Das Induswasser als Waffe gegen Pakistan?

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Der frühere pakistanische Außenminister Bilawal Bhutto Zardari wählte martialische Worte, um Indien vor einer Umleitung des Wassers zu warnen, das über den Indus und seine Nebenflüsse nach Pakistan gelangt. „Entweder wird Wasser fließen oder Blut“, sagte der Sohn von Präsident Asif Ali Zardari bei einer Veranstaltung am Ufer des Indus. In einem Interview mit dem Sender BBC erklärte er später: „Wir haben keine Flüsse, die wir als Reaktion auf Indien blockieren könnten. Wenn Indien Wasser als Waffe gegen das pakistanische Volk einsetzen will, wäre das eine Kriegshandlung.“ Pakistans nationaler Sicherheitsausschuss hat gedroht, in einem solchen Fall „das komplette Spektrum der nationalen Macht“ zur Vergeltung aufzubringen.

Der Hintergrund: Indien hat vergangene Woche den Indus-Wasservertrag ausgesetzt. Es war eine von mehreren Vergeltungsmaßnahmen nach dem Terrorangriff gegen indische Touristen in Pahalgam in Kaschmir. Die Regierung in Neu Delhi wirft Pakistan Verbindungen zu den Angreifern vor, was Islamabad bestreitet. Der indische Minister für Wasserressourcen, Chandrakant Raghunath Patil, tönte auf der Plattform X: „Wir werden sicherstellen, dass kein einziger Tropfen Induswasser Pakistan erreicht.“

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Aber kann Indien das Wasser des Indus überhaupt umlenken? Kurzfristig jedenfalls nicht. Der 1960 unterzeichnete Wasservertrag hat sichergestellt, dass Indien nur sehr begrenzte Staukapazitäten am Indus und den beiden Nebenflüssen Jhelam und Chanab aufbauen durfte, für die Pakistan größtenteils die Nutzungsrechte erhalten hat. Im Gegenzug erhielt Indien einen Großteil der Nutzungsrechte für die drei östlichen Nebenflüsse. Indien darf nur 2,6 Prozent des Wasservolumens in den drei westlichen Flüssen zur Bewässerung und Stromgewinnung, etwa über die Baglihar-Talsperre, überhaupt regulieren. Um die Einhaltung sicherzustellen, musste Indien das Design der Infrastruktur bisher mit Pakistan abstimmen, was regelmäßig zu Konflikten führte.

Pakistans Abhängigekit und der Klimawandel

Nach der unilateralen Aussetzung des Vertrages könnte Indien neue Infrastruktur bauen, ohne Pakistan über die Details zu informieren. Das würde allerdings Jahre dauern. Nach Angaben der indischen Organisation South Asia Network on Dams, Rivers and People gibt es einige Bauvorhaben am Chanab, die in fünf bis sieben Jahren fertiggestellt werden könnten. Die Regierung in Islamabad fürchtet, dass entsprechende Planungen in Neu Delhi bereits fertig in der Schublade liegen. Sie könnten aber durch Proteste von Umweltschützern, zumal in der politisch sensiblen und geographisch anspruchsvollen Kaschmir-Region, verzögert werden.

Aber auch die Umleitung kleinerer Wassermengen könnte Pakistan treffen, wenn sie während der Pflanzsaison oder der Trockenzeit erfolgt. Die indische Zeitschrift „Frontline“ berichtet, es gebe Erwägungen, den Wasserabfluss und die Spülung der Staubecken zur Entschlammung zeitlich so zu verändern, dass es sich negativ auf die pakistanische Landwirtschaft auswirken könnte. Rund 80 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche des Landes werden aus den drei Flüssen bewässert. Die Bauern in Pakistan fürchten nicht nur, dass langfristig weniger Wasser bei ihnen ankommt, sondern auch, dass sie sich kurzfristig schlechter vor Springfluten schützen können. Seit der Aussetzung des Vertrages muss Indien keine Echtzeitdaten über Wassermengen mehr mit dem Nachbarland teilen. Das erschwert Maßnahmen zum Flutschutz und die effektive Verteilung des Wassers während der Trockenzeit. Verletzlich ist Pakistan auch deshalb, weil es selbst über zu wenige Staukapazitäten verfügt. Betroffen davon sind außer der Landwirtschaft auch Wasserkraftwerke und die Trinkwasserversorgung der Städte. Rund ein Drittel der pakistanischen Wasserkraftkapazitäten speist sich aus dem Indusbecken.

In Pakistan vermutet man, dass Indien den Terrorangriff von Pahalgam nur als Vorwand nutzt, um einen Rückzug aus dem Wasservertrag zu vollziehen. Schon seit Längerem fordert Neu Delhi eine Neuverhandlung des Abkommens und verweist als Grund unter anderem auf den Klimawandel. In beiden Ländern führen Bevölkerungswachstum, Klimawandel, Industrialisierung und Missmanagement zu erheblicher Wasserknappheit. Um den Druck auf Pakistan zu erhöhen, setzte Indien zeitweise seine Teilnahme an Treffen der Ständigen Induskommission aus, die der Streitschlichtung dient. Mit der Aussetzung ist nun das letzte Dialogformat blockiert, das noch zwischen beiden Ländern existierte.

Die Rolle Chinas und der USA

Bisher galt der Wasservertrag als Vorzeigebeispiel für Kooperation zwischen verfeindeten Staaten. Er war 1960 nach acht Jahren Verhandlungen unter Vermittlung der Weltbank unterschrieben worden. Selbst während der drei Kriege zwischen beiden Ländern wurde er weitgehend eingehalten. Pakistan erwägt nun, gerichtlich gegen die einseitige Aussetzung des Vertrages vorzugehen, und verweist darauf, dass darin keine Möglichkeit eines Austritts vorgesehen ist. Zudem bemüht sich Pakistan auf diplomatischem Parkett, Druck auf Indien aufzubauen. Vor allem Islamabads wichtigster Verbündeter China hätte dafür einen Hebel. Der Brahmaputra, der für Indien eine bedeutende Quelle für Stromerzeugung, Trinkwasser und Bewässerung ist, entspringt in China. Zumindest könnte Peking sich in seinem eigenen Wasserkonflikt mit Indien auf dessen Vorgehen beim Indus-Wasservertrag berufen und so die indische Position schwächen.

Bei früheren Eskalationen zwischen Indien und Pakistan fiel den USA eine zentrale Rolle als Vermittler zu. Seit dem Abzug der amerikanischen Truppen aus Afghanistan hat Pakistan für Washington aber erheblich an Bedeutung verloren – während Indien als Gegengewicht zu China an Bedeutung gewonnen hat. Am Mittwoch telefonierte Außenminister Marco Rubio mit seinem indischen Amtskollegen und mit dem pakistanischen Ministerpräsidenten Shehbaz Sharif. Nach Angaben seines Ministeriums rief Rubio Pakistan dazu auf, den Terrorangriff von Pahalgam zu verurteilen und bei den Ermittlungen zu kooperieren. Vom Indus-Wasservertrag ist in den Mitteilungen zu beiden Telefonaten keine Rede.