ESA-Mission: Wozu der neue Satellit “Biomass” gebraucht wird

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Stand: 30.04.2025 15:53 Uhr

Seit Dienstag umkreist ein besonderer Satellit die Erde. “Biomass” soll Wälder, ihren Kohlenstoffkreislauf und deren CO2-Menge erfassen. Fokus liegt auf den tropischen Regenwäldern.

Wälder bedecken etwa ein Drittel der eisfreien Landfläche der Erde. Doch obwohl die Forschung davon ausgeht, dass Waldgebiete die zweitgrößten Kohlenstoffspeicher des Planeten nach den Ozeanen sind, ist die tatsächliche Funktion der einzelnen Waldflächen im Klimawandel bislang unbekannt.

Um das herauszufinden, nutzt der ESA-Satellit Biomass erstmals ein langwelliges P-Band Radar. Aus einer Höhe von 666 km wird er die Menge und Verteilung der Biomasse in den Wäldern vermessen. Gesteuert wird die Mission vom Kontrollzentrum ESOC in Darmstadt aus.

Entscheidende Daten zur Rolle der Wälder

Intakte Wälder absorbieren aus der Atmosphäre jährlich rund acht Milliarden Tonnen CO2. Schädigen Trockenheit, Brände oder Rodungen ein Waldgebiet, wird der Kohlenstoff wieder freigesetzt und heizt den Klimawandel an.

Michael Fehringer ist Programmleiter bei der ESA und erklärt, warum die Biomass-Mission zur Rolle der Wälder entscheidende Daten liefert: “Man weiß sehr genau, wieviel CO2 in die Luft emittiert wird, und unser Ziel ist zu sehen, wo dieses CO2 hinwandert. Wir messen deshalb die Biomasse in den Wäldern. Eine Tonne Holz besteht zu 50 Prozent aus Kohlenstoff.”

Die globale Biomasse ist vor allem in Wäldern gebunden. Dabei liegt der Fokus der Mission auf dem tropischen Regenwald, der nach Schätzungen vier- bis fünfhundert Tonnen Kohlenstoff pro Hektar speichern kann. Sein Gebiet umfasst global 18 Millionen Quadratkilometer und damit etwa die 50-fache Fläche Deutschlands. Doch durch Trockenheit, Waldbrände und Rodungen verändern sich die Urwälder rasant. Allein 2023 verschwanden laut Waldzustandsbericht weltweit Waldflächen von der Größe Lettlands, deshalb wird Biomass auch das Monitoring zu Waldschäden liefern, zu denen verlässliche Daten bislang fehlen.

Biomasse als Rechengröße für Klimamodelle

Die Informationen der Messkampagne sollen Rückschlüsse auf Waldgebiete in anderen Weltregionen zulassen und Klimaforschern ein realitätsgetreueres Bild von der globalen Speicherkapazität ermöglichen.

Der Satellitenradar durchdringt dafür das Blätterdach bis zum Waldboden. Tobias Benedikt Hank forscht am Department für Geographie an der Universität München und erwartet, dass die Mission auch seine Modelle verbessert. “Wir haben ungefähr 450 Gigatonnen an Kohlenstoff in der Vegetation gespeichert, aber wissen nicht so genau, wo, weil die Landoberfläche so heterogen ist. Das kann man vom Satelliten aus messen.”

Die Daten der Biomass-Mission soll Klimaforschern auch mehr Aufschluss über Themen wie Bodenfeuchte, Permafrost oder Gletschermonitoring geben.

Mehrtägige Testphase

Biomass ist am 29. April vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guyana mit einer Vega-C-Rakete ins All gestartet und hat seine Solarpaneele ausgefahren, die seine Komponenten mit Strom versorgen. In den folgenden Tagen testet das Kontrollzentrum ESOC die technischen Funktionen und Signale des Satelliten.

“Im Vorfeld wurden Flugzeug-Messkampagnen mit dem System durchgeführt, um valide Referenzdaten zu erstellen und auch den Softwaresimulator zu generieren”, erklärt Godela Roßner vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Sie setzt darauf, dass die Mission die Erwartungen erfüllt im Rahmen des Pariser Weltklimaabkommens und weiterer internationaler Verträge und einen Beitrag zum besseren Schutz der Urwälder liefert.

Technische Innovationen für die europäische Raumfahrt

Ein wichtiges Ziel der ESA ist auch, mit dem neuen Satelliten innovative Technologien zu erproben und die Position Europas in der internationalen Raumfahrt zu stärken. Das Institut für Hochfrequenztechnik und Radarsysteme des DLR in Oberpfaffenhofen und zahlreiche Unternehmen wie Airbus Space and Defence haben Systeme und Komponenten entwickelt, beispielsweise neuartige Transistoren auf Basis von Galliumnitrid-Halbleitern. Sie sind temperaturbeständiger als herkömmliche Bauteile und sollen im benötigten Frequenzbereich eine zehnmal höhere Ausgangsleistung aufweisen.

Die faltbare Radarantenne mit einem Durchmesser von zwölf Metern soll erstmals eine hochauflösende Abschätzung im Bereich eines 200 Meter Rasters aus dem All ermöglichen. Allein die Größe erforderte eine komplexe Konstruktion. Um aus den Signalen valide Daten zu generieren, sind beispielsweise das Helmholtz Zentrum für Umweltwissenschaften in Leipzig und das Max-Planck-Institut für Biogeochemie der Universität Jena beteiligt. Sie informieren im eigens gegründeten Projektbüro Biomass über Neuigkeiten zu der 500 Millionen Euro teuren ESA-Mission.