Nach Blackout in Spanien Debatte über Ökostrom

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Nach dem historischen Stromausfall hat die spanische Regierung den Druck auf die Netzbetreiber und Stromversorger erhöht. Noch am Mittwoch sollten sie alle verfügbaren Daten über den mehr als neun Stunden dauernden Blackout vorlegen, der auch Portugal betraf. Auch am Mittwoch war die Ursache des Vorfalls unklar, der 60 Millionen Menschen ohne Strom und weitgehend ohne Internet ließ.

Man werde „Millisekunde für Millisekunde“ rekonstruieren, was passiert sei, versprach die Präsidentin des Netzbetreibers Red Eléctrica, Beatriz Corredor. „Wir haben das beste System Europas“, sagte sie und wies Forderungen nach einem Rücktritt zurück. Am Mittwoch tagten Kabinett und nationaler Sicherheitsrat ein weiteres Mal. Am Nachmittag trat zum ersten Mal die von der Regierung eingesetzte neue Untersuchungskommission zusammen.

In Spanien löste der Vorfall eine Debatte über die Verlässlichkeit von Ökostrom und den geplanten Atomausstieg ausgelöst. Am Dienstag hatte Red Eléctrica einen Cyberangriff ausgeschlossen und es als „sehr wahrscheinlich“ bezeichnet, dass der Ausfall nach starken Schwankungen im Netz seinen Anfang in Solaranlagen in der Extremadura-Region an der Grenze zu Portugal genommen haben könnte.

„Wir wollen keiner Theorie Vorschub leisten“

Sowohl der Netzbetreiber als auch die spanische Regierung verteidigten am Mittwoch die Energiewende. „Den Vorfall vom Montag mit den erneuerbaren Energien in Verbindung zu bringen, ist nicht korrekt“, sagte Beatriz Corredor. Das sagte auch Umweltministerin Sara Aagesen. Am Mittwoch funktioniere die Stromversorgung mit einem ähnlichen Energiemix wie am Montag „perfekt“, sagte sie. Mit Blick auf die Ursache fügte sie hinzu: „Wir wollen keiner Theorie Vorschub leisten.“

Für die rechte Opposition zeigte der Ausfall, dass Spanien auf den geplanten Atomausstieg verzichten könne. Angesichts der Schwankungen bei den erneuerbaren Energiequellen brauche man die fünf Kernkraftwerke, die „grünen“ emissionsfreien Strom produzierten als eine Reserve. Auch die rechtspopulistische Vox-Partei, aber auch die katalanischen Separatisten der Junts- und ERC-Partei setzen sich deshalb schon seit Monaten für längere Laufzeiten ein. Nach deutschem Vorbild sollen die insgesamt sieben Reaktoren in Spanien schrittweise von 2027 an bis 2035 ihren Betrieb einstellen.

Totenzahl steigt

Am Montag waren drei Anlagen nicht am Netz, da genug Ökostrom zur Verfügung stand – vor allem aus Fotovoltaikanlagen, deren Anteil am Strommix schnell wächst. Am 16. April war der Strombedarf Spaniens zu hundert Prozent aus erneuerbaren Quellen gedeckt worden, deren Beitrag zur Stromversorgung schwankt jedoch stark, je nachdem, ob die Sonne scheint und genug Wind weht. Einige Fachleute kritisierten, dass in Spanien die möglichen technischen Voraussetzungen, um solche Schwankungen auszugleichen, nicht rechtzeitig geschaffen wurden.

Die Zahl der Menschen, die möglicherweise infolge des Stromausfalls starben, erhöhte sich unterdessen weiter. In Kastilien-León wird der Tod eines Patienten untersucht, dessen häusliches Beatmungssystem ausgefallen sein soll. In Galicien im Norden werden sechs Todesfälle mit dem Blackout in Verbindung gebracht. Drei ältere Mitglieder einer Familie erlitten laut Presseberichten eine Kohlenmonoxid-Vergiftung in ihrer Wohnung. Dort hatten sie einen Generator verwendet. In Madrid kam ein Mann bei einem Wohnungsbrand ums Leben, den eine Kerze ausgelöst haben könnte. Erst am Mittwoch kehrten die letzten Fahrgäste zurück, die in Zügen festgesessen oder ihre Weiterreise nicht antreten konnten. Mehr als 48.000 Passagiere des staatlichen Eisenbahnunternehmens Renfe waren nach dessen Angaben betroffen.