Affront gegen Vatikan und Parolin

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Ungeachtet der Sedisvakanz im Vatikan hat China zwei Bischöfe für Diözesen in Schanghai und in der Provinz Henan ernannt. Das berichteten am Mittwoch übereinstimmend vatikanische und amerikanische Quellen. Danach wurde in Schanghai Pater Wu Jianlin, bisher Generalvikar der Diözese, bei einer Zusammenkunft von Priestern, Ordensschwestern und Laien zum neuen Weihbischof der Diözese bestimmt. In der Stadt Xinxiang in der Provinz Henan wurde bei einer ähnlichen Zusammenkunft Pater Li Janlin zum Weihbischof gewählt.

Die Zusammenkünfte waren jeweils von der Katholisch-Patriotischen Vereinigung (KPV) einberufen worden. Die KPV ist die vom kommunistischen Regime in Peking geschaffene Institution, der sich alle katholischen Geistlichen anschließen und unterwerfen müssen.

Gemäß Kirchenrecht kann nur der Papst die Ernennung von Bischöfen vollziehen, eine Bestimmung durch weltliche Behörden oder eine Wahl durch ein Gremium von Geistlichen und Laien ist nicht möglich. Der Vatikan und Peking hatten im September 2018 ein vorläufiges Abkommen über die gemeinsame Ernennung von Bischöfen geschlossen, das 2020 und 2022 jeweils um zwei Jahre und im Oktober 2024 um vier weitere Jahre verlängert wurde.

Die Vereinbarung wurde maßgeblich von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin mit Unterstützung durch Papst Franziskus ausgehandelt. Der genaue Inhalt des Geheimabkommens ist unbekannt. Dem Vernehmen nach sieht es vor, dass die chinesischen Behörden dem Vatikan mehrere Kandidaten für ein Bischofsamt vorschlagen. Der Vatikan wählt einen Bischof aus, der dann vom Papst ernannt und von den chinesischen Behörden anerkannt wird. In der Praxis hat Peking oft nur einen Kandidaten vorgeschlagen, den der Vatikan stets akzeptiert haben soll.

Ernennung könnte die Chancen Parolins mindern

Ziel des Geheimabkommens ist die Überwindung der seit Jahrzehnten bestehenden Spaltung der katholischen Kirche in China in eine vom Regime anerkannte und in eine Untergrundkirche, die nur auf den Vatikan hört. Kritiker des Abkommens haben dem am Ostermontag verstorbenen Papst Franziskus und dessen Kardinalstaatssekretär Parolin vorgeworfen, sich faktisch dem Willen der Führung in Peking unterworfen und die Gläubigen der Untergrundkirche verraten zu haben. Die Ernennung der beiden Weihbischöfe erfolgte in Diözesen, in welchen es bereits vatikantreue Weihbischöfe gibt.

Dass Peking die Bischöfe kurz vor dem Konklave zur Wahl eines neuen Papstes ernennt, ist ein Affront gegenüber Parolin und der Weltkirche.

Der deutsche Kurienkardinal Gerhard Ludwig Müller, einer der schärfsten konservativen Kritiker von Papst Franziskus, fordert vom künftigen Papst eine härtere Linie gegenüber Peking. Zwar müsse man „mit diesen mächtigen Diktatoren Kompromisse eingehen“, konzedierte Müller jüngst in der italienischen Tageszeitung „La Repubblica“. Aber die Kirche dürfe nicht akzeptieren, dass „atheistische Kommunisten, diese Feinde der Menschheit, Bischöfe ernennen“.

Die überraschende Ernennung der beiden Bischöfe könnten die Chancen Parolins mindern, zum Nachfolger von Franziskus gewählt zu werden. Der 70 Jahre alte Kardinalstaatssekretär galt bisher als einer der Kandidaten mit den besten Aussichten, auf den Stuhl Petri gewählt zu werden.