Microsoft kündigt große Europa-Expansion an

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Der amerikanische Softwarekonzern Microsoft will seine europäischen Rechenzentren-Kapazitäten binnen zwei Jahren um 40 Prozent ausbauen. Das kündigte Brad Smith, Microsofts stellvertretender Vorsitzender, am Mittwoch in einem Blogbeitrag an. In 16 europäischen Ländern baue der Konzern seine Infrastruktur aus. Dazu gehöre auch Deutschland, teilte Microsoft auf Nachfrage mit.

Wie Elektrizität stellten Künstliche Intelligenz (KI) und Cloud-Rechenzentren die nächste Stufe der Industrialisierung dar, schreibt Smith. Zusammen mit schon begonnenen Ausbauprojekten werde die Kapazität so zwischen den Jahren 2023 und 2027 verdoppelt. Das würde in mehr als 200 Rechenzentren auf dem Kontinent resultieren.

Microsoft versucht mit der Expansion Diskussionen entgegenzuwirken, die mit dem Beginn der zweiten Präsidentschaft Donald Trumps deutlich schärfer geworden sind. Politiker aus allen Lagern fordern, dass Europa unabhängiger von amerikanischen Digitalkonzernen werden müsse. Und viele europäische Kunden schauen sich nach Alternativen um, weil sie sich Sorgen um die Verlässlichkeit der amerikanischen Anbieter machen. Was, wenn Trump in einem Streit mit der EU Microsoft, Google oder Amazon plötzlich zwingt, ihre Dienste hierzulande abzuschalten?

Angesichts der „geopolitischen Volatilität“ sei Microsoft bewusst, dass europäische Regierungen sich Gedanken um Cloudalternativen machen würden, schreibt Smith, womöglich auch mit staatlicher Unterstützung. „Wir sind uns der Bedeutung eines breit gefächerten Ökosystems bewusst und setzen uns für die Zusammenarbeit mit europäischen Teilnehmern des gesamten Ökosystems ein“, schreibt Smith.

Streit um „souveräne“ Cloudangebote

Smith verweist in seinem Blogbeitrag zudem auf die „souveränen“ Cloudangebote, die neben Microsoft in ähnlicher Form auch die Konkurrenten Google und Amazon anbieten. In Frankreich arbeitet Microsoft dafür etwa mit Capgemini und Orange, in Deutschland unter dem Namen Delos mit SAP. Besonders die öffentliche Verwaltung soll Delos nutzen. SAP nutzt dafür zwar die Technologie von Microsoft, betont aber, dass die Infrastruktur komplett SAP gehöre.

„Wir sind technisch autark, ohne Verbindung zu Microsoft“, sagte SAP-Vorstand Thomas Saueressig der F.A.Z. im Februar. Microsoft-Updates würden zusammen mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) auf potentielle Sicherheitslücken oder Hintertüren überprüft. Allerdings bezweifeln Kritiker, dass das BSI wirklich die Kapazitäten dafür hat. Und wenn Microsoft überhaupt keine Updates mehr liefern würde, wäre auch die Delos-Cloud nach einigen Monaten nicht mehr arbeitsfähig, argumentieren die Kritiker.

Microsoft-Vizechef Smith versucht solche Bedenken aus dem Weg zu räumen und betont, dass Microsoft an seinem Geschäft in Europa festhalte. „Für den unwahrscheinlichen Fall, dass wir jemals von einer Regierung irgendwo auf der Welt angewiesen werden, den Cloud-Betrieb in Europa auszusetzen oder einzustellen“ verpflichte sich Microsoft, „eine solche Maßnahme unverzüglich und energisch mit allen zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln“ anzufechten. Dieses Versprechen will Microsoft auch in Verträgen mit europäischen Regierungen oder der EU-Kommission festhalten. Der Softwarekonzern werde zudem Sicherungskopien seines Codes in der Schweiz hinterlegen, auf die europäische Partner im Fall der Fälle Zugriff hätten.

Anderer Ton als Zuckerberg

„Wie jeder Bürger und jedes Unternehmen sind auch wir nicht immer mit jeder Maßnahme jeder Regierung einverstanden“, schreibt Smith. „Aber selbst wenn wir Fälle vor europäischen Gerichten verloren haben, hat Microsoft seit langem die europäischen Gesetze respektiert und befolgt.“

Das ist ein deutlich anderer Ton als von anderen Technologieunternehmen. Der Chef von Meta, Mark Zuckerberg, hatte nach einem Bericht des „Wall Street Journals“ noch im März bei der US-Regierung um „aggressive“ Unterstützung gebeten, um etwaige EU-Strafen abzuwenden. Der iPhone-Konzern Apple sprach nach einer von der EU verhängten Strafe über 500 Millionen Euro von einem „weiteren Beispiel dafür, dass die Kommission das Unternehmen in unfairer Weise ins Visier“ nehme und zwinge, Technologie kostenlos abzugeben. „Die Europäische Kommission versucht, erfolgreiche amerikanische Unternehmen zu behindern, während sie chinesischen und europäischen Unternehmen erlaubt, nach anderen Standards zu arbeiten“, sagte Metas Vorstand für globale Angelegenheiten, Joel Kaplan, diesbezüglich.

Microsoft positioniert sich dagegen im Beitrag Smiths als „Stimme der Vernunft“ in Washington, die sich für gemeinsame Chancen und stabile transatlantische Beziehungen einsetze. Microsoft wisse, dass die langjährige Präsenz in Europa essentiell für seinen Erfolg war. „Europa hat uns gut behandelt. Unsere Unterstützung für Europa war immer unerschütterlich – und wird es immer sein“, schließt Smith.