Der FC Bayern ist Meister. Was vor wenigen Jahren noch kaum berichtenswert war, ist wieder eine Errungenschaft. Trainer Vincent Kompany hat es möglich gemacht.
Im Sommer 2024 verloren manche Zeitungen den Überblick. War Vincent Kompany nun die D-, E- oder F-Lösung? Ralf Rangnick, Oliver Glasner, Xabi Alonso, Roger Schmidt. Die Liste der Namen, die dem FC Bayern angeblich oder offiziell zuvor für das Traineramt abgesagt hatten, hatte es in sich. Vincent Kompany war sie egal. Sein Selbstvertrauen blieb davon unberührt.
Das tat dem FC Bayern gut. Kompany ging fokussiert zur Sache, brachte einen klaren Plan mit. Sein FC Bayern sollte für ihn und seine Geschichte stehen. “Ich bin auf den Straßen in Brüssel groß geworden, habe auf der Straße gespielt. Ich möchte, dass meine Spieler Mut haben, dass wir aggressiv sind. Ich möchte, dass wir so spielen, das macht auch meinen Charakter aus”, sagte er bei seiner Vorstellung. Ein Jahr später darf sich Vincent Kompany bestätigt fühlen. Bayern spielt den von Trainer gewünschten Brüsseler Straßenfußball und ist bereits zwei Spieltage vor Schluss Deutscher Meister, wenn auch auf dem Sofa, durch das 2:2 von Verfolger Bayer Leverkusen beim SC Freiburg. Und Kompany ist auf dem Weg, ein altes Monster wieder erwachen zu lassen.
Zweifel an Kompany waren verständlich. Zuvor hatte der 39-Jährige nur den RSC Anderlecht in der ersten belgischen Liga sowie den FC Burnley aus England trainiert. Mit Burnley war er erst aus der Championship dominant in die Premier League marschiert, danach aber sang- und klanglos abgestiegen. Und dann der deutsche Rekordmeister? Ein mutiger Schritt.
Doch der als Trainer vergleichsweise unerfahrene Kompany räumte relativ schnell die Zweifel aus dem Weg, gewann die ersten sechs Pflichtspiele – und den Rückhalt der Spieler. Thomas Müller gefiel der druckvolle und dominante Fußball schon früh. “Ich denke, das passt gut zu unserem Team”, sagte er nach dem Erstrundensieg im Pokal gegen Ulm. Joshua Kimmich stellte im Herbst in der BR-Sendung “Blickpunkt Sport” fest: “Die Spielidee des Trainers kommt mir sehr zugute.”
Die Überzeugung der Spieler war auch auf dem Platz zu erkennen. Der FC Bayern überrollte in der Bundesliga regelmäßig seine Gegner. 4:0 gegen Stuttgart, 5:0 in Bochum, 5:0 gegen Hoffenheim, 6:1 in Kiel, 5:0 in Bremen, 4:0 gegen Frankfurt. Nur zwei Bundesliga-Spiele gingen verloren, die beide auch mit einem Sieg hätten enden können. Bayern schießt die meisten Tore (93, Leverkusen auf Rang zwei 68), kassiert die wenigsten (32, Leverkusen hat 37), hat den mit Abstand meisten Ballbesitz und spielt sich die meisten Großchancen heraus.
Es ist wieder eklig, gegen die Bayern zu spielen. Freuten sich die Bundesliga-Teams im vergangenen Jahr unter Thomas Tuchel noch darauf, dem oft unkreativen Rekordmeister eins auszuwischen, ist die Realität unter Kompany eine andere. Die Kontrahenten müssen wieder 90 Minuten lang dem Ball hinterherrennen. Böse Erinnerungen an die Guardiola-Zeit werden wach.
Nun ist Bayern noch lange nicht an dem Punkt von damals, als Auswärtsspiele in München mit einem “Zahnarztbesuch” verglichen wurden (das Zitat stammt vom früheren Bremer Verteidiger Sebastian Prödl). Doch der neue Meister ist auf dem Weg dahin. Mit den richtigen Transfers, die zum Spielstil des Trainers passen, hat Bayern schon nächstes Jahr gute Chancen, das Triple aus DFB-Pokal, Champions League und Bundesliga zu gewinnen.
Wie spannend die Bundesliga im kommenden Jahr wird, hängt natürlich auch davon ab, ob das Leverkusener Erfolgsduo Xabi Alonso und Florian Wirtz bleibt. Gehen beide, steht bei der “Werkself” ein kleiner Umbruch an, der die Chancen auf eine zweite Meisterschaft nach 23/24 verringern dürfte. Bleiben beide, bekämen die Bayern wohl noch einmal starke Konkurrenz. In jedem Fall starten sie aber wieder als Favorit in die neue Spielzeit. Und das ist der Verdienst von Vincent Kompany.