Pakistan geht nach eigenen Angaben davon aus, dass ein indischer Angriff auf das Land kurz bevorsteht. Man habe „glaubhafte Geheimdienstinformationen, wonach Indien beabsichtigt, in den nächsten 24 bis 36 Stunden eine Militäraktion gegen Pakistan auszuführen“, sagte Informationsminister Attaullah Tarar in einer Videobotschaft, die am Mittwoch kurz nach Mitternacht an Journalisten verschickt wurde.
Hintergrund ist der Terrorangriff auf indische Touristen in Pahalgam im indischen Teil Kaschmirs, bei dem vergangene Woche 26 Personen getötet wurden. Indien beschuldigt Pakistan, mit den Angreifern in Verbindung zu stehen, hat dafür aber bislang unter Verweis auf Gründe der nationalen Sicherheit keine Beweise vorgelegt.
Neu Delhi steht unter Druck
Indiens Ministerpräsident Narendra Modi hatte den Streitkräften am Dienstag die „vollständige operative Freiheit“ für einen Militärschlag auf Pakistan erteilt. Zuvor hatte er sich mit Verteidigungsminister Rajnath Singh, dem Nationalen Sicherheitsberater Ajit Doval und der Militärführung über die Optionen für mögliche Vergeltungsschläge ausgetauscht, wie die indische Presse berichtete. Eine anonyme Regierungsquelle sagte der Zeitung „The Indian Express“, Modi habe dem Militär die „vollkommene operative Freiheit bei der Entscheidung über die Art und Weise, die Ziele und den Zeitpunkt unserer Antwort auf den Terrorangriff auf Zivilisten in Kaschmir“ gegeben.
Die Regierung in Neu Delhi steht unter Druck, nach dem Terroranschlag in Kaschmir Stärke zu zeigen. Gemessen wird sie an den Vergeltungsangriffen, die Indien nach den Terroranschlägen auf indische Militäreinheiten in Uri 2016 und in Pulwama 2019 ausgeführt hat. Indische Kommentatoren vermuten, dass die Modi-Regierung es sich nicht leisten könne, hinter diesen Einsätzen zurückzubleiben. Als mögliche Optionen werden begrenzte Luftangriffe mit Drohnen oder Kampfflugzeugen und ein militärisches Eindringen auf pakistanisch verwaltetes Gebiet genannt.
Indien könnte nach Einschätzung der Kommentatoren bemüht sein, die Aktionen so zu kalibrieren, dass eine weitere Eskalation bis hin zu einem Krieg vermieden würde. Wie schwierig dies ist, hatten etwa die begrenzten Lufteinsätze gezeigt, mit denen Indien 2019 mutmaßliche Terrorcamps im pakistanischen Balakot angegriffen hatte. In der Folge hatte Pakistan ein indisches Kampfflugzeug abgeschossen und den Piloten für mehrere Tage in Haft genommen.
Strafmaßnahmen gegen Pakistan
Unmittelbar nach dem Terrorangriff in Pahalgam vom 22. April hatte Indien bereits Strafmaßnahmen gegen Pakistan verhängt. So hat es ein gemeinsames Abkommen über die Nutzung des Indus und seiner Nebenflüsse vorübergehend ausgesetzt, die Ausweisung aller in Indien befindlicher Pakistaner angeordnet und das diplomatische Personal an den jeweiligen Botschaften der beiden Länder in Islamabad und Neu Delhi reduziert. „The Indian Express“ zufolge haben seither 787 pakistanische Staatsbürger Indien über den Attari-Wagah-Grenzübergang verlassen. Islamabad sperrte seinerseits den pakistanischen Luftraum für indische Flugzeuge, stellte den bilateralen Handel ein und verwies ebenfalls alle indischen Staatsbürger des Landes.
Die Region Kaschmir ist seit der Unabhängigkeit des ehemaligen Britisch-Indiens in einen von Pakistan und einen von Indien kontrollierten Teil geteilt. Beide Länder erheben aber Anspruch auf das gesamte Gebiet. In der Vergangenheit hat Pakistan militante Gruppen unterstützt, die für eine Unabhängigkeit Kaschmirs oder einen vollständigen Anschluss an Pakistan kämpften. Dazu zählte auch die Gruppe Lashkar-e-Taiba, die indische Sicherheitsfachleute hinter dem Angriff von Pahalgam vermuten. Sie wurde 2002 in Pakistan verboten, bestand aber unter anderen Namen fort.
Die Gruppe wird auch für den verheerenden Terrorangriff von 2008 in Mumbai mit 166 Toten verantwortlich gemacht. Ermittlungen in Pakistan bestätigten damals, dass der Angriff in Pakistan geplant und beteiligte Terroristen der Lashkar-e-Taiba in Pakistan ausgebildet wurden.