Der Vorstand des Chemiekonzerns BASF hat von Aktionären für seine neue Strategie Vorschusslorbeeren erhalten. Auf der – digitalen – Hauptversammlung am Freitag zeigten sich die meisten Aktionärsvertreter zufrieden, obwohl der neue Konzernchef Markus Kamieth im vorigen Herbst erstmals eine Kürzung der Dividende ankündigt hatte und sich die runderneuerte Strategie bis heute noch nicht positiv im Aktienkurs zeigt. Nach einem kurzen Höhenflug ist der Aktienwert des weltgrößten Chemiekonzerns im Zuge der Zollkapriolen der amerikanischen Regierung wieder gesunken.
Die vom neuen Konzernvorstand verkündete Kehrtwende, der Abschied vom Größenmantra, die Ankündigung, sich von einem großen Teil der Geschäfte zu trennen, um sich auf neu definierte Kernbereiche zu konzentrieren, kommentieren die meisten professionellen Aktionärsvertreter positiv. Das Management habe gezeigt, dass es ein offenes Ohr für den Kapitalmarkt habe, sagte Linus Vogel von der Sparkassenfondsgesellschaft Deka. Arne Rautenberg, Sprecher der genossenschaftlichen Union Investment, sagte, es sei richtig und notwendig, sich auf den Verbund zu konzentrieren und sich von Randgeschäften zu trennen. „Die BASF besinnt sich in ihrer neuen Strategie wieder auf das, was sie am besten kann.“
In Teilen glich die Veranstaltung einer Distanzierung vom alten Vorstandschef Martin Brudermüller, ohne dass dessen Namen immer gefallen wäre. Der alte Vorstand habe sich „oft und gerne über ändernde Rahmenbedingungen beklagt“, sagte Vogel. Erst unter Kamieths Führung habe BASF „die Fähigkeit und den Willen zur Anpassung deutlicher demonstriert.“ Das neue Management habe dem Konzern eine Frischzellenkur verordnet. „Der Dinosaurier BASF lebt.“ Siemens habe mit seinen Abspaltungen vorgemacht, „dass die Häutung eines Dax-Konzerns durchaus wertstiftend sein kann.“
Christiane Hölz von der Aktionärsvereinigung DSW lobte einen neuen Teamgeist und neuen Wind und sagte, sie sei zuversichtlich, dass der neue Vorstand liefere und den Abwärtstrend der Renditen stoppe. Andreas Schmidt von der SdK, der zweiten großen Aktionärsvereinigung in Deutschland, sagte, die neue Strategie gehe in die richtige Richtung.
„Konzern vor Wendepunkt“
Kamieth, seit einem Jahr im Amt, hatte zuvor bei seinem ersten Auftritt vor der Hauptversammlung für den Umbau geworben und dabei auch nicht mit Kritik gespart. Der Konzern steht nach seinen Worten vor einem Wendepunkt. Man habe in den vergangen Jahren vieles richtig gemacht. Zur Bestandsaufnahme gehöre aber auch dies: „Wir sind unseren Ansprüchen nicht immer gerecht geworden. Insbesondere bei Produktivität, Profitabilität und Wertsteigerung.“ Um den hohen Erwartungen an BASF gerecht zu werden, habe das Vorstandsteam den Kompass deshalb neu ausgerichtet .
Das neue Vorstandsteam hatte im Herbst die Geschäfte als Kerngeschäfte definiert, die eng in die integrierten Wertschöpfungsketten eingebunden sind und von der Verbundproduktion profitieren – zudem ein Sparprogramm aufgelegt und die bisherige Dividendenpolitik gekippt. Die Ausschüttung soll zurückgehen, stattdessen von Aktienrückkäufen flankiert werden, so dass die Gesamtausschüttung „auf dem hohen Niveau“ der vergangenen Jahre bleibe, wie Kamieth sagte.
Große Teile des Portfolios – die 25 Milliarden von zuletzt 69 Milliarden Euro Umsatz repräsentieren – sollen eigenständig geführt und „Optionen“ für sie gesucht werden, also mögliche Käufer oder Partner. Nicht mehr zum Kerngeschäft zählt der Vorstand die Pflanzenschutzsparte mit zuletzt zehn Milliarden Euro Umsatz. Sie soll von 2027 an teilweise an die Börse gebracht werden. Ebenfalls nicht mehr zum Kerngeschäft gehört „Coatings“, Lacken und Farben also, mit einem Umsatz von 4,3 Milliarden Euro. Den kleineren Teil hat der Konzern bereits verkauft, für den Rest kommen nach Kamieths Worten ein Joint-venture oder ein vollständiger Verkauf in Frage. Für das Geschäft mit Katalysatoren schließlich sucht der Konzern schon länger einen Partner.
Kamieth sagte, die Geschäfte der BASF seien sehr unterschiedlich. Alle unter einem Dach zu steuern, entlang der Logik des Verbunds, funktioniere in dem veränderten Umfeld nicht mehr.
Der Großstandort Ludwigshafen, an dem fast 40.000 Menschen arbeiten, soll nach dem Willen des Vorstands „schlanker, aber stärker werden“. Ihm sei klar, dass der Konzern Anlagen schließen und Stellen abbauen werde, gleichzeitig investiere er aber auch in Ludwigshafen. Der Hauptsitz ist seit Jahren defizitär, BASF hat bereits zwei Sparprogramme aufgelegt, wie viele Stellen noch gestrichen werden sollen, sagte der Vorstand auch am Freitag nicht. Gut 20 Prozent der Anlagen könnten dort nach BASF-Darstellung über kurz oder lang ihre Wettbewerbsfähigkeit verlieren.
Kritik an sozialen Medien
Kamieth sagte, er könne nicht nachvollziehen, wenn der notwendige Umbau instrumentalisiert werde. Wenn vor allem in sozialen Medien behauptet werde, die Produktion werde wegen einer angeblich unaufhaltbaren De-Industrialisierung verlagert. Das mache den Menschen Angst und nehme ihnen den Glauben an die Zukunft. „Ja, wir haben in Deutschland und Europa Probleme.“ Aber die Themen seien erkannt.
Den überwiegenden Teil des Chemiewachstum erwartet Kamieth in Asien. Der Konzern, der gerade in Südchina für zehn Milliarden Euro einen neuen Großstandort aus dem Boden stampft, will dort den Blick weiten und Indien, Malaysia, Singapur, Thailand und Vietnam ins Visier nehmen. „Gelingen wird uns das durch gezielte Investitionen, Partnerschaften und Zusammenschlüsse.“
Gegen die Folgen der Zollquerelen sieht sich BASF gewappnet. Der Konzern produziere für Kunden vor Ort. In den USA stammten 80 Prozent der Umsätze aus im Land hergestellten Produkten, in Europa sei der Anteil noch höher. Die Rohstoffe kommen nach Kamieths Worten zu 90 Prozent aus der jeweiligen Region. Wegen der indirekten Effekte sind alle Auswirkungen auf das BASF-Geschäft nach Darstellung von Finanzvorstand Dirk Elvermann aber nur schwer einzuschätzen. Das Jahresziel – ein von 7,9 Milliarden auf 8 bis 8,4 Milliarden Euro steigendes operatives Ergebnis – bekräftige der Konzern.