​Israel begeht Unabhängigkeitstag inmitten von Feuern

3

Der Doppelfeiertag, der in Israel jedes Jahr im Frühsommer begangen wird, ist in der Regel minutiös geplant. Auf die in gedämpfter Atmosphäre abgehaltenen Zeremonien des Gefallenengedenktags folgen die fröhlicheren Veranstaltungen des Unabhängigkeitstags. Es gibt zahlreiche Staatsakte, Reden, Fernsehübertragungen. In diesem Jahr wurde das Programm der beiden aufeinanderfolgenden Tage aber massiv durcheinandergebracht: durch großflächige Waldbrände.

Eine Hitzewelle, verbunden mit starkem Wind, erreichte das Land gegen Mittwochmittag. Binnen kurzer Zeit brachen Brände aus. Vor allem in der hügeligen Region westlich von Jerusalem erfassten Flammen weite Landstriche. An der Autobahn von Tel Aviv nach Jerusalem wüteten Brände, Menschen ließen ihre Autos am Straßenrand stehen und rannten in Panik davon. Die Straße war zeitweise gesperrt. Mindestens zehn Orte wurden evakuiert, auch Kirchen und das Kloster Latrun des Zisterzienserordens. Rund zwanzig Menschen erlitten Verwundungen.

Mehr als hundert Feuerwehrteams waren im Einsatz. Israel bat das Ausland um Hilfe. Zahlreiche Länder, darunter Frankreich, Spanien und die Ukraine, sagten Unterstützung zu. Am Donnerstagmorgen waren laut israelischen Angaben zehn Löschflugzeuge im Einsatz; weitere acht sollten im Laufe des Tages aus anderen Ländern eintreffen. Auch die Palästinensische Autonomiebehörde bot an, Feuerwehrteams zu entsenden. Medienberichten zufolge reagierte Israel vorerst nicht auf das Angebot.

Ein trockener Winter

Am Donnerstagvormittag konnten die Bewohner der evakuierten Orte zurückkehren, nachdem die Temperaturen gefallen waren. Die Behörden warnten aber, die Brände könnten wieder aufleben. Der Leiter der Jerusalemer Feuerwehr sagte, es handele sich möglicherweise um die größten Waldbrände in der Geschichte Israels. Die Bevölkerung wurde angewiesen, das traditionelle Grillen in Parks und Grünflächen zu unterlassen.

Der Jüdische Nationalfonds (JNF) veröffentlichte am Donnerstag eine Schätzung, wonach westlich von Jerusalem etwa zwanzig Quadratkilometer Land verbrannt seien. Der JNF hat dort, aber auch in anderen Regionen, seit den Fünfzigerjahren viele Pinien gepflanzt, eine nicht einheimische Baumart, die leicht brennt. Hinzu kommt, dass der Winter sehr trocken war. Generell ist Israel stark vom Klimawandel betroffen.

Seit 2010 kam es mehrmals zu großen Waldbränden. Es gab jetzt aber auch Berichte über Brandstiftungen. Die Jerusalemer Polizei nahm am Mittwoch einen Mann aus dem Ostteil der Stadt fest; es hieß, er habe ein Feld in Brand stecken wollen. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte am Donnerstag, es seien 18 Personen festgenommen worden, die der Brandstiftung verdächtigt würden. Vonseiten der Polizei war laut Medienberichten lediglich von der Festnahme dreier Personen die Rede. Die Feuerwehr gab an, die Gründe der meisten Brände seien noch unklar. Der Vorsitzende der ultraorthodoxen Schas-Partei und Koalitionspartner Netanjahus, Arye Deri, schrieb auf der Plattform X, die Armee solle jeden Palästinenser, der Brände legt, „aus der Luft eliminieren“.

Netanjahus Sohn Yair unterstellte dagegen der politischen Linken, sie sei für die Brände verantwortlich. „Irgendetwas hier ist verdächtig“, schrieb er auf der Plattform X. Regierungsgegner hätten seit Wochen „wie verrückt versucht“, dass die Feierlichkeiten zum Unabhängigkeitstag abgesagt werden. „Ich hoffe wirklich, dass die Brandanschläge nur von den Arabern verübt wurden und niemand von unserem Volk mitgewirkt hat.“ Der Eintrag wurde später gelöscht. Yair Netanjahu ist für verschwörungstheoretische Äußerungen bekannt.

„Rette sie! Lass sie frei!“

Tatsächlich beeinflussten die Brände den Ablauf der Zeremonien. Die Veranstaltung am Mittwochabend, die den Übergang vom Gedenktag für die im Krieg und durch Terrorismus Gefallenen zum Unabhängigkeitstag markiert, wurde abgesagt. Stattdessen wurde im Fernsehen eine vorab aufgezeichnete Zeremonie gezeigt, in welcher der Tradition entsprechend Fackeln entzündet wurden. Auch die Rede Netanjahus war aufgezeichnet worden. Der Ministerpräsident rühmte Israels Erfolge im Kampf gegen seine Gegner in den vergangenen anderthalb Jahren und kündigte einen „vollständigen Sieg“ an, inklusive der Rückkehr aller Geiseln.

In einer weiteren Rede am Donnerstag sagte Netanjahu indessen, die verbliebenen 59 Entführten aus dem Gazastreifen zurückzubringen, sei „ein sehr wichtiges Ziel“, aber es gebe ein noch wichtigeres Ziel, das übergeordnet sei: „der Sieg über unsere Gegner“. Während einer Gedenkveranstaltung auf dem Zionsberg am Mittwoch waren während Netanjahus Rede „Tritt zurück“-Rufe im Publikum zu hören gewesen. Eine Frau rief ihm zu, die Geiseln litten: „Rette sie! Lass sie frei!“

In der Stadt Raanana gab es am Dienstagabend einen organisierten Angriff rechter Aktivisten auf eine liberale Synagoge, in der eine israelisch-palästinensische Gedenkzeremonie übertragen wurde. Die Polizei nahm drei Personen fest.