Der hessische Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori (SPD) hat nach einem Besuch am Opel-Stammsitz in Rüsselsheim „eine Perspektive für den Standort“ gefordert. „Wir stehen hinter den Beschäftigten, wir wissen, was die Kolleginnen und Kollegen bei Opel jetzt seit Jahrzehnten, teils in der dritten, vierten, fünften Generation in Rüsselsheim für die ganze Region leisten“, sagte der Minister am Freitag nach einem Auftritt auf einer Betriebsversammlung im Opel-Werk. „Und wir stehen auch mit Ideen zur Verfügung, wie wir die Industrie in Hessen konkurrenzfähig und zukunftsfähig aufstellen können.“ Nötig seien niedrigere Strompreise und ein Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos.
Im Rüsselsheimer Werk wird seit Anfang dieser Woche nur noch eine Schicht gefahren, nachdem in der ersten Dezemberwoche die Bänder komplett stillgestanden hatten. Letzteres begründete das Unternehmen mit der Umstellung der Arbeitsprozesse auf „neue, flexible Schichtmodelle“. Der Einschichtbetrieb sei vorerst bis Ende Januar geplant. Die Gewerkschaft IG Metall befürchtet, dass ein längerer Verzicht auf die zweite Schicht dazu führen könnte, dass weitere Leiharbeiter gehen müssen, nachdem etwa 200 bereits im Oktober abgemeldet worden seien. Mindestens 400 Leiharbeiter gebe es derzeit noch im Opelwerk Rüsselsheim, sagte der Erste Bevollmächtigte der IG Metall in Darmstadt, Daniel Bremm, der F.A.Z. Zum Teil seien sie extra aus dem Ausland angeworben worden. „Und die Frage ist auch, was mit den befristet Beschäftigten passiert.“ Entsprechend „emotional“ sei die Betriebsversammlung verlaufen.
Astra und DS4 laufen in Rüsselsheim vom Band
Mansoori verwies auf Forderungen des Betriebsrats nach „einem volumenstarken Modell hier für den Standort“. In Rüsselsheim wird der Opel Astra produziert, außerdem der DS 4, ein Modell der französischen Marke DS Automobiles, die wie Opel zum Stellantis-Konzern gehört. Obwohl der Absatz von E-Autos bei Opel nach Abschaffung der staatlichen Kaufprämie Ende 2023 wie auch bei anderen Herstellern eingebrochen ist, verkaufte sich der Astra über alle Antriebsformen hinweg jedenfalls in Deutschland gut: Von Januar bis November wurden laut Kraftfahrzeugbundesamt fast 45.000 neue Astras zugelassen, gut doppelt so viele wie im Vorjahreszeitraum. Gleichwohl wäre für eine dauerhaft hohe Auslastung wohl ein weiteres Modell nötig, sagte Bremm.
Mit Blick auf den laufenden Stellenabbau – in der aktuellen Abfindungsrunde geht es um 1000 Arbeitsplätze – warnte Minister Mansoori vor weiteren Einsparungen im Rüsselsheimer Entwicklungszentrum. „Ein Abbau bei Zukunftsbereichen wie der Entwicklung der Brennstoffzelle muss unbedingt vermieden werden. Es darf auch keine Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland erfolgen. Das Engineering in Rüsselsheim muss abgesichert sein“, schrieb das Wirtschaftsministerium in einer Pressemitteilung.
Stellantis hat Ende Januar mit der Serienproduktion von Transportern begonnen, die mit Wasserstoff fahren. Trotz dieses Erfolgs für die Brennstoffzellen-Entwickler in Rüsselsheim werden auch in dieser Abteilung Stellen abgebaut, wie ein Ingenieur am Freitagmorgen auf dem Weg zur Betriebsversammlung berichtete. Er äußerte die Befürchtung, Rüsselsheim werde es angesichts der seit Jahren schrumpfenden Belegschaft immer seltener gelingen, im Wettbewerb mit anderen Entwicklungszentren im Konzern Projekte an Land zu ziehen: „Je weniger wir sind, desto weniger können wir machen.“ Inzwischen denke er deshalb selbst darüber nach, gegen eine Abfindung seinen Arbeitsplatz aufzugeben, sagte der 56 Jahre alte Mann.
Nicht viele Opel-Beschäftigte gehen freiwillig
Das Abfindungsprogramm geht auf eine Vereinbarung des Unternehmens mit dem Betriebsrat von 2020 zurück. Damals wurde festgelegt, dass Stellantis über ein Freiwilligenprogramm in mehreren Schritten Stellen abbauen kann, wenn dafür Beschäftigungsgarantien für die verbleibende Belegschaft verlängert werden. Allerdings fanden sich zuletzt offenbar nicht so viele Beschäftigte wie erhofft dazu bereit, gegen Zahlung einer Abfindung auszuscheiden. Deshalb wurde eine Sonderprämie eingeführt für Beschäftigte, die sich bis 10. Januar für einen Ausstieg entscheiden.
2017, als Opel vom Stellantis-Vorgängerunternehmen PSA übernommen wurde, arbeiteten in Rüsselsheim noch etwa 15.000 Menschen. Heute sind es laut IG Metall weniger als 8000. Die Opel-Pressestelle nennt auf Anfragen stets die Zahl 8300, die allerdings den Stand vor einem Jahr widerspiegele. Aktuelle Zahlen will die Pressestelle erst zum Jahreswechsel bekannt geben.