Die Zölle bringen den Handel zum Erliegen

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Wenn Amerikas Einfuhren ins Stocken geraten, dann spürt es Eugene Seroka als Erstes. Seroka ist Exekutivdirektor des Hafens von Los Angeles, an dem rund zwei von fünf Gütern landen, die die USA aus Asien einführen. Die hohen Importzölle zeigen Wirkung, die Lieferungen bleiben aus, stellte Seroka Ende April fest. Schon für kommende Woche prognostizierte er ein Minus von mehr als einem Drittel. Noch heftiger sind die Einbußen im Handel mit der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt: „Im Prinzip wurden alle Lieferungen großer Händler und Produzenten aus China ausgesetzt“, sagte Seroka.

Der „Tag der Befreiung“ von US-Präsident Donald Trump ist erst einen Monat her. Ein Frachter schafft es in dieser Zeit, sofern er sich beeilt, einmal von Shanghai, dem größten Hafen der Welt, nach Los Angeles und zurück. Im Wirbelwind des Handelskrieges haben sich die Zollbestimmungen in diesem Zeitraum indes Dutzende Male geändert. Häufig sind die Regeln gar nicht klar genug definiert, als dass die Importeure wüssten, welche Zölle sie bezahlen müssen.

Manche hoffen einfach, dass die Zollbehörden in dem Chaos selbst den Überblick verlieren. Trump hat ohnehin viele seiner Zölle zurückgenommen, pausiert oder einzelne Gütergruppen von Zöllen befreit. Chinas Präsident Xi Jinping hat sein Land zwar auf einen harten Kurs eingeschworen und mit hohen Gegenzöllen reagiert. Unter der Hand erhalten aber auch in China viele Waren aus den USA Zollausnahmen.

In den Daten zeigen sich die Verwerfungen noch nicht

Aktuell erheben die USA auf die meisten chinesischen Einfuhren 145 Prozent, China hat seinerseits mit Zöllen von 125 Prozent reagiert. Nach und nach passen sich die globalen Warenströme daran an. 30 Prozent weniger Schiffe seien von China in Richtung USA unterwegs, geht aus Daten von Bloomberg hervor. Beim Logistikriesen Hapag-Lloyd wurden 30 Prozent der Buchungen von China in die USA gestrichen. Neue Buchungen auf der Route zwischen China und den USA seien um 45 Prozent eingebrochen, verzeichnete das Beratungshaus Vizion.

In den offiziellen Daten des chinesischen Transportministeriums zeigen sich diese Verwerfungen bisher nicht. Mitte April gab es an Chinas wichtigsten Häfen zwar ein Minus im Volumen an den Häfen von knapp einem Zehntel gegenüber dem Vormonat, in den letzten beiden Aprilwochen lag das Volumen aber wieder sieben bis neun Prozent im Plus. Diese Daten beziehen sich aber nicht nur auf den Handel mit den USA.

Auch die Ausschläge in den Containerpreisen sind bisher weniger stark. Die Schifffahrtsberatung Drewry stellte auf den Routen von Shanghai nach Los Angeles und New York seit dem „Liberation Day“ bisher nur einen Rückgang von fünf bis zehn Prozent fest. Das Analysehaus Freightos sah hingegen ein Minus von 27 Prozent. Die Preise unterliegen aber stets größeren Schwankungen. Im vergangenen Sommer hatten sie sich wegen der Krise im Roten Meer und den Bombardements der Huthi-Miliz mehr als verdoppelt und lagen zeitweise mehr als viermal so hoch wie aktuell.

„Es braut sich etwas zusammen“, sagt Simon Heaney von Drewry. Noch sei das in hinterherhinkenden Hafen- und Handelsstatistiken jedoch noch nicht ausreichend erkennbar. „Das wird erst in einigen Wochen richtig sichtbar.“ Es dauert, bis Produzenten und Lieferanten ein neues Gleichgewicht finden. Mit jeder Zolländerung sieht die ökonomisch beste Lösung wieder anders aus.

Ein Grund für die bisher recht stabilen Preise ist, dass die Reedereien geplante Fahrten absagen, sogar mehr als während der Verwerfungen der ersten Tage der Corona-Pandemie, schreibt das Beratungshaus Flexport. An den chinesischen Großhäfen in Yantian, Ningbo und Shanghai könne von Mitte Mai an bis zur Hälfte der geplanten Kapazität wegfallen. Seit dem Liberation Day habe sich aber auch die Nachfrage gegenüber dem vorherigen Monat halbiert.

Dagegen steigt die Nachfrage aus anderen asiatischen Ländern gerade rapide an, weil die Unternehmen versuchen, ihre Ware innerhalb der 90-Tage-Frist in die USA zu liefern. Die Containerpreise für Fahrten von Vietnam in die USA sind laut Freightos um 15 Prozent gestiegen. Auch im Vorfeld des Liberation Days hatte es enorme Vorzieheffekte gegeben, die nun die Daten verzerren. Zurzeit warten viele chinesische Unternehmen erst einmal ab und hoffen auf eine Annäherung im Handelsstreit der beiden größten Volkswirtschaften der Welt.

Das Warten könnte sich lohnen. Denn in dieser Woche gab es erstmals entsprechende Andeutungen. Trump spricht schon seit Längerem davon, dass es direkte Gespräche mit China gebe. Die Volksrepublik wies das bisher zurück. Am Freitag, eigentlich ein Feiertag in China, sagte ein Sprecher des Handelsministerium nun erstmals, dass die USA auf mehreren Kanälen Kontakt aufgenommen hätten und China prüfe, wie man mit der Situation umgehen wolle. Die weltweiten Börsen reagierten verhalten positiv.

Dass fast zeitgleich die nächste Zollerhöhung in Kraft trat, ging dabei fast unter. Künftig erheben die USA auch auf Pakete mit einem Warenwert von weniger als 800 Dollar Zölle und heben damit eine seit den Dreißigerjahren geltende Ausnahme auf. Vor allem die chinesischen Billighändler Temu und Shein hatten aus dieser sogenannten De-Minimis-Regel ein Geschäftsmodell gemacht.

Trump hatte das Ende der Ausnahme verschoben, weil der Zoll sich erst vorbereiten musste. Temu gab daraufhin bekannt, künftig verstärkt auf US-Händler setzen zu wollen. Das dürfte ganz in Trumps Sinne sein.