Euroraum: Wachstumsaufhellung vor dem Zollschock

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Kurz vor dem amerikanischen Zollschock im April hat das Wirtschaftswachstum in Deutschland und im Euroraum Fahrt aufgenommen. Nach den vorläufigen Angaben der Statistiker legte das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Deutschland im Zeitraum von Januar bis März um 0,2 Prozent gegenüber dem Vorquartal zu. Am Jahresende 2024 war die deutsche Wirtschaftsleistung noch geschrumpft. Für den Euroraum nannte Eurostat, das statistische Amt der Europäischen Union, eine Wachstumsrate von 0,4 Prozent, doppelt so schnell wie zuvor. Im April hatte der amerikanische Präsident Donald Trump einen generellen Einfuhrzoll auf europäische Waren von 20 Prozent verhängt, den er dann vorerst auf 10 Prozent absenkte. Ökonomen erwarten, dass die Zölle vom Frühjahr an das Wachstum in Deutschland und im Euroraum spürbar drücken werden.

Mit dem moderaten BIP-Zuwachs in Deutschland setzt die seit 2022 andauernde Wellblechkonjunktur sich fort: Quartale der Schrumpfung wechseln sich mit Quartalen des schwachen Wachstums ab. Am Jahresbeginn trugen nach Angaben der Statistiker vor allem der private Konsum und die Investitionen zum Wachstum bei. Auf Seiten der Konsumenten dürften dazu die sinkende Inflation und die steigenden Reallöhne beigetragen haben. Im ersten Quartal hatte die Inflationsrate sich um 2,3 Prozent stabilisiert und war im April nach vorläufigen Angaben auf 2,1 Prozent gesunken. Nähere Details über die Zusammensetzung des Wachstums am Jahresbeginn wird das Statistische Bundesamt erst gegen Ende Mai veröffentlichen.

Bankvolkswirte werteten die Zahlen für Deutschland nicht als Signal für eine beginnende Erholung, sondern als weiteren Beleg für eine sich dahinschleppende Konjunktur. „Deutschland bleibt in der Stagnation gefangen“, kommentierte der Chefvolkswirt der ING, Carsten Brzeski. Das Risiko, dass die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr abermals leicht schrumpfe, bleibe bestehen. Im ersten Quartal lag das reale BIP 0,2 Prozent niedriger als vor einem Jahr.

Kein Zoll-bedingter Ausfuhrschub

Positive Impulse aus der absehbar lockeren Finanz- und Schuldenpolitik der neuen Bundesregierung werden erst für das kommende Jahr erwartet. Wie sehr die Aussicht auf Sonderabschreibungen die privaten Investitionen anschieben wird, ist ungewiss. Als größtes Risiko für die deutsche Wirtschaft gelten vorerst die Einfuhrzölle von Trump.

Während in den Vereinigten Staaten im Vorgriff auf die Zölle die Einfuhr im ersten Quartal drastisch stieg – und das Wachstum so rechnerisch ins Minus drückte – gibt es in Europa wenig Anzeichen für einen zoll-bedingten Ausfuhrschub am Jahresbeginn. Die Hoffnung mancher, dass im Vorgriff auf die amerikanischen Einfuhrzölle ein stärkerer Export in die USA das Wachstum hierzulande gestärkt haben, scheint sich bislang nicht erfüllt zu haben.

Für Deutschland hat das Statistische Bundesamt für das erste Quartal noch keine Details über die Exportentwicklung veröffentlicht. Im Februar hatten die nominalen deutschen Exporte Richtung USA deutlich gegenüber dem Vormonat zugelegt; Daten für März liegen noch nicht vor. Von der F.A.Z. befragte Ökonomen zögern, daraus schon eine Sonderbewegung und einen Zoll-bedingten konjunkturellen Anschub abzuleiten. Im vergangenen Jahr war der deutsche Export zuletzt deutlich zurückgegangen.

Schwaches Wachstum in den kommenden sechs Monaten

Auch in anderen Staaten des Euroraums ist in den gesamtwirtschaftlichen Zahlen von der Vorbereitung auf die Trumpschen Zölle wenig zu sehen. In Irland, dessen Wirtschaft im ersten Quartal um 3,2 Prozent gegenüber dem Vorquartal wuchs, scheint der Export Richtung Amerika der Wirtschaft geholfen zu haben. In Frankreich und Spanien aber ging der Güterexport zurück. Die italienischen Statistiker berichteten, dass der Nettoexport gesunken sei. „Mit Ausnahme von Irland war ein Anschub im Angriff auf die amerikanischen Zölle wahrscheinlich klein“, kommentierte Franziska Palmas von Capital Economics. Sie erwartet wie viele Ökonomen, dass das Wachstum sich in den kommenden sechs Monaten deutlich abschwächen werde, vor allem als Folge der amerikanischen Importzölle.

Spanien blieb am Jahresbeginn der Wachstumsspitzenreiter unter den großen Eurostaaten mit einem Plus des realen Bruttoinlandsprodukt um 0,6 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Neben Deutschland erreichten auch Frankreich und Italien eine Verbesserung des Wachstums. Frankreich meldete ein kaum wahrnehmbares Wachstum von 0,1 Prozent, nachdem die Wirtschaft wie in Deutschland am Jahresende 2024 noch geschrumpft war. In Italien erhöhte die Wachstumsrate sich am Jahresbeginn von 0,2 auf 0,3 Prozent.