Die amerikanischen Begehrlichkeiten an den Mineralien in ukrainischer Erde hat auch Präsident Wolodymyr Selenskyj geweckt. Er präsentierte seinen internationalen Partnern im Oktober 2024 einen „Siegesplan“, der vor allem aus Forderungen nach Waffen und Unterstützung bestand. Um an amerikanische Interessen zu appellieren, stellte er auch mögliche Gegenleistungen in Aussicht: Die künftige Beteiligung der ukrainischen Armee am Schutz der NATO-Ostflanke – auch anstelle von US-Soldaten – und eben den Zugriff auf ukrainische Rohstoffe. Offenbar konnte Selenskyj mit dem zweiten Vorschlag Trumps Aufmerksamkeit gewinnen. Schließlich möchte Washington seine Abhängigkeit von China drastisch reduzieren.
Trump versuchte dann auch unmittelbar auf seine Art, einen Deal zu schließen. Er setzte Selenskyj mit öffentlichen Herabsetzungen und Drohungen unter Druck. Die erste Version des Abkommens soll von Kiew die Rückzahlung vorheriger Hilfen in Höhe von 500 Milliarden Dollar enthalten haben, wenngleich die amerikanische Unterstützung niemals diese Summe erreicht hat. Im Anschluss dauerten die Verhandlungen an, bis sich beide Seiten auf eine aus ukrainischer Sicht deutlich entschärfte Version einigten.
Ein Zerwürfnis mit Folgen
Zu der geplanten Unterzeichnung der Rahmenvereinbarung im Weißen Haus kam es dann aber nicht. Denn unmittelbar vor dem Termin kam es zum öffentlichen Zerwürfnis zwischen Selenskyj und Trump und seinem Vizepräsidenten. Nach einer Pause ging das diplomatische Spiel von neuem los. Die Amerikaner legten abermals einen Entwurf mit ausbeuterischen Bedingungen vor. Die Verhandlungen dauerten an. Kiew war bemüht, das Abkommen zu entschärfen und eigene Prioritäten, etwa amerikanische Sicherheitsgarantien, hineinzuverhandeln. In den vergangenen Wochen gab es immer wieder Wortmeldungen, wonach die Unterzeichnung kurz bevorstehen könnte. Am Mittwoch dann reiste die ukrainische Wirtschaftsministerin für die Unterzeichnung des Abkommens nach Washington.

Die finale Version enthält keine Rückzahlung bereits erfolgter Hilfen. Beide Seiten einigten sich auf die Schaffung eines Wiederaufbau-Investmentfonds, der westliche Investitionen in ukrainische Rohstoffprojekte anziehen soll. Die Ressourcen selbst bleiben aber in ukrainischer Hand und Kiew entscheidet über die Förderorte.
War ein solcher Deal am Ende ein erfolgreicher Köder, um Trump an den Tisch zu bekommen? Ist es gelungen, die Amerikaner in die Verantwortung zu nehmen und in die Zukunft der Ukraine einzubinden? Viele schreiben amerikanischen Investitionen eine Schutzwirkung zu, obwohl vorherige Investments Russland weder 2014 noch 2022 von einer Aggression abgehalten haben. Andere verbinden mit dem Abkommen auch die Hoffnung, die Amerikaner würden sich für die Befreiung der besetzten ukrainischen Gebiete wegen der dortigen Bodenschätze engagieren. Tatsächlich aber machte auch Putin Trump Avancen, die Rohstoffe im russisch-besetzten Teil der Ukraine gemeinsam auszubeuten. Viele Ukrainer gehen davon aus, dass Trump eher mit Putin einen Deal schließen würde, als auf eine schwierige und nur bedingt realistische Rückeroberung zu setzen.
Abbau im Tagebau
Was könnte das Abkommen für die Ukraine bedeuten? Fachleuten zufolge dürfte das Interesse der Amerikaner eher langfristig-strategischer als kurzfristig-finanzieller Natur sein. China dominiert den Markt bei kritischen Rohstoffen. Die Amerikaner wollen ihre Abhängigkeit verringern und sind auf den Zugriff zu Lagerstätten angewiesen. Tatsächlich aber ist die Ausbeutung vieler kritischer Rohstoffe heute noch nicht profitabel. Das sagt auch Velta-Chef Andrij Brodskyj. „Das ist eher eine Investition in die Zukunft, wenn es in zehn oder fünfzehn Jahren profitabel ist.“

Velta fördert in Kirowohrad seit mehr als 15 Jahren Ilmenit, den Grundbaustein von Titan. Titan gilt innerhalb der kritischen Rohstoffe als vergleichsweise vorhersehbare Investition. Eigentlich aber möchte man das Ilmenit im großen Stil zu Titanmetall weiterverarbeiten. Durch diese Wertschöpfung wäre die Gewinnmarge deutlich höher. Doch wegen des Krieges ist das staatliche Werk in Saporischschja geschlossen, das Ilmenit eigentlich mit der sogenannten Kroll-Methode weiterverarbeitet. Velta hat eine eigene – nach eigenen Angaben viel effizientere – Methode entwickelt und möchte einen Weiterverarbeitungsstandort bauen. Doch während der Krieg andauert, sei es unmöglich, die Pläne umzusetzen. Wegen der Entflammbarkeit der Materialen herrschen strenge Auflagen für die metallurgische und chemische Industrie. Ein Raketentreffer könnte dramatische Folgen haben.
Künftig soll es aber das Ass im Ärmel von Velta sein. Der gesamte Wertschöpfungsprozess in einer Hand, anstatt die Rohstoffe zur Weiterverarbeitung nach China zu schicken. Der Tagebau liegt nur wenige hundert Kilometer von Dnipro entfernt. Velta gewinnt das Ilmenit aus dem Sand, nur etwa 27 Meter unter dem Meeresspiegel. Man könnte den Grundstoff auch aus größeren Tiefen aus Stein abbauen, doch das wäre weitaus teurer.
Sie bereiten sich auf das Kriegsende vor
Aktuell bereiten sie sich bei Velta auf das Kriegsende vor. Die Produktionsmengen erhöhen sie dabei schrittweise. Die Eimer, in denen sie die Chemikalien erhitzen, werden immer größer. Mit industrieller Massenproduktion hat das allerdings noch nichts zu tun. Die Weiterverarbeitung erfolgt im firmeneigenen Entwicklungszentrum. Der Ort erinnert ein wenig an die Schokoladenfabrik aus dem Roman von Roald Dahl. In dutzenden Räumen werden bunte Chemikalien in Reagenzgläsern geschwenkt, dazu kommen abenteuerliche Konstruktionen zur Weiterverarbeitung.
Es ist ein komplizierter chemischer Prozess, vieles davon geheim, noch dazu für Laien kaum zu verstehen. Entwicklungschef Viktor Troschilo brüstet sich damit, dass alle Abfallprodukte des Prozesses eine Verwendung finden. Etwa Eisenoxidgelb und Eisenoxidrot, die als Farbstoffe genutzt werden. Deshalb entstehe kaum Abfall. Am Ende des Produktionsprozesses steht das Titanpulver, in unterschiedlichen Zusammensetzungsformen. Unterschiedliche Abnehmer haben verschiedene Bedürfnisse. Für ein Hüftimplantat braucht es anderen Stoff als für eine Smartphonehülle. Grundsätzlich ist Titan leicht und stabil, zudem kann es hohen Temperaturen standhalten. Es wird in Luftfahrt und Militär verwendet, etwa für Flugzeugteile und Bremsen. Noch dazu ist es für den menschlichen Körper unbedenklich, viele Prothesen bestehen aus Titan.
Seit zwei Jahren arbeitet auch Velta an Entwicklungen in diesem Gebiet. In einem Industriegebiet in Dnipro produzieren sie Prothesen mit gigantischen 3D-Druckern. Die meisten Prothesen sind für ukrainische Soldaten gedacht, die im Krieg verwundet wurden. Der Krieg produziert Frakturen in Endlosschleife, die Nachfrage nach guten Titanimplantaten ist groß. Die Velta-Techniker halten direkt Kontakt zu den Ärzten im Krankenhaus und drucken die Implantate nach deren Vorstellungen. Große Mengen an Titan brauchen sie dafür nicht. Denn die Implantate sind zwar wichtig, aber klein.
Mitarbeit: Yulia Serdyukova