Der Ausbau von Schnellladesäulen an deutschen Autobahnraststätten, der entscheidend für den Hochlauf der Elektromobilität ist, stockt wegen eines Rechtsstreits um Konzessionsverträge für die angestrebten Ladeparks. Ein Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) bringt nun Bewegung in die Sache (Rechtssache C-452/23 | Fastned Deutschland). Der Richterspruch ist ein Etappensieg für die Autobahn GmbH des Bundes, welche die Raststättengelände an den Autobahnen verwaltet, und mittelbar auch für Tank & Rast . Das ehemalige Staatsunternehmen betreibt 412 der rund 440 deutschen Autobahnraststätten.
Der EuGH äußerte sich zu europäischen Vergabevorschriften im Rechtsstreit zwischen der Autobahn GmbH und dem niederländischen Schnellladebetreiber Fastned . Die Autobahn GmbH hatte zugunsten der Unternehmen Tank & Rast und Ostdeutsche Autobahntankstellen bestehende Konzessionen für den Betrieb von Rastanlagen an deutschen Autobahnen auf Ladestationen für Elektrofahrzeuge erweitert. Fastned ist der Ansicht, dieses Vorgehen sei europarechtswidrig, und will ein europaweites Ausschreibungsverfahren erstreiten.
Nach Ansicht des EuGH konnte sich die Autobahn GmbH aber auf eine EU-Vorschrift berufen, die unter bestimmten Voraussetzungen Änderungen von Konzessionen ohne neues Vergabeverfahren erlaubt. Ob die Voraussetzungen für die Konzessionsänderung tatsächlich vorlagen, muss nun das Oberlandesgericht Düsseldorf prüfen und entscheiden, welches den Fall dem EuGH vorlegte.
Fastned argumentierte – ursprünglich noch gemeinsam mit Tesla Deutschland –, es dürfe nicht sein, dass andere Anbieter praktisch vom Ausbau von Schnellladestationen an den Raststätten ausgeschlossen würden. Der Ausbau müsse „frei und transparent für alle interessierten Marktteilnehmer ausgeschrieben werden“. Tesla zog sich später ohne Angabe von Gründen aus dem Verfahren zurück.
EuGH: Ausnahmevorschrift gilt
Das europäische Vergaberecht soll den Wettbewerb um das beste Angebot sicherstellen. Unter bestimmten Voraussetzungen ist es aber möglich, eine bestehende Konzession wegen „unvorhersehbarer Umstände“ ohne neues Vergabeverfahren zu ändern. Auf diese Ausnahmevorschrift hatte sich die Autobahn GmbH berufen. Die Mobilitätswende sei damals noch nicht absehbar gewesen. Fastned wandte ein, die Ausnahmeregelung gelte nicht für Konzessionen, die ursprünglich ohne Ausschreibung vergeben worden seien. 280 von 360 Konzessionen waren zwischen 1996 und 1998 „inhouse“ ohne Ausschreibung an die damals noch staatlichen Unternehmen Autobahn Tank & Rast und Ostdeutsche Autobahntankstellen vergeben worden, die dann 1998 privatisiert wurden.
Der EuGH hat nun klargestellt, die Ausnahmevorschrift zum Verzicht auf eine Ausschreibung gelte auch dann, wenn die Konzession ursprünglich im Haus vergeben worden sei und die Auftragsänderung zu einem Zeitpunkt erfolgte, zu dem der Konzessionsnehmer keine Inhouseeinrichtung mehr gewesen sei. Entgegen der Rechtsauffassung von Fastned stellte der EuGH weiter fest, das EU-Recht verlange nicht, dass die nationalen Gerichte die Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Konzessionsvergabe überprüften, wenn alle Fristen für die Anfechtung abgelaufen seien.
Die Tank & Rast Gruppe teilte mit, man sehe sich durch das Urteil bestätigt, den Ausbau des Schnellladenetzes entlang der deutschen Autobahnen konsequent voranzutreiben. Der EuGH habe insbesondere geklärt, dass die Konzessionsverträge flexibel an den technischen Fortschritt angepasst werden konnten. Man gehe davon aus, dass das OLG Düsseldorf dies abschließend bestätigen werde.
Fastned bleibt „zuversichtlich“
Fastned teilte mit, man bleibe „zuversichtlich“. Obwohl der Gerichtshof den Streit um die Geltung der Ausnahmevorschrift im EU-Vergaberecht zugunsten der Autobahn GmbH entschieden hatte, zeigte sich die Klägerin „zufrieden“ mit dem EuGH-Urteil. So habe der Gerichtshof dem OLG Düsseldorf „die klare Aufgabe erteilt“, zu prüfen, ob der Ausbau von Schnellladeinfrastruktur an den durch Tank & Rast betriebenen Raststätten doch frei hätte ausgeschrieben werden müssen. In der Sache werde also weiter verhandelt werden müssen, da Grundfragen des Rechtsstreits noch nicht beantwortet seien.
Zum weiteren Verfahren sagte Christian Alexander Mayer, Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei Noerr, der F.A.Z., das OLG Düsseldorf müsse insbesondere prüfen, ob die Entwicklung der Elektromobilität in den letzten 25 Jahren „unvorhersehbare Umstände“ seien, die der Bund bei Erteilung der Konzessionen 1996 und 1998 nicht hätte abschätzen können. Aber auch dann ist noch nicht gesagt, dass auf die Ausschreibung hätte verzichtet werden dürfen. So darf sich der Gesamtcharakter der Konzession durch die Erweiterung um die Schnellladeinfrastruktur nicht verändern, und der Wert der ursprünglichen Konzession darf sich nicht um mehr als 50 Prozent erhöhen. „Es sind also noch eine ganze Reihe wichtiger Fragen offen, deren Bewertung immer noch zugunsten von Fastned ausfallen können“, fasste Mayer zusammen. Das EuGH-Urteil sei zwar „ein Zwischenerfolg für Bund und Tank & Rast, aber sicher noch kein endgültiger Sieg im angestrengten Vergabeverfahren“.
Spannend bleibt nach Darstellung des Rechtsanwalts, ob der Bund die Erweiterung der Konzession – wie bislang – nur auf Pkw-Ladeinfrastruktur erstrecke oder auf Lkw-Ladeinfrastruktur erweitere. Wenn das geschehe, so Mayer, könnte die kritische Wertschwelle – mehr als 50 Prozent der ursprünglichen Konzession – erreicht werden. „Das hätte zur Folge, dass die Ausnahmevorschrift zur nachträglichen Änderung nicht erfüllt wäre und doch noch eine Ausschreibung vorgenommen werden müsste“, gibt der Rechtsanwalt zu bedenken.