Die Bundesnetzagentur hat am Mittwoch die Szenariorahmen Strom sowie Gas beziehungsweise Wasserstoff genehmigt. Die Szenarien bilden die Grundlage für die weitere Planung der jeweiligen Netze. Sie ermöglichten damit „einen gesamtheitlichen Ausblick auf die bedeutsamen Energieinfrastrukturen Deutschlands“, sagte Behördenchef Klaus Müller.
Jeweils drei Szenarien zeigen die mögliche Entwicklungen bis zum Jahr 2037 beziehungsweise 2045 auf. Sie bilden also ab, wie und in welcher Geschwindigkeit sich der weitere Umbau des Stromsystems vollziehen könnte. Zuletzt hatte es vielfach Forderungen gegeben, den prognostizierten Stromverbrauch nach unten zu korrigieren, damit die Netze nicht ganz so stark ausgebaut werden müssen wie geplant.
In den eher vorsichtig gerechneten A-Szenarien nimmt die Netzagentur nun tatsächlich einen deutlich geringeren Stromverbrauch sowie einen verzögerten Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland an. Im Gegenzug wird verhältnismäßig viel Wasserstoff aus dem Ausland importiert. Die B-Szenarien bilden einen Mittelweg ab, die C-Szenarien den „ambitioniertesten Umbau des Energiesystems“. Hier wird die „größtmögliche Elektrifizierung über alle Sektoren“ sowie ein starker Ausbau der heimischen Elektrolysekapazität zur Produktion von grünem Wasserstoff angenommen. Die erneuerbaren Energien werden am stärksten ausgebaut und der Stromverbrauch steigt stark an.
Konkret wird angenommen, dass die installierte Leistung von PV-Anlagen von heute 100 auf 270 bis 380 Gigawatt im Jahr 2037 ansteigen könnte. Die Wind-Onshore-Kapazität steigt von heute 63 auf 127 bis 158 Gigawatt, die der Windräder auf See von heute 9 auf 50 bis 56 Gigawatt. Ein starker Ausbau der erneuerbaren Energien ist nötig, um den steigenden Stromverbrauch zu bewältigen. Dieser könnte 2037 zwischen 775 und 994 Gigawatt liegen, schätzt die Netzagentur, und sich somit etwa verdoppeln.
Die Nachfrage wird durch die zunehmende Elektrifizierung von Verkehr und Gebäuden sowie die Wasserstofferzeugung getrieben. Die Netzagentur geht von 28 bis 38 Millionen Elektroautos in 2037 sowie 8 bis 10 Millionen Wärmepumpen in 2037. Die Elektrolyse-Kapazität reicht von möglichen 20 bis 42 Gigawatt, umfasst also eine riesige Spanne. Zum ersten Mal gebe es zudem gemeinsame Annahmen zu Standorten von Kraftwerken und Elektrolyseuren, wodurch es eine einheitliche Planungsgrundlage für Strom und Gas beziehungsweise Wasserstoff gebe, so die Behörde.
Netzbetreiber arbeiten an konkreten Ausbauplänen
Die Behörde möchte jedoch keines der Szenarien bewusst als besonders realistisch hervorheben. „Die gewählte Bandbreite der Szenarien erlaubt es uns, in der Netzentwicklungsplanung auch die Auswirkungen verschiedener energiepolitischer Entscheidungen auf dem Weg zu einem klimaneutralen Energiesystem in Deutschland zu berücksichtigen“, sagte Müller, und verwies unter anderem auf das 100-Tage-Programm der künftigen schwarz-roten Bundesregierung. Im Koalitionsvertrag kündigt diese außerdem ein umfassendes Monitoring an, mit dem bis zum Sommer der aktuelle Stand der Versorgungssicherheit, des Netzausbaus, des Ausbaus der erneuerbaren Energien und des Wasserstoffhochlaufs überprüft werden sollen.
Auf der Grundlage des nun genehmigten Szenariorahmens erarbeiten die vier Stromübertragungsnetzbetreiber sowie die Gasfernleitungsbetreiber nun in den kommenden zehn Monaten ihre Netzentwicklungspläne. Darin wird festgelegt, welche Strom- und Gasleitungen genau verstärkt oder neu gebaut werden. Die Netzentwicklungspläne werden in der Regel alle zwei Jahre aktualisiert.