner begonnen hätten, die Position Russlands besser zu verstehen, sagte Lawrow. „Wir hoffen, dass dies ihnen im Dialog mit Kiew und mit einzelnen europäischen Ländern helfen wird.“