Internationale Zufriedenheitsstudie: Deutsche sind nicht so richtig glücklich

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Stand: 02.05.2025 13:58 Uhr

200.000 Menschen wurden für eine Studie zum Thema Wohlbefinden und Glück befragt. Deutschland belegt nur den 17. von 22 Plätzen. Auffällig: Jüngeren Menschen geht es global schlechter.

Von Dorothee Rengeling, BR

Eine neue Studie hat hinterfragt, wie es weltweit um das gelingende, glückliche Leben steht. Für die “Global Flourishing Study” wurden 200.000 Erwachsene in 22 Ländern befragt. Die ersten Ergebnisse liegen jetzt vor. Mit mehreren Überraschungen: Auf Platz Nummer 1 liegt Indonesien, gefolgt von Mexiko. Deutschland landet auf Platz 17. Welche Erklärungen gibt es dafür?

Flourishing: Auf der Suche nach dem blühenden Leben

Eigentlich bedeutet das Wort “Flourishing” blühend. Dahinter verbirgt sich ein Konzept aus der Positiven Psychologie. Es beschreibt das Erreichen eines Zustands, in dem alle Aspekte des Lebens eines Menschen gut sind. Leonie Steckermeier, Juniorprofessorin für Angewandte Soziologie von der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern Landau, erklärt: “Dazu zählen sechs Dimensionen: physisches und emotionales Wohlbefinden, soziale Beziehungen, finanzielle Sicherheit, Charaktereigenschaften sowie das Empfinden von Sinn im Leben.”

Die Ergebnisse der “Global Flourishing Study” deuten darauf hin, dass manche Zusammenhänge fast überall gelten: Menschen, die eine Arbeit haben, die verheiratet sind oder die regelmäßig an Gottesdiensten teilnehmen, haben zumeist durchschnittlich ein erfüllteres Leben. Aber es gibt auch Überraschungen.

Indonesien und Mexiko haben die Nase vorn

Die Autoren der Studie haben aus den Daten pro Land einen Wohlstandsindex berechnet. Das erste Ergebnis: In zwei ärmeren Ländern als Deutschland sind die Menschen glücklicher. Indonesien führt mit einem Index von 8,10. Deutschland liegt mit einem Index von 7,01 auf Platz 17 von 22 Plätzen. Hilke Brockmann, Assoziierte Professorin für Soziologie an der Constructor University Bremen, vermutet, dass ärmere Länder wie Indonesien vermutlich glücklicher seien, “weil sie materielle Dinge nicht in dem gleichen Maße wie Menschen in reicheren Ländern beurteilen. Denn sie haben sie nicht, sie erachten sie als nicht so wichtig.”

Mexiko hat den zweiten Platz mit einem Index von 7,87. “Es könnte am sogenannten ‘südamerikanischen Rätsel’ liegen”, sagt Brockmann. “Südamerikaner strahlen sehr viel Lebensfreude aus. Das liegt auch daran, dass sie sehr gut in ihren sozialen Netzen eingebunden sind. Im Gegensatz zu Deutschland, wo es kleinere Familien und weniger Geschwister gibt.”

Allerdings sollte man bei Rankings genau hinschauen, denn in einer vor kurzem erschienenen anderen Glücks-Studie hat Deutschland viel besser abgeschnitten.

Vorsicht beim Vergleich von Rankings

Im “World Happiness-Report” lag Deutschland auf Platz 22 von insgesamt 147 Ländern, also in der Spitzengruppe. Doch der Vergleich der beiden Studien hinkt. Denn beide untersuchen jeweils etwas anderes. Der “World Happiness-Report” hat nach den Auswirkungen von Fürsorge und Teilen auf das Glück der Menschen gefragt. Leonie Steckermeier: “Die Autorinnen und Autoren lehnen eine Interpretation der unterschiedlichen Mittelwerte im Sinne eines Länderrankings ausdrücklich ab. Sie verweisen u.a. auf kulturell unterschiedliche Verständnisse der erhobenen Indikatoren.”

Ein besonderer Trend nur in Deutschland

Doch es gibt noch mehr Überraschungen. So sollen Menschen, die als Kinder gesundheitliche Probleme hatten, im Erwachsenenalter aufblühen und ein gutes, deutlich erfülltes Leben führen. Das ist ein Trend, den es nur in Deutschland gibt. Hilke Brockmann vermutet, dass sich dahinter vielleicht Artefakte verstecken könnten. “Es ist noch keine aufwändige, statistische Kontrolle über die Daten gelegt”, sagt sie. “Und hinter diesem auffälligen Zusammenhang könnten Effekte eine Rolle spielen, die man eben noch nicht identifiziert hat.” Zusätzlich gibt sie zu bedenken, dass die erhobenen Daten Erinnerungsdaten sind.

Sie könnte sich aber vorstellen, dass diese Erwachsenen in Deutschland eine gute Resilienz entwickelt haben, also die Fähigkeit, widerstandfähig gegen Rückschläge zu sein. Dazu erinnert sie an die Wiedervereinigung, die vor 35 Jahren auch Auswirkungen auf die damaligen Kinder hatte. “Vielleicht hat man sich damals als Kind kränklich gefühlt hat. Ist dann aber aus dieser gesellschaftlichen Transformation gestärkt hervorgegangen, weil man in der Erinnerung sieht, dass man das eigentlich gut überwunden hat.” Aber diese Überlegung ist spekulativ. Denn die Daten der “Global Flourishing Study” liefern keine Erkenntnisse über die Ursachen der Ergebnisse. Es sind bisher reine Korrelationen.

Jüngere Menschen in Deutschland unglücklicher als bisher

Die letzte Überraschung: Bisherige Forschungen haben gezeigt, dass es jüngeren und älteren Menschen besser geht als denen, die in der Lebensmitte sind. Das ist ein sogenannter U-förmiger Verlauf von Lebenszufriedenheit und Alter.

Die Studie zeigt jetzt aber, dass es jüngeren Menschen zwischen 18 bis 29 Jahren schlechter geht. Dabei würde man erwarten, dass gerade junge Menschen, die ihr Elternhaus verlassen, viele Freiheiten und Möglichkeiten haben, auf einem hohen Glückslevel sind. “In den vergangenen Jahren mehrt sich die Evidenz, dass jüngere Alterskohorten sowohl in ihrem subjektiven als auch in ihrem mentalen Wohlbefinden deutlich hinter dem Niveau früherer Generationen zurückbleiben”, sagt Leonie Steckermeier.

Dahinter könnte – und das ist wieder reine Spekulation – als Ursache die Auswirkungen der Corona-Pandemie stecken. Denn jüngere Menschen waren den Schrecken und Nachteilen besonders ausgeliefert. Hilke Brockmann hat auch hier eine vorsichtige Erklärung. “Der Staat, der ja auch zur Bewältigung der Pandemie agiert hat, hat das eben nicht abfedern können. Und dieser Mangel am sogenannten sozialen Kapital ist natürlich etwas, was besonders jüngere Leute betrifft.”

Die glücklichsten Menschen in Deutschland sind übrigens die ab 70 Jahren aufwärts.

Die Befragungen werden in den kommenden Jahren mit denselben Personen jährlich wiederholt, sodass zukünftig Veränderungen im Zeitverlauf analysiert werden können.