100 Tage Trump: US-Präsident feiert sich selbst

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Steve Scanlon sitzt in der Seitentür seines Transporters, aus dem er Trump-Fanartikel verkauft. T-Shirts zehn Dollar, Magnete fünf Dollar. Es sind die beliebten Motive: Donald Trumps Polizeifoto nach der Anklage wegen Wahlbetrugs in Georgia, seine gereckte Faust nach dem Mordanschlag in Pennsylvania. Scanlon selbst trägt das klassische Erkennungszeichen der MAGA-Leute, die rote Kappe mit „Make America Great Again“. Und das mit der Rückkehr Amerikas zu alter Größe läuft super, findet er.

Die ersten hundert Tage der Präsidentschaft seien „selbstverständlich“ großartig gewesen, sagt Scanlon. Er hat Trump schon zum dritten Mal gewählt. Für den Mann aus Connecticut war die Grenze das wichtigste Thema, und die sei jetzt dicht. Er sagt: „Man muss ja nur auf die Zahlen schauen.“ Laut der amerikanischen Grenzschutzbehörde gab es im März 7100 illegale Übertritte an der Grenze zu Mexiko. Unter Präsident Joe Biden waren es bisweilen mehr als 200.000, auch wenn die Zahlen im vergangenen Jahr entschieden zurückgingen.

Scanlon wird Trumps Rede an diesem Tag nur über den riesigen Bildschirm vor dem Eingang des Macomb Community College in Warren, Michigan, verfolgen. „Ich habe ihn zu oft gehört“, sagt er, und lacht. Seit neun Jahren reist er dem Republikaner mit seinen Fanartikeln hinterher. Wenn bei Trump keine Veranstaltung ansteht, dann verkauft der Händler Trikots bei Sportveranstaltungen.

Trumps Botschaften sind eingeübt

Der Präsident kommt bei der Kundgebung am Dienstagabend ungewöhnlich pünktlich auf die Bühne. Im Wahlkampf ließ er seine Anhänger manchmal stundenlang warten. Doch die Botschaften sind eingeübt. Die Vorgängerregierung habe eine „Masseninvasion“ an der Grenze orchestriert, ruft Trump in die Menge. Doch das sei nun vorbei: Die Grenzübertritte seien in seinen ersten hundert Tagen um „99,999 Prozent“ gesunken. Das Publikum jubelt. Trump setzt nach. Auf Bildschirmen laufen Aufnahmen der nach El Salvador abgeschobenen angeblichen Bandenmitglieder: Vermummte Männer holen an Händen und Füßen gefesselte Männer aus Flugzeugen, reißen T-Shirts hoch, um Tattoos zu präsentieren, und scheren ihnen die Köpfe. Dazu läuft dramatische Musik. Die Besucher in Warren filmen den Moment und wippen im Takt. Danach brechen sie in „USA“-Rufe aus.

In der Veranstaltungshalle herrschen strenge Regeln. Eigene Schilder sind verboten, die Plakate mit Lob für den Präsidenten wurden vorab verteilt. Doch vor der Tür haben sich einige Demonstranten versammelt, die Trumps Angriff auf den Rechtsstaat kritisieren. David Dempsey hält das für Unfug. Der Präsident mache eben keine halben Sachen, sagt er, „er geht die Dinge an.“ Illegal Eingewanderte haben in seinen Augen „keinen Anspruch auf ein ordentliches Verfahren wie wir, weil sie keine amerikanischen Bürger sind“. Und wenn Richter die Grenzen der Verfassung überschritten, dann müsse man sich über ihre Entscheidungen hinwegsetzen.

25-Prozent-Zölle auf importierte Autoteile aufgehoben

Dempsey saß bis Januar dieses Jahres im Gefängnis. Es war eine der längsten Haftstrafen nach dem Sturm auf das Kapitol: zwanzig Jahre, weil er im Kongress mit Metallstangen auf Polizisten eingeschlagen hatte. Doch dank Trump waren es am Ende nur drei. Als erste Amtshandlung begnadigte der Präsident im Januar fast alle Randalierer. Für Dempsey ist die Kundgebung in Michigan die erste seit dem 6. Januar 2021. Er sagt: „Ich bin so glücklich, heute hier zu sein.“ Auf dem rechten Unterarm trägt der ein Totenkopf-Tattoo mit Trumps Haartolle. Darüber steht in Anspielung auf das missglückte Attentat: „Ziel verfehlt, Drecksack.“ Darunter: „Ultra MAGA“.

Dempsey behauptet, damals sei es die Polizei gewesen, die die Demonstranten angegriffen habe. „Wo war mein faires Verfahren, als ich vor Gericht stand? Ich wurde in Amerika geboren und sie haben meine Bürgerrechte, meine Menschenrechte, meine Würde verletzt.“ Präsident Trump nennt die Randalierer in seiner Rede an diesem Tag wieder „Geiseln“. Zu den Gerichten sagt, er man dürfe einer „Hand voll kommunistischer Richter“ nicht erlauben, dem Präsidenten seine Macht zu nehmen. Er hoffe darauf, dass der Oberste Gerichtshof das ein für alle Mal klären werde.

Bevor Trump ins Zentrum der amerikanischen Autoindustrie gereist ist, hat er am Morgen mit einem Erlass die 25-Prozent-Zölle auf nach Amerika importierte Autoteile aufgehoben. In Warren, das eine halbe Stunde von Detroit entfernt liegt, ruft er gleich zu Beginn, „alle“ wollten zurückkommen „und Autos in Michigan bauen“. Alle Länder stünden Schlange, um mit ihm zu verhandeln. Die Demokraten wiederum hätten „Detroit zugunsten Pekings zerstört“. Später ruft er einen Arbeiter aus der Autoindustrie auf die Bühne, der zu Beginn der Zölle auch im Weißen Haus gesprochen hatte. Der Mann lobt ihn überschwänglich und endet mit dem Satz: Er müsse das auch mal vor all diesen Menschen sagen, „ich liebe Sie.“

Zustimmungswerte sind historisch schlecht

In jüngsten Umfragen klingt das anders. Trumps Zustimmungswerte sind die schlechtesten seit Jahrzehnten für einen Präsidenten, der sein Amt gerade erst angetreten hat. In einer Erhebung des Senders CNN lag der Wert bei nur 41 Prozent, in Bezug auf die Zollpolitik sogar nur bei 35 Prozent. Roman Gaskey findet, die Einführung der Zölle wurde aus Washington schlecht kommuniziert. Die Botschaft sei nicht klar gewesen: Sollen die Zölle nun Arbeitsplätze schaffen oder als Druckmittel dienen, um bessere Deals zu schließen? „Sie wollen beides, aber ich finde, man muss sich für eine Option entscheiden“, sagt er. So wüssten viele nicht, was sie davon halten sollen.

Gaskey ist 22 Jahre alt und hat im vergangenen November zum ersten Mal gewählt. Er sei überzeugter Republikaner, sagt er, und bewirbt sich nach seinem Abschluss in Mathematik und Datenwissenschaft bald als Abgeordneter für das Parlament in Michigan. Gaskey findet aber nicht alles gut, was Trump tut. „Ich bin absolut dafür, Amerika wieder groß zu machen“, sagt der junge Mann. Nur, dass man dieser Tage kaum mehr Kritik an Trumps Entscheidungen üben darf, findet er falsch. Damit ist er hier in Warren ein Einzelfall. Viele wiegeln ab, wenn es um die Wirtschaft geht: Das renke sich schon wieder ein. Und es seien ja auch erst hundert Tage gewesen.

„Transgender-Wahnsinn“ und „alter Mann“ Biden

Trump bedient in seiner eineinhalb Stunden langen Rede wie üblich alle Themen: Er schimpft auf den „Transgender-Wahnsinn“, den er beendet habe, die demokratische Verschwendung in Washington, die er aufgedeckt habe, die Fake-Medien, die ihn absichtlich schlecht darstellten. Außerdem verwendet er fünf Minuten darauf, sich über seinen Vorgänger Joe Biden lustig zu machen. Das Publikum johlt bei seiner Geschichte über den „alten Mann“, der am Strand angeblich immer geschlafen habe. An dieser Stelle erwähnt Trump die Ukraine das einzige Mal: Anders als Biden schlafe er nämlich nie sofort ein, sondern grübele über Dinge wie das Ende des Ukrainekrieges. Die Außenpolitik spielt ansonsten keine Rolle in Trumps Siegesrede zu hundert Tagen im Amt; allein China wird im Zusammenhang mit den Zöllen mehrfach genannt.

Nach der ersten halben Stunde seiner Rede beginnen die ersten Zuschauer zu gehen. Doch das käme für Kimberly nicht in Frage. Ihr steigen Tränen in die Augen, als sie erzählt, dass sie Trump heute das erste Mal mit eigenen Augen sieht. Die 66 Jahre alte Frau kommt aus der Gegend und produziert Innenausstattungen und Ersatzteile für Chrysler. Bis 2016 war Kimberly Demokratin, stimmte zweimal für Barack Obama. Dann passierte „Hillary“, wie sie sagt. Seither wählt sie Trump. Die Demokraten erkennt Kimberly nach eigener Aussage nicht wieder. „Sie werfen mit Beleidigungen um sich und zünden Teslas an“, sagt sie. Trump schimpfe auch, aber „nicht so respektlos“. Während seiner Rede lässt er an diesem Abend mit Gejohle darüber abstimmen, ob man Biden lieber „verschlafenen Joe“ oder „korrupten Joe“ nennen solle.

Am Ende ist Kimberly das egal. Sie sagt, Politiker hätten ihr ein ganzes Leben lang falsche Versprechen gemacht. „Aber Trump hat in hundert Tagen mehr geschafft als Joe Biden in vier Jahren.“ Sie habe einem Präsidenten noch nie in so vielem zugestimmt. Dafür nimmt Kimberly das „ganze Paket“ in Kauf. Nur mit dem schnellen Ende des Ukrainekrieges sei Trump ein wenig vorschnell gewesen. Kimberly hat ukrainische Freunde und russische und polnische Wurzeln, deswegen ist ihr das Thema wichtig. Aber noch hofft sie. „Wir haben ja noch drei Jahre.“